Das klingt immer gut: Man darf nicht an den Symptomen herumdoktern, sondern muss die Ursachen eines Problems beseitigen. Das klingt nach einer intelligenten und „nachhaltigen“ Strategie. Wer will dem widersprechen, dass man die Ursachen angehen muss? Es vergeht fast kein Interview, in dem nicht ein Politiker darauf hinweist, man müsse „die Fluchtursachen beseitigen“.
Doch was sind die Fluchtursachen? Auch darüber sind sich fast alle einig: Es gibt Menschen, die vor Kriegen und Bürgerkriegen fliehen. Und es gibt Menschen, die vor Not und Armut fliehen und deshalb nach Europa wollen. „Fluchtursachen beseitigen“, heißt also übersetzt: Kriege, Bürgerkriege, Not und Armut beseitigen.
Die Zahlen sind schlimm: Nach Angaben der FAO hungern von sieben Milliarden Menschen auf der Welt 795 Millionen. Allein in Afrika sind es 232 Millionen. In Afrika ist der Anteil der Hungernden an der Bevölkerung am größten, nämlich 20 Prozent.
Nach den Zahlen des Heidelberger Institutes für Konfliktforschung aus dem Jahr 2015 gab es weltweit zudem 424 Konflikte, davon 21 Kriege. Von den 21 Kriegen fanden neun im Nahen und Mittleren Osten statt und neun in Afrika.
Steht es in der Macht der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union all dies zu ändern und damit die „Fluchtursachen zu beseitigen“?
Die EU und ihre 28 Mitgliedsstaaten leisten zusammengenommen einen Anteil von über 50 Prozent an der weltweiten Entwicklungshilfe und stellen dafür nach Auskunft des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit jährlich über 58 Milliarden Euro zur Verfügung. Doch diese Hilfe kann die Ursachen für Elend und Not in der Welt nicht beseitigen.
Denn die Ursachen sind korrupte Regierungen – etwa in vielen afrikanischen Ländern – und Systeme, die nicht marktwirtschaftlich ausgerichtet sind. Beleg: Regelmäßig gibt die renommierte Heritage Foundation ein Ranking der wirtschaftlichen Freiheit heraus. Dieses Ranking misst den Grad der wirtschaftlichen Freiheit in einzelnen Ländern. An der Spitze stehen Hongkong, Singapur, Neuseeland, die Schweiz, Australien, Kanada, Chile, Irland, Estland und Großbritannien. Aus diesen Ländern flieht niemand wegen wirtschaftlicher Not.
In manchen Ländern sind die Bedingungen dagegen so katastrophal, dass nicht einmal mehr ein Rating möglich ist. Dazu gehören Afghanistan, der Irak, Libyen, Somalia, der Sudan, Syrien und Jemen. Algerien steht auf Platz 154 von 178, Äthiopien auf Platz auf Platz 148, der Libanon auf Platz 98 usw. Regelmäßig fliehen überall auf der Welt Menschen aus Ländern mit geringerer wirtschaftlicher Freiheit in solche mit höherer wirtschaftlicher Freiheit, weil in letzteren die Lebensbedingungen besser sind. Beispiel: Viele Menschen fliehen von Mexiko (Platz 62) in die USA (Platz 11).
„Fluchtursachen beseitigen“ hieße in der Konsequenz, dass in Ländern, in denen es keine wirtschaftliche Freiheit gibt, marktwirtschaftliche Systeme etabliert werden. Und dass in Ländern, in denen Korruption und Diktatur herrschen, demokratische und rechtsstaatliche Systeme etabliert werden. Das könnten jedoch nur die Menschen in diesen Ländern tun. Marktwirtschaft und Demokratie lassen sich nicht exportieren, wie zahllose gescheiterte Versuche Amerikas gezeigt haben.
Fluchtursachen sind also nicht so einfach zu beseitigen, wie es in Politiker-Interviews klingt. Kriege, Bürgerkriege, Hunger und Armut haben ihre Ursachen in den politischen und wirtschaftlichen Systemen von Ländern in Afrika. Und solange es diese Ursachen gibt, haben Menschen das verständliche Bestreben, diesem Unheil zu entrinnen.
Auch wenn es auf den ersten Blick logisch und „nachhaltig“ klingt, dass man die Fluchtursachen beseitigen müsse, so ist dies keine taugliche Strategie zur Lösung der aktuellen Probleme.
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