Neue Studie:
Verdienen Manager zu viel?

Erschienen am 12. Juli 2018

Alle Medien berichten über eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, wonach der Gehaltsabstand zwischen Topmanagern und Arbeitnehmern in den 30 DAX-Konzernen weiter gestiegen sei. Verglichen mit dem Durchschnittsgehalt in ihrem Unternehmen verdienten die Vorstandsmitglieder im vergangenen Jahr 71-mal so viel. 2005 habe dieser Wert noch bei 42 gelegen. Der Vorstandschef der Deutschen Post erreicht mit dem 232-fachen Jahreseinkommen den Spitzenplatz in der Rangliste.

Argumente und Gegenargumente der „Zeit“
„Die Zeit“ führt in einem aktuellen Artikel folgende Argumente an, mit der die Einkommensdifferenz häufig gerechtfertigt werde – und „widerlegt“ diese sodann. Ich zitiere etwas ausführlicher:

„Erstes Argument: die große Verantwortung! Manager tragen eine große Verantwortung, keine Frage. Als Bundeskanzlerin trägt Angela Merkel auch eine große Verantwortung, sie tut das aber für weit weniger Geld (etwa ein Dreißigstel des Postchefs). Manager sind ihren Angestellten und ihren Aktionären verpflichtet, die von ihnen geführten Unternehmen tragen zum Wohl ganzer Regionen bei. Es geht also in Ordnung, wenn sie an diesem Erfolg auch partizipieren. Problematisch ist das, weil sie auch dann partizipieren, wenn sie ihren Job schlecht machen. Liefern sie gute Zahlen, bekommen sie einen riesigen Bonus. Liefern sie schlechte Zahlen, bekommen sie einen kleinen Bonus. Liefern sie katastrophale Zahlen, übernehmen sie wirklich Verantwortung und gehen. In der Regel bringt das eine großzügige Abfindung mit sich.

Zweites Argument: Der Chef ist so gut! Kann schon sein. Ein Unternehmen zu führen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, und längst nicht jeder hat die Fähigkeiten dazu, den Willen und die Kondition. Vorstandsvorsitzende deutscher Unternehmen verdienen im Schnitt noch mal gut doppelt so viel wie einfache Vorstandsmitglieder. Wenn das Gehalt etwas mit Fähigkeiten zu tun hat, müsste es signifikante Unterschiede innerhalb des Führungsgremiums geben. Dagegen sprechen allerdings Beispiele wie Audi. Dessen Vorstandschef Rupert Stadler sitzt seit Mitte Juni in Untersuchungshaft, ein gewöhnliches Vorstandsmitglied hat seine Aufgabe kommissarisch übernommen. Doch obwohl Stadler derzeit die Geschäfte nicht führen kann, ist der Laden noch nicht zusammengebrochen. Was dafür spricht, dass es eben nicht so sehr auf Einzelne ankommt und das Personal an der Spitze durchaus ersetzbar ist.

Drittes Argument: In den USA bekommen die Chefs noch viel mehr! Auch das ist richtig. In Schweden bekommen sie allerdings sehr viel weniger, es kommt halt darauf an, welchen Referenzrahmen man sich sucht. Und geht es nicht um hohe Gehälter, sondern um das harte Durchgreifen der Justiz, verlieren die Vereinigten Staaten rasant an Attraktivität. Die Bereitschaft, dorthin zu reisen, ist für einige führende Manager von Volkswagen derzeit jedenfalls gering, unter anderem, weil dort wegen der Dieselaffäre Haftbefehle auf Vollstreckung warten. Zum Beispiel gegen den früheren Konzernchef Martin Winterkorn, der früher lange die Rangliste der bestbezahlten deutschen Manager anführte.“

„Die Zeit“ folgert: „Es ist alles nicht so leicht mit den Vorstandsgehältern und den typischerweise in diesem Zusammenhang ausgetauschten Argumenten. Einigkeit besteht nur darin, dass Maß und Mitte wieder hergestellt werden müssten.“

Einigkeit? Ich bin nicht einig. Und ich finde auch weder die oben ins Feld geführten Argumente noch die Gegenargumente sinnvoll. Die „Verantwortung“ ist ein häufig ins Feld geführtes Argument, aber es greift nicht, denn ein Krankenpfleger hat oftmals eine größere Verantwortung (nämlich im Zweifel für Leben und Tod der zu Pflegenden) als der CEO eines großen Unternehmens. Ich will hier nicht auf alle Argumente eingehen, da manche offensichtlich abwegig sind – so z.B. das Argument, dass Audi nicht innerhalb von vier Wochen zusammengebrochen sei, womit belegt werden soll, dass der Vorstand beliebig austauschbar sei.

Angebot und Nachfrage bestimmen auch den Preis eines Managers
Es gibt nur ein Argument zur Erklärung der hohen Einkommen – das in dem Artikel nicht genannt wurde, das jedoch zwingend ist: Das Gehalt eines Managers bestimmt sich auf dem Markt für Spitzenkräfte durch Angebot und Nachfrage. Kein Unternehmen zahlt nur aus Gefälligkeit zu viel. Warum sollte es das auch tun? Unternehmen zahlen das Einkommen, von dem sie denken, dass sie es zahlen müssen, um einen Manager für sich zu gewinnen und zu halten. Würden sie weniger zahlen, müssten sie befürchten, dass er bei einem anderen Unternehmen anheuern würde.

Ob das ausgehandelte Gehalt gerechtfertigt ist oder nicht, stellt sich naturgemäß erst später heraus. Es ist wie bei einem Fußballer: Der Verein zahlt eine bestimmte Ablösesumme und garantiert eine bestimmte Vergütung, weil er auf Basis der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen künftig eine bestimmte Leistung erwartet. Diese Erwartung kann erfüllt oder enttäuscht werden – niemand kann in die Zukunft schauen. Es handelt sich um eine Prognose, und so ist es auch, wenn mit einem Top-Manager ein Vertrag unterschrieben wird. Der Vertrag hat eine bestimmte Laufzeit, was dazu führt, dass er auch dann erfüllt werden muss, wenn das Unternehmen sich vorher von ihm trennt. Die Konditionen beim früheren Ausscheiden werden beim Vertragsschluss ausgehandelt und unterliegen – ebenso wie die fixe und die variable Vergütung – dem Spiel von Angebot und Nachfrage. Es liegt in der Natur der Sache, dass manche Manager die Erwartungen später erfüllen oder sogar mehr leisten als erwartet wurde (von diesen kann man allerdings nicht in der Zeitung lesen) und manche weniger (von denen kann man immer in der Zeitung lesen).

SPD, Gewerkschaften, Linke und Grüne fordern, dass eine Obergrenze für Managergehälter festgelegt werden müsse, die sich an dem Durchschnittsgehalt eines Arbeitnehmers orientiert oder auch am Gehalt des Geringstverdieners im Unternehmen. Würde man das auf den Fußball übertragen, dann dürfte der beste Spieler beispielsweise nur 20 Mal so viel verdienen wie der Platzwart. Die Folge wäre, dass der Verein keinen einzigen Top-Spieler mehr engagieren könnte und sehr schnell aus der Bundesliga fliegen würde. Bei einem Unternehmen würde das Gleiche eintreten.

In Wahrheit verbirgt sich hinter der Empörung über hohe Managergehälter ein Unverständnis für die Mechanismen der Preisbildung am Markt für Spitzenkräfte. Zudem haben die meisten Angestellten, die so argumentieren, eine Art des Denkens verinnerlicht, die ich „Angestelltendenken“ nenne. Sie gehen davon aus, dass das Gehalt eines Menschen durch seinen Fleiß, also durch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, sowie durch seine formale Qualifikation bestimmt werden müsse. Das entspricht der Erfahrungswelt eines Arbeiters oder eines durchschnittlichen Angestellten: Mehr Überstunden = mehr Gehalt. Tatsächlich sind jedoch weder die geleisteten Arbeitsstunden noch die formalen Bildungsvoraussetzungen oder die „Verantwortung“ die Bestimmungsgrößen für die Einkommen von Spitzenkräften, sondern ausschließlich das Spiel von Angebot und Nachfrage.

Abonnieren Sie Dr. Dr. Rainer Zitelmann auf Facebook: https://www.facebook.com/r.zitelmann/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.