Die Medien haben sich auf Friedrich Merz eingeschossen und ihn als Einkommensmillionär „entlarvt“. Merz ist das peinlich. Er kennt die deutsche Neidkultur und verhält sich wie ein auf frischer Tat ertappter Dieb.
Es fing an mit der BILD-Zeitung, die in großen Lettern die absurde Frage stellte, ob man als Millionär überhaupt Bundeskanzler sein könne. Dann setzte BILD die Diskussion mit einer großen Leser-Aktion über das Vermögen bzw. Einkommen von Friedrich Merz fort. BILD initiierte dazu extra eine Leseraktion.
Merz druckste zunächst herum:
BILD-Leser per Video: „Herr Merz, sind Sie Millionär?“
Merz: „Also, ich lebe in geordneten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die mir eine hohe persönliche und politische Unabhängigkeit geben.“
Darauf wurde nachgefragt: „Wissen Sie nicht, ob Sie Millionär sind?“
Merz: „Doch, ich weiß das schon. Ich kenne meine Einkommens- und Vermögensverhältnisse.“
Die erneute Nachfrage: „Warum sagen Sie nicht einfach: ‚Ja, ich bin Millionär‘?“
Merz: „Ich liege jedenfalls nicht darunter.“
BILD spann das Thema in mehreren Artikeln fort, gab nicht auf, bis Merz „zugab“, dass er Einkommensmillionär ist. In der BILD AM SONNTAG sagt er jetzt: „Meine Frau und ich waren Studenten, als wir geheiratet und das erste Kind bekommen haben. In dieser Zeit mussten wir jede Mark umdrehen. Angefangen habe ich mit einem für eine Familie mit zwei Kindern überschaubaren Einkommen eines Referendars in Saarbrücken Heute verdiene ich rund eine Million Euro brutto.“
Man merkt, dass es Merz peinlich ist, Millionär zu sein. Daher fügt er hinzu, er sei „Teil der gehobenen Mittelschicht“. Begründung: „Für mich ist die gesellschaftliche Mitte nicht eine rein ökonomische Größe. Ich habe von meinen Eltern die Werte mitbekommen, die die Mittelschicht prägen: darunter Fleiß, Disziplin, Anstand, Respekt und das Wissen, dass man der Gesellschaft etwas zurückgibt, wenn man es sich leisten kann.“
Das war natürlich ein gefundenes Fressen für die Medien, die sich jetzt auf Merz einschießen und „entlarven“, dass er zur Oberschicht gehört. Die „Süddeutsche Zeitung“ brachte einen Artikel mit der Headline: „Gehört ein Millionär zur Mitte?“ Der SPIEGEL titelte: „Warum Merz nicht zur Mittelschicht gehört.“
Ich finde: Merz kann stolz darauf sein, Einkommensmillionär zu sein. Nur etwa 17.400 Menschen in Deutschland sind Einkommensmillionäre. Natürlich gehört Merz damit zu den Reichen, zur Oberschicht.
Offenbar ist es kein Problem, dass Andrea Nahles SPD-Parteivorsitzende ist, obwohl sie 20 Semester brauchte, bis sie ihr Studium mit einer Arbeit über Liebesromane abschloss – und danach ihre begonnene Doktorarbeit abbrach. Dass ihr Vorgänger Martin Schulz die Schule abgebrochen hat und danach eine Lehre als Buchhändler machte, wurde auch nicht als Argument gegen ihn ins Feld geführt. Wenn aber jemand als Wirtschaftsanwalt sehr gut verdient, dann ist das ein Makel.
DIE WELT: Merz hat „zugegeben“ eine Million zu verdienen
DIE WELT griff das Thema auf und schrieb: „In einem Interview hat Friedrich Merz zugegeben, als Berater und Aufsichtsrat etwa eine Million Euro zu verdienen.“ Was heißt „zugegeben“? Man gibt einen Fehler zu, vielleicht sogar eine Straftat. Positive Dinge muss man nicht „zugeben“. Eine verräterische Formulierung.
Zur Ehrenrettung der WELT: An anderer Stelle entlarvt sie die Kampagne in ihrer ganzen Absurdität: „Merz brach zusammen und gab sogar weinend zu, dass er wahrscheinlich Millionär sei. Er müsse allerdings zu Hause noch mal alles genau nachzählen. Ob die Mitgliedschaft in der gehobenen Mittelschicht bereits für eine strafrechtliche Verfolgung ausreicht, ist noch nicht ganz klar. Bislang wurde die gehobene Mittelschicht nicht als kriminelle Vereinigung eingestuft, steht allerdings unter verstärkter Beobachtung, genau wie die untere Oberschicht und die mittlere Oberschicht, von denen eine latente Terrorgefahr ausgehen soll. Merz wurde vor allem aufgrund guter Sozialprognosen nicht in Handschellen abgeführt. Als Resozialisierungsmaßnahme soll er sich gemeinsam mit anderen gefährdeten Individuen um den CDU-Vorsitz bewerben und sich dabei besonders mit dem Leben der unteren Mittelschicht und der mittleren Unterschicht vertraut machen.“
Wowereit hat es richtig gemacht
Als der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit im Jahr 2001 fürchtete, dass seine Homosexualität von seinen politischen Gegnern „enthüllt“ und als Instrument gegen ihn verwendet werden könnte, machte er einen klugen Schachzug: Er sagte öffentlich: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“ Damit war die Diskussion beendet. Er stand dazu, dass er schwul ist. Ich finde: Merz sollte auch dazu stehen, dass er reich ist. „Ich bin Einkommensmillionär, und das ist auch gut so.“
Der Einwand, in Deutschland sei es nun einmal wesentlich leichter, sich als Schwuler zu outen, als „zuzugeben“, dass man Millionär ist, zieht nicht. Das ist zwar wahr, aber mit dem Herumgedruckse hat Merz, wie man jetzt sieht, die Sache nur schlimmer gemacht. Wer sich auf die Frage, ob er Millionär sei, wie ein auf frischer Tat ertappter Dieb verhält, wird auch so behandelt. So kommt man Neidern nicht bei.
Deutschland: Land des Neides und der Schadenfreude
Man sieht hier den Unterschied zwischen Deutschland und den USA: Trump legte im Wahlkampf großen Wert darauf, herauszustellen, wie reich er ist, und viel spricht dafür, dass er es – wie so oft – mit seinem Vermögen sogar übertrieben hat. Mehrfach hatte er heftigen Streit mit dem Magazin Forbes, das regelmäßig die Liste der reichsten Menschen veröffentlicht: Trump beklagte sich darüber, das Magazin habe sein mehrfaches Milliardenvermögen zu niedrig beziffert.
Im Februar veröffentliche ich mein neues Buch „Die Gesellschaft und ihre Reichen. Vorurteile über eine beneidete Minderheit“, für das ich durch die Institute Allensbach und Ipsos MORI Meinungsumfragen in den USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich habe durchführen lassen. Hier nur eines von Hunderten Ergebnissen. Wir fragten die Menschen in den vier Ländern, was sie empfinden, wenn ein Millionär viel Geld verliert:
„Wenn ich höre, dass ein Millionär mal durch ein riskantes Geschäft viel Geld verloren hat, denke ich: das geschieht dem recht.“ Ergebnis: In Deutschland stimmten 40 Prozent dieser Aussage zu, in Frankreich 33 Prozent, in den USA 28 Prozent und in Großbritannien 22 Prozent. Es ist vielleicht kein Zufall, dass das deutsche Wort „Schadenfreude“ in die englische Sprache übernommen wurde. Denn das einzige Land, in dem die Zahl der Schadenfreudigen höher war als derjenigen, die keine Schadenfreude empfinden, war Deutschland.
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