19Wolfgang Kubicki, Meinungs(un)freiheit. Das gefährliche Spiel mit der Demokratie, Westend-Verlag 2020, 160 Seiten
Geistige Freiheit ist neben wirtschaftlicher Freiheit das Fundament jeder freiheitlichen Gesellschaft. Bedroht sind in Deutschland seit einigen Jahren beide: Die wirtschaftliche Freiheit durch zunehmende Staatseingriffe und die geistige Freiheit durch die sogenannte politische Korrektheit. Die FDP hat dem Thema „geistige Freiheit“ bislang leider nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die Angst war übergroß, allein die Thematisierung von Einschränkungen der Meinungsfreiheit könne dazu führen, als „rechts“ angeprangert zu werden. Ich bin seit 25 Jahren in der FDP und habe dies anders gesehen und in den vergangenen Jahren immer wieder in Diskussionen mit führenden FDP-Politikern und auch in den Medien die Meinung vertreten, die Liberalen sollten neben der wirtschaftlichen Freiheit die Verteidigung der Meinungsfreiheit in den Mittelpunkt stellen. Durchgedrungen bin ich damit nicht – bisher.
Wolfgang Kubicki hat jetzt ein ganzes Buch („Meinungsunfreiheit“) dazu geschrieben. Allein das ist ein Ereignis, denn es zeigt, dass es auch aus Sicht des stellvertretenden FDP-Vorsitzenden ein zentrales Thema ist. Laut Umfragen sagen zwei Drittel der Deutschen, dass sie sich bei vielen Fragen nicht mehr trauen, ihre Meinung öffentlich zu sagen – damit ist das Thema, so Kubicki, zu einem „Demokratieproblem“ geworden.
Kubicki verschont in seinem Buch niemanden: Er kritisiert Medien, Politiker, Unternehmen, Universitäten. Wenn er sich das Morgenmagazin von ARD und ZDF anschaue, habe der häufiger den Eindruck, er sitze vor dem „Erziehungsfernsehen“. „Mir wird auf eine mehr oder weniger subtile Art nahegebracht, wie ich mich verhalten, was ich essen, wie ich leben und wie ich vernünftigerweise denken soll.“ Er kritisiert insbesondere die Berichterstattung zum Thema „Flüchtlinge“. Die Flüchtlingskrise sei für die klassischen Medien ein Fanal gewesen, denn hier sei zum ersten Mal die Kluft zwischen ihnen und ihren Lesern, Zuschauern und Hörern aufgebrochen. „Den Vertrauensverlust können sie niemand anderem in die Schuhe schieben. Er ist in erster Linie hausgemacht.“
Kubicki zeigt an vielen Beispielen, wie Zitate aus dem Zusammenhang gerissen werden, um dem Andersdenkenden Meinungen zu unterstellen, die er nie vertreten hat. Grund für die kritikwürdigen Entwicklungen sei ein übergroßer Konformitätsdruck unter Journalisten. Ihm selbst wurde „hemdsärmelige Menschenverachtung“ (taz) unterstellt, nur weil er zur Coronapolitik leicht abweichende Ansichten vertreten hatte.
Er kritisiert die AfD scharf, aber auch die bisherige Art der Auseinandersetzung mit ihr. Die ständigen „Nazi“-Warnungen erreichten die Menschen nicht mehr. Und wenn CDU-Politiker die AfD als „giftigen Abschaum“ oder „Krebsgeschwür“ bezeichneten, das man mit „absoluter Rücksichtslosigkeit bekämpfen“ müsse, verließen sie selbst die demokratische Streitkultur.
Mir wurde in der Vergangenheit in der FDP entgegengehalten, das Thema „politische Korrektheit“ sei angeblich ein „typisch rechtspopulistisches Thema“, deshalb sei es falsch, es in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei ist es in Wahrheit natürlich ein typisch liberales Thema, das die FDP nur leider anderen überlassen hat. Und es ist von essentieller Bedeutung für unsere freiheitliche Ordnung. Oder, um es mit Kubicki zu sagen: „Denken wir das zu Ende, dann haben wir bald nur noch abgefeilte, gezwungene, stumpfe Debattenbeiträge, die vielleicht gut klingen, aber niemanden begeistern, keine produktive Reibung erzeugen und keinen Widerspruch erregen. Das wäre nicht nur das Ende des gesellschaftlichen Fortschritts. Es wäre das Ende unserer Demokratie und unserer Freiheit.“
Ich würde mir wünschen, dass die FDP die wichtigen Themen dieses Buches täglich thematisiert – denn es gibt leider jeden Tag wieder neue Beispiele, wie die geistige Freiheit eingeschränkt wird. Leider tut sie das nicht – wohl aus Angst vor den Hohepriestern der politischen Korrektheit.
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