EU-Afrika-Gipfel
Afrika braucht Kapitalismus statt Entwicklungshilfe

Erschienen am 29. November 2017

Angela Merkel reist zum EU-Afrika-Gipfel. Es gehe um die „Bekämpfung der Fluchtursachen“. Doch die Entwicklungshilfe hat komplett versagt.

Wieder einmal wird Entwicklungshilfe als Mittel propagiert, um „Fluchtursachen zu bekämpfen“. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat die EU-Staaten aufgefordert, die zugesagten Finanzhilfen für Afrika auch in vollem Umfang zu leisten. Jeder Euro sei wichtig zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Die EU will neue Investitionen in Milliardenhöhe in Afrika ankurbeln. „Mit einem Beitrag von 4,1 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt kann der ,Externe Investitionsplan‘ bis zu 44 Milliarden Euro für Investitionen in unsere gemeinsame europäisch-afrikanische Zukunft mobilisieren. Diesen Betrag können wir sogar verdoppeln, wenn die Mitgliedstaaten mitziehen“, sagte Juncker der WELT vor dem Gipfeltreffen mit afrikanischen Staatschefs an diesem Mittwoch und Donnerstag.

Entwicklungshilfe schadet mehr als sie hilft
Entwicklungshilfe klingt moralisch gut und für manche Befürworter ist sie – fast im religiösen Sinne – eine Art Wiedergutmachung für die Sünden des Kolonialismus und der „Ausbeutung der Dritten Welt“ durch die kapitalistischen Länder. Neuerdings wird sie als Wundermittel verkauft um „Fluchtursachen zu beseitigen“. Aber bewirkt sie das, was sich die Befürworter davon erhoffen?

Dambisa Moyo, die in Sambia geboren wurde, in Harvard studierte und in Oxford promoviert wurde, hat in ihrem Buch „Dead Aid“ die Entwicklungshilfe der reichen Länder als eine weitere Ursache für die Not auf dem Kontinent identifiziert. In den vergangenen 50 Jahren, schrieb Moyo 2009, wurde im Rahmen der Entwicklungshilfe über eine Billion Dollar an Hilfsleistungen von den reichen Ländern nach Afrika überwiesen. „Doch geht es den Afrikanern durch die mehr als eine Billion Dollar Entwicklungshilfe, die in den letzten Jahrzehnten gezahlt wurden, tatsächlich besser? Nein, im Gegenteil: Den Empfängern der Hilfsleistungen geht es wesentlich schlechter. Entwicklungshilfe hat dazu beigetragen, dass die Armen noch ärmer wurden und dass sich das Wachstum verlangsamte… Die Vorstellung, Entwicklungshilfe könne systemische Armut mindern und habe dies bereits getan, ist ein Mythos. Millionen Afrikaner sind heute ärmer – nicht trotz, sondern aufgrund der Entwicklungshilfe.“

Um nicht missverstanden zu werden: Mit „Entwicklungshilfe“ meint Moyo nicht karitatives Engagement und akute Hilfe bei Hungersnöten oder Katastrophen, die natürlich nicht kritisiert werden sollen, sondern dauerhafte finanzielle Transferleistungen mit dem Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Oft wurden diese Gelder an korrupte und despotische Regierungen gezahlt und kamen nicht bei den Armen an. Doch „selbst wenn die Hilfsleistungen nicht einfach veruntreut wurden und in den Kanälen der Korruption versickerten, blieben sie unproduktiv. Die politische Realität hat überdeutliche Beweise dafür geliefert. Angesichts des ökonomischen Zustandes Afrikas ist nicht zu erkennen, wo Wachstum eine direkte Folge der gewährten Entwicklungshilfe gewesen wäre“.

Abdoulaye Wade, 2000 bis 2012 Präsident von Senegal, äußerte einmal in einem Interview: „Ich habe noch nie erlebt, dass sich ein Land durch Entwicklungshilfe oder Kredite entwickelt hat. Länder, die sich entwickelt haben – in Europa, in Amerika; oder auch in Japan oder asiatische Länder wie Taiwan, Korea und Singapur -, haben alle an den freien Markt geglaubt. Das ist kein Geheimnis. Afrika hat nach der Unabhängigkeit den falschen Weg gewählt.“ In der Tat wählte Afrika einen anderen Weg. Nach dem Ende der Kolonialzeit bekannten sich fast alle afrikanischen Länder zu irgendeiner Form des Sozialismus. Diese Konzepte sind alle gründlich gescheitert, ebenso jedoch der Ansatz, Afrika durch Entwicklungshilfe auf die Beine zu helfen.

James Shikwati, Gründer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Inter Region Economics“ in Nairobi (Kenia), äußerte in einem Interview: „Würde die Entwicklungshilfe abgeschafft, bekäme das der kleine Mann gar nicht mit. Nur die Funktionäre wären schockiert.“ Sein Fazit zum Thema Entwicklungshilfe: „Es werden riesige Bürokratien finanziert, Korruption und Selbstgefälligkeit gefördert, Afrikaner zu Bettlern erzogen und zur Unselbstständigkeit. Zudem schwächt die Entwicklungshilfe überall die lokalen Märkte und den Unternehmergeist, den wir so dringend brauchen. Sie ist einer der Gründe für Afrikas Probleme, so absurd dies klingen mag.“

William Easterly, Professor für Ökonomie und Afrikastudien an der New York University, hält Entwicklungshilfe für weitgehend nutzlos, oft sogar kontraproduktiv. In zwei Jahrzehnten wurden in Tansania zwei Milliarden Dollar an Entwicklungshilfemitteln für den Straßenbau ausgegeben, aber das Straßennetz ist nicht besser geworden, so berichtet er. Weil die Straßen nicht instand gehalten wurden, verfielen sie schneller, als die Geldgeber neue bauen konnten. Was sich wirkungsvoll in Tansania entwickelte, war eine gigantische Bürokratie.

Afrika braucht Unternehmer
Trotz allem: In den vergangenen zehn Jahren haben sich einige Länder in Afrika enorm entwickelt, aber das ist keineswegs die Folge der Entwicklungshilfe. In westlichen Medien sehen wir vor allem die Bilder von flüchtenden Menschen in Not, die in Europa nach einem besseren Leben suchen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. „Unbemerkt vom reichen Norden entsteht in Afrika eine Unternehmerschicht, die den Aufschwung auf diesem Kontinent vorantreibt und gestaltet“, berichtet Hiller von Gaertringen in seinem Buch „Afrika ist das neue Asien“. Wer die lebensnahen Beispiele von Unternehmertum in diesem Buch liest, ist beeindruckt und wird erinnert an den Unternehmertyp, den der Ökonom Schumpeter als wichtigste Voraussetzung für den Erfolg des Kapitalismus so eindrücklich beschrieben hat.

Die Zahl der Reichen wächst in Afrika stärker als in jedem anderen Kontinent. Der „Wealth Report“ von Knight Frank zeigt, dass von den 20 Ländern, in denen die Zahl der Ultra High Net Worth Individuals (UHNWI, Personen mit einem Nettovermögen von mindestens 30 Millionen Dollar) in den letzten zehn Jahren am stärksten gestiegen ist, mehr als die Hälfte in Afrika liegt. In Kenia wuchs beispielsweise von 2006 bis 2016 die Zahl der UHNWIs um 93 Prozent – noch stärker nahm sie weltweit nur in Vietnam, Indien und China zu. Für die kommenden zehn Jahre prognostiziert Knight Frank, dass die Zahl der UHNWIs in Afrika stärker wachsen wird als die in Amerika und Europa.

Auch in Afrika gilt – wie in China und Indien -, dass mit der Zahl der Reichen gleichzeitig die Mittelschicht wächst. Teilweise wird die Mittelschicht in Afrika schon auf 350 Millionen Menschen geschätzt, das wäre rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Kontinents. Die Zahl hat sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdreifacht. Allerdings bewegt sich die Hälfte dieser Gruppe nur knapp über der Armutsgrenze. Man muss dazu wissen, dass der Begriff Mittelschicht in den einschlägigen Studien nicht nach den Maßstäben von Industrieländern definiert wird, sondern nach denen von Entwicklungsländern. Danach beginnt die Mittelschicht genau dort, wo die Armut aufhört.

Aber selbst wenn man den Begriff enger fasst, zählen heute in Afrika 150 Millionen Menschen zur Mittelschicht. Diese Menschen haben ein Leben fern von existenziellen Ängsten, mit bezahlbarer ärztlicher Versorgung, Urlaub, ein Leben mit Eigentum und der Möglichkeit, den Kindern eine viel bessere Ausbildung zu finanzieren, als sie selbst hatten. Die enorm steigenden Zahlen der Mobiltelefone oder der Autos sind ein Zeichen dafür, dass die Mittelschicht wächst.

Bono: Afrika braucht Kapitalismus
Ausländische Investments – etwa aus China und Indien – einerseits und die Etablierung einer stärker marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung in vielen afrikanischen Ländern sind nur zwei Voraussetzungen für Wachstum und Wohlstand. In Afrika gibt es viele negative Faktoren, die es in China, das vielen als Vorbild für den schwarzen Kontinent gilt damals nicht gab: Bürgerkriege, Stammesrivalitäten und fehlende Institutionalisierung. Fraglich ist zudem, ob die – auch im Vergleich zu Europa und Nordamerika – extrem ausgeprägte Leistungsbereitschaft und Disziplin, die für viele asiatische Länder so charakteristisch ist, in afrikanischen Ländern im gleichen Maße vorhanden ist oder sich entwickeln wird. Nicht in jedem Land führt die Einführung des Kapitalismus zu gleichen Ergebnissen, aber sie ist ein Katalysator für die Mehrung des wirtschaftlichen Wohlstandes. Auch für Afrika gilt, dass der Kapitalismus nicht – wie linke Ideologen meinen – das Problem ist, sondern ein wichtiger Beitrag zur Lösung der Probleme.

Das hat inzwischen übrigens auch der U2-Rocksänger Bono erkannt, der früher weltweit die großen Afrika-Festivals organisierte, bei denen der Kapitalismus angeprangert und mehr Entwicklungshilfe als Lösung zur Überwindung von Hunger und Armut in Afrika propagiert wurde. Bono hat sich durch die Tatsachen überzeugen lassen: „Handel und unternehmerischer Kapitalismus befreit mehr Menschen aus der Armut als Hilfe. Afrika muss eine Wirtschaftsmacht werden.“ Bob Geldorf, der die Live-Aid-Konzerte für Afrika mit ins Leben gerufen hatte, gründete zusammen mit Partnern einen Private Equity-Fonds, weil er sah, dass es mehr braucht als nur wohltätige Spenden, damit Afrika seine Probleme löst: Privates Kapital.
Wann werden die deutschen Politiker und unsere antikapitalistischen Gutmenschen den Lernprozess durchmachen, den Bono und Geldorf längst hinter sich haben?

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.