Politiker greifen mir schärfsten Worten Gewerbemieter an, die die Mietzahlungen aussetzen. Das erinnert an das Motto „Haltet den Dieb!“, denn die Politik hat dies selbst durch ihr Gesetz ausgelöst.
Zur aktuellen Lage: Das Unternehmen Adidas musste wegen der Corona-Pandemie seine Geschäfte schließen und hatte dies als Begründung dafür genannt, ab April vorerst keine Miete mehr für die Filialen zu zahlen. Auch andere Konzerne wie Deichmann (1500 Filialen), Puma und H&M wollen Berichten zufolge die Mietzahlungen aussetzen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) meinte: „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel.“ Die Corona-Hilfsgesetze böten dafür keine Grundlage. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat Adidas wegen der Aussetzung von Mietzahlungen ebenfalls scharf kritisiert. „Ich bin enttäuscht von Adidas. Ich bin sehr enttäuscht“, sagte Scheuer zu „Bild“. Die Ankündigung des Unternehmens sei „eine völlig inakzeptable Botschaft“. Das Vorgehen des Konzerns sei unsolidarisch. „Das Signal ist nicht das Unterhaken, das man von jedem Bürger verlangt“, sagte der CSU-Politiker. „Wir geben die Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger: ‚Seid vernünftig!‘ Da müssen große Konzerne aber auch vernünftig sein.“
Schwächen des Gesetzes
Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Covid-19-Folgen sind in Art. 240 EGBGB zeitlich befristete Regelungen eingeführt worden, durch die das Schuldrecht des BGB geändert wird. In Art. 5 § 1 Absatz 1 und 2 erhalten Verbraucher bei Dauerschuldverhältnisseen, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind, ein Leistungsverweigerungsrecht. Die Regelung ist bis zum 30.6.2020 befristet und kann von der Bundesregierung bis zum 30.9. 2020 verlängert werden, mit Zustimmung des Bundestages sogar darüber hinaus.
Im Mietrecht gilt das Leistungsverweigerungsrecht nicht. Mieter bleiben also weiterhin zur Zahlung verpflichtet und können auch in Verzug geraten. Das Forderungsmanagement zur Verfolgung und Durchsetzung von Zahlungsansprüchen (außergerichtliches Mahnwesen, gerichtlichen Mahnverfahren mit Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid, Zwangsvollstreckung, Verzugszinsen etc.) kann beibehalten bleiben, was jedoch kaum ein Mieter weiß, weil in den Medien und von der Politik nur kommuniziert wurde: „Du kannst nicht gekündigt werden, wenn du durch die Corona-Krise betroffen bist.“
Das Gesetz sieht in der Tat eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit des Vermieters vor. Nach § 2 Abs. 1 kann der Vermieter ein Mietverhältnis nicht allein deswegen kündigen, weil der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 (oder bei Verlängerung darüber hinaus) trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet. Voraussetzung ist, dass die Nichtleistung des Mieters auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Dies muss der Mieter glaubhaft machen.
Im Einzelnen ist die Sache viel komplizierter und es werden bereits Fachaufsätze dazu geschrieben. Was der Mieter „glaubhaft machen muss“ ist offenbar vielen nicht ganz klar und auch im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt: Bei strenger Auslegung des Gesetzes genügt es nicht zu sagen: „Ich bin wirtschaftlich von Corona betroffen (z.B. weil ich meinen Laden schließen musste oder nur noch Kurzarbeitergeld bekomme) und kann daher die Miete nicht mehr zahlen.“ Zur Glaubhaftmachung des Kausalzusammenhanges müsste zweitens der Nachweis hinzukommen, dass der Mieter auch beim Rückgriff auf bestehende Liquiditätsreserven oder staatliche Hilfen keine Möglichkeit hatte, weiter die Miete zu zahlen. Es kann jedoch sein, dass manche Mieter und Juristen das anders auslegen.
Nachbesserung des Gesetzes und Klarstellung notwendig
Ich bezweifle, dass Unternehmen wie Adidas, die kräftige Gewinne in den letzten Jahren gemacht haben, nachweisen könnten, dass sie nicht für einen gewissen Zeitraum Mietausfälle verkraften können, zumal ja diese Unternehmen auch Anspruch auf staatliche Hilfe haben, wenn sie in Liquiditätsengpässe bekommen.
Das mit heißer Nadel gestrickte Gesetz sollte also so nachgebessert werden, dass ausdrücklich klargestellt wird: Der Mieter muss erstens belegen, dass die Aussetzung der Mietzahlung auf durch die Corona-Krise bedingte Liquiditätsengpässe zurückzuführen ist und dass er zweitens auch bei Inanspruchnahme staatlicher Hilfen oder durch Rückgriff auf vorhandene Liquiditätsreserven nicht in der Lage ist, die Miete zu zahlen.
Jeder vernünftige, faire und menschlich mitfühlende Vermieter wird in einer Situation wie dieser sowieso keinen Mieter einfach kündigen. Abgesehen davon wäre ein Vermieter von Büro- und Ladenflächen auch extrem dumm, wenn er am Vorabend einer schweren Rezession seinen Mieter rauswerfen würde. Die Vermietung von Büro- und Ladenflächen wird in nächster Zeit sehr schwer werden. Und die ganz überwiegende Mehrzahl der Wohnungsvermieter sind eben keine bösen Miethaie, die in einer Notsituation ihre Mieter auf die Straße setzen. Das populäre Bild vom „guten und schwachen Mieter“ und vom „bösen und starken Vermieter“ stimmt eben so pauschal nicht. Die Mehrheit der Wohnungsvermieter sind Privatpersonen, für viele davon hängt die Altersvorsorge an der Vermietung und sie sind vielfach wirtschaftlich nicht stärker als ihre Mieter.
Da es auch schwarze Schafe unter den Vermietern gibt, ist eine gesetzliche Regelung in dieser Situation dennoch legitim, um Mietern die Angst zu nehmen.
Aber weil das mit heißer Nadel gestrickte Gesetz nicht klar genug formuliert ist, ist das psychologische Signal in die Öffentlichkeit fatal. Man sieht an den Reaktionen von Adidas und anderen Unternehmen, dass das Gesetz so verstanden wird: „Du hast keine Konsequenzen zu fürchten, wenn du die Miete nicht zahlst“. Manche Gewerbemieter hoffen offenbar, wenn sie durch Nichtzahlung erst einmal vollendete Tatsachen schaffen, sich später in einem Rechtsstreit auf einen Vergleich zu einigen.
Und der private Mieter wird sich dann natürlich dann sagen: „Was für Unternehmen wie Adidas recht ist, ist für mich billig.“
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