Nachruf: Bob Chitester – der Mann, der der Welt Kapitalismus und Freiheit erklärte

Erschienen am 10. Mai 2021

Rainer Zitelmann mit Bob Chitester vor der ehemaligen Sommerresidenz „Capitaf“ von Milton Friedman in den Bergen von Vermont.

Das “Wallstreet Journal” nannte Bob Chitester „The Man, who made Milton Friedman a star“. In der Tat: Auch ohne Chitester wäre der Nobelpreisträger Friedman einer der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts gewesen, aber er und seine Ideen hätten nie das Ausmaß an Popularität erreicht. Friedman selbst meinte: „Ich habe immer geglaubt, dass Einfluss vor allem durch das gedruckte Wort ausgeübt wird… Meine eigene Rolle war es, Ökonomen zu überzeugen, nicht die breite Öffentlichkeit.“ In dieser Hinsicht war Friedman so wie meisten Wissenschaftler – sieht man einmal von Physikern wie Albert Einstein oder Stephen Hawking ab, die Genies der Selbstvermarktung waren.

Friedman schreibt daher in seiner Autobiografie, dass er nicht auf Anhieb begeistert war, als ihn im Januar 1977 Bob Chitester, damals CEO der Fernsehstation WQLN aus Pennsylvania anrief, um ihm eine Fernsehserie zur Verbreitung der Ideen von Kapitalismus und Freiheit vorzuschlagen. Zum Glück für Chitester war jedoch Friedmans Frau Rose an seiner Seite: „Ich war schon immer optimistischer, wenn es darum ging, die breite Öffentlichkeit zu erreichen“, sagte sie. Nach vier Meetings in Friedmans Apartment hatte Chitester die Zusage des Ökonomen für eine Fernsehfolge zur Verbreitung der Ideen von Freiheit und Kapitalismus.

Im Juli 1977 schrieb Friedman an Bob Chitester: „Unter der Voraussetzung, dass die Finanzierung gesichert ist, bin ich bereit, einen Großteil meiner Zeit und Energie in den nächsten 12 bis 18 Monaten einer Fernsehserie zu widmen, die meine soziale, wirtschaftliche und politische Philosophie darstellen soll.” Aus den 18 Monaten sollten dann drei bis vier Jahre werden.

Die Serie sollte später „Free to Choose“ heißen und Friedman und seine Frau sagten, das Projekt sei „das aufregendste Unternehmen unseres Lebens“ gewesen. In ihrer Autobiographie „Two Lucky People“ widmeten sie der „Free to Choose“-Serie ein ganzes Kapitel. Chitester hatte nicht nur eine Fernsehserie vorgeschlagen, sondern ein Marketing-Projekt zur Verbreitung der Ideen des Kapitalismus, wie es dies in der Welt bis dahin nie gegeben hatte. In dem ersten Vorschlag, den er Milton Friedman gab, ging es um ein Projekt, das folgende Elemente enthielt:

– Eine Vortragsreihe

– Audio- und Videokassetten von Vorträgen

– Eine Fernsehserie

– Ein College-Credit-Kurs

– Arbeitsmaterial für die High-School

– Publikation eines Buches, das eine erweiterte Ausgabe von Friedmans „Kapitalismus und Freiheit“ sein soll.

Die „Free to Choose“-Serie war ein riesiger Erfolg. Es erreichte allein durch die PBS-Fernsehsender in den USA 15 Millionen Zuschauer. Das Buch wurde ein internationaler Bestseller und war im Jahr 1980 die Nummer 1 unter den Sachbüchern in den USA. Das Projekt umfasste 15 Vorträge von Friedman zu Themen wie “Ist der Kapitalismus menschlich?“ oder „Was läuft falsch mit dem Wohlfahrtsstaat?“ Darüber hinaus enthielt es neun Diskussionsrunden zu Themen wie “Die Kraft des Marktes” oder “Was hilft gegen die Inflation”, an denen sich prominente Libertäre wie etwa der Ökonomie-Professor Thomas Sowell beteiligten.

Besonders wichtig waren Bob Chitester auch das Projekt izzit.org, das Medien für Studenten produziert und öffentliche Fernsehsendungen für ein Schulpublikum adaptiert, sowie „The Idea Channel“ – spezialisiert auf Videoaufnahmen von Gesprächsrunden zwischen Wissenschaftlern, darunter mehrere Nobelpreisträger.

Die Northwood University, die im Oktober 2020 Chitester den Ehrendoktor des Rechts verlieh, schrieb in der Begründung: „Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass ‚Free to Choose’ und andere Publikationen von Milton und Rose Friedman eine wichtige Rolle beim Zusammenbruch des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa gespielt haben. Der Fall der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands waren die ersten unmittelbaren Ergebnisse der in ‚Free to Choose‘ enthaltenen Ideen, die auf globaler Ebene Wurzeln schlugen… Nicht viele Menschen können sagen, dass das, was sie in ihrem Leben erreicht haben, die Welt verändert hat. Bob Chitester könnte das von sich behaupten, aber er ist ein zu bescheidener Mann, um dies zu tun; deshalb sagen wir es.“

Bob Chitester wurde 1937 geboren. Nach dem Besuch der Graduiertenschule an der University of Michigan wurde Chitester Professor der Medienabteilung am Edinboro State Teacher’s College in Pennsylvania, bevor er das College verließ, um Unternehmer zu werden und den ersten PBS-Sender WQLN im Westen von Pennsylvania zu gründen.

Ich lernte Chitester bei einem mehrtägigen Treffen in Milton Friedmans früherer Sommerresidenz „Capitaf“ in den Bergen von Vermont. Er litt damals schon an Krebs und wusste, dass er nicht mehr gesund werden würde. Aber er war die ganzen drei Tage voller Energie und Begeisterung und wir diskutierten, wie wir Ideen des Kapitalismus in der heutigen Zeit wirksam verbreiten können. Chitester hatte mein Buch „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“ gelesen und vorgeschlagen, daraus eine weitere Fernsehserie zu machen.

Ich war von dem Menschen Bob Chitester sofort fasziniert. Selten habe ich jemanden kennengelernt, der zugleich eine so hohe Intelligenz und menschliche Wärme ausstrahlte. Bob führte die letzten Monate den Kampf gegen den Krebs, aber er wusste, dass er ihn nicht mehr gewinnen konnte. Im Oktober vergangenen Jahres schrieb er mir: „Ich bin sicher, dass ich diese Weihnachten nicht mehr feiern kann.“ Bob starb am 8. Mai 2021. Er hinterlässt eine Frau und vier Kinder, acht Enkelkinder und vier Urenkel. Und er hinterlässt mit dem „Free to Choose“-Network ein Team von großartigen Mitstreitern, die weiter dafür kämpfen, die Ideen des Kapitalismus und der Freiheit zu verbreiten.

Bob Chitester liebte die Poesie und las oft Gedichte als Teil seiner Vorträge. Eines seiner Lieblingsgedichte – und eines, das seiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht Milton Friedman am besten beschrieb – war Robert Frosts The Road Not Taken. Es beschreibt jedoch auch Chitester selbst, der, wie Friedman, ein überzeugter Nonkonformist war, der gerne gegen den Strom schwamm:

“Somewhere ages and ages hence:

Two roads diverged in a wood, and

I took the one less traveled by,

And that has made all the difference.”

Video: Tribute to Bob Chitester

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