Griechenland – wie geht es weiter?

Erschienen am 22. Juni 2015

Viele erwarten, dass es diese Woche den „Grexit“ geben wird. Ich würde mir das wünschen, aber ich glaube es nicht. Ich hoffe, dass ich Unrecht behalte mit all dem, was ich im Folgenden schreibe:

Dr. Thomas Löffelholz, ehemals Herausgeber der WELT, hat viele renommierte Wirtschaftsjournalistenpreise bekommen. Einen dieser Preise erhielt er für die akribische Analyse einer Frage: Warum tagen Tarifparteien oft die ganze Nacht durch, bis sie sich dann letztlich im Morgengrauen – mit Rändern unter den Augen – doch noch einigen? Er fand heraus: Einen rationalen Grund dafür gibt es nicht. Der einzige Grund ist: Jede der Parteien – also Arbeitgeber und Gewerkschaften – konnte der von ihr vertretenen Gruppe damit zeigen, dass man „bis zur Erschöpfung“ verhandelt und „alles herausgeholt“ habe, was herauszuholen gewesen sei.

An diese Analyse dachte ich in den vergangenen Tagen und Wochen sehr oft. Ich fürchte, so wird auch das Pokerspiel mit den Griechen ausgehen. Am Ende einigt man sich doch noch auf einen faulen Kompromiss: Die griechische Regierung einerseits und die Regierungen der anderen EU-Länder auf der anderen Seite können dann ihren Wählern sagen: Ja, der Kompromiss ist schmerzhaft und erfüllt nicht alle Wünsche und Vorstellungen, aber wir haben bis zur Erschöpfung verhandelt und alles herausgeholt, was herausgeholt werden kann.

Und wie geht es dann weiter? Schon wenige Wochen nach der Einigung wird sich zeigen, dass die Griechen gar nicht daran denken, ihre neuen Versprechen umzusetzen und die „Zugeständnisse“ in die Wirklichkeit umzusetzen. Und die endlose Geschichte geht weiter.

Eine Lösung des Problems gibt es ohnehin nicht – ob mit oder ohne „Grexit“. Denn diese bestünde nur darin, dass

  • Die Griechen anerkennen, dass sie selbst an ihrer Misere Schuld sind – und nicht Angela Merkel, der IWF oder die EZB.
  • Die Griechen eine neue Regierung wählen, die statt auf sozialistische Lösungen auf konsequent marktwirtschaftliche Reformen setzt.

Beides wird ganz bestimmt nicht geschehen. Griechenland könnte nur dann gesunden, wenn dort wieder investiert wird. Aber wer, bitte schön, soll denn in Griechenland investieren? Die Menschen vertrauen dort doch nicht einmal mehr ihrer eigenen Bank und heben ihr Geld von den Konten ab. Ich wundere mich ohnehin, warum überhaupt noch ein Grieche Geld auf seiner Bank hat. Können Sie sich irgendein Unternehmen vorstellen, dass in Griechenland investiert, solange eine Regierung aus Marxisten, Trotzkisten und anderen Linksradikalen dort an der Macht ist?

Ohne Investitionen wird die griechische Wirtschaft jedoch weiter schrumpfen, die Staatseinnahmen werden weiter massiv zurückgehen. Selbst wenn es den Griechen gelänge, eine arbeitsfähige Finanzverwaltung aufzubauen (bisher spricht nichts für diese Annahme), dann wird dies die Probleme des Landes nicht lösen.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.