„Keine Hetzjagd in Chemnitz“:
Kretschmer geht Merkel scharf an – ohne sie zu nennen

Erschienen am 5. September 2018

Scharfe Kritik äußerte der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), in seiner Regierungserklärung an der dramatisierenden und durch die Fakten nicht gedeckten Berichterstattung vieler Medien rund um die Vorfälle in Chemnitz – aber er trifft damit vor allem Merkel.

„Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome“, meinte Kretschmer und hinterfragte Meldungen, denen zufolge Gruppen von Rechtextremen Menschen mit Migrationshintergrund durch die Stadt gejagt hätten.

Eigentlich ist das eine harsche Kritik an Merkel und ihrem Regierungssprecher Seibert, der auf der Bundespressekonferenz gesagt hatte: „Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft, oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, das nehmen wir nicht hin.“ Später folgte Merkel selbst mit ähnlichem Tenor. Befragt zu den Ausschreitungen in Chemnitz, erklärte sie vor TV-Kameras im Kanzleramt: „Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab, und das hat mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun.“

Die meisten Medienberichte und Aussagen anderer Politiker über Hetzjagden und Pogrome in Sachsen gab es erst, nachdem Seibert mit seinen Aussagen diesen Frame in die Welt gesetzt hatte. Jürgen Trittin erklärte beispielsweise: „Es ist Jagd auf Andersaussehende gemacht worden – das nennt man einen Pogrom. Das ist nicht das erste Mal in Sachsen.“

Wolfgang Klein, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen, erklärte dagegen auf eine Presseanfrage: „Nach allem uns vorliegenden Material hat es in Chemnitz keine Hetzjagd gegeben.“ Gegenüber dem SPIEGEL bekräftige Klein jetzt: „Ich verstehe unter einer Hetzjagd etwa mehrere Personen, die einen Menschen durch die Stadt jagen, um diesen zu verprügeln oder körperlich massiv anzugehen.“ Das, was seine Behörde bislang ausgewertet habe, enthalte keine Hinweise auf derartige Hetzjagden. „Wir sind mit der Auswertung allerdings noch nicht fertig. Es kann theoretisch sein, dass auf weiterem Bild- und Filmmaterial ein solcher Vorgang enthalten ist“, fügte Klein hinzu.

Ich vermute, Politiker und Medien werden Kretschmer jetzt aufgeregt kritisieren, weil auch die AfD Hetzjagden in Chemnitz bestreitet. Ich finde, das ist kein Argument. Wenn jemand sagt, 2+2 ist 4 und nicht 5, wird es denn dann nur deshalb falsch, weil jemand von der AfD auch sagt, dass es 4 ist?

Der Chefredakteur der FREIEN PRESSE in Chemnitz wandte sich ebenfalls gegen die Verwendung des Begriffs „Hetzjagd“ und meinte: „Der offen zu Tage getretene Hass, der die Proteste auf den Straßen in Chemnitz am Sonntag begleitet hat, war schrecklich genug. Er bedarf keiner Dramatisierung.“ Ich finde, dem ist nichts hinzuzufügen.

Die ganze Sache kann man am besten verstehen, wenn man dieses Buch liest:
Die Mechanismen der Skandalisierung. Warum man den Medien gerade dann nicht vertrauen kann, wenn es darauf ankommt.

 

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.