Politisch blinde Börsen
Wie politisch weitsichtig sind Börsianer?

Erschienen am 22. Februar 2017

Der Dow ist auf Rekordniveau und auch der DAX könnte schon sehr bald wieder alte Höchststände erreichen. Und dies trotz der Unsicherheit über die Politik von Trump und trotz der realen Gefahr einer Linksfront-Regierung in Deutschland. Wie politisch weitsichtig sind die Börsianer?

Sie kennen den alten Spruch „Politische Börsen haben kurze Beine“. Gemeint ist damit, dass politische Nachrichten nur kurzzeitig die Börsen bewegen, sich dann jedoch wieder andere Faktoren durchsetzen. Meine These: Börsianer sind politisch oft naiv und blind. Vor allem denken sie nicht sehr langfristig. Das kann man im Moment sehr gut beobachten:

Gefahr der Linksfront-Regierung verdrängt

In Deutschland steigt die Gefahr einer Linksfront-Regierung. Dass SPD, Linke und Grüne zusammengehen werden, wenn es denn rechnerisch reichen sollte, bestreitet im Moment niemand mehr (nur die Genossen wollen es nicht so offen sagen, weil sie wissen, dass die Mehrheit der Bevölkerung das nicht will). Der Sozialpopulist Schulz hat bereits ein massives wirtschaftsfeindliches Programm angekündigt:

  • Eingriff in die Vertragsfreiheit durch die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Vorstandsgehältern und Festlegung eines Maximalverhältnisses zwischen Durchschnitts- und Höchstlohn in einem Betrieb.
  • Zurückdrehen der Hartz IV-Reformen von Gerhard Schröder, die eine wesentliche Ursache für den Wirtschaftsboom in Deutschland sind.
  • Erhöhung der Einkommenssteuer und andere Steuerbelastungen für Vermögende.
  • Anhebung des Mindestlohnes.
  • Verschärfung der Mietpreisbremse.
  • Massive Stärkung der Gewerkschaftsmacht

Mit diesem Programm soll die SPD kompatibel werden zur Linkspartei.

Und was machen die Börsen? Sie ignorieren die reale Gefahr einer wirtschaftsfeindlichen Linksfront-Regierung. Der DAX könnte bald wieder auf seinem Allzeithoch sein, weil dieses Risiko komplett ausgeblendet wird.

Der Trump-Boom

In den USA stieg der Dow nach der Wahl von Trump auf historische Höchststände. Die Börsianer erwarteten massive Infrastrukturinvestitionen und Steuersenkungen. Steuersenkungen wären auf jeden Fall positiv, aber noch ist gar nicht klar, wie der Wirtschaftskurs der US-Regierung sein wird. Denn neben wirtschaftsfreundlichen Maßnahmen – wie etwa Steuersenkungen und Deregulierungen – drohen Risiken durch Protektionismus und vor allem durch ein politisches Hineinregieren Donald Trumps in die Unternehmenspolitik. Sind die Börsianer schlauer als alle anderen und wissen schon heute, wie sich Trumps Politik langfristig auswirken wird? Natürlich nicht.

Die Börsianer sind anfällig für kurzfristige Hoffnungen und verdrängen oft mittel- und langfristige Risiken. Die These, dass an den Börsen die Zukunft gehandelt wird, stimmt nur bedingt. Denn langfristige Risiken werden allzu oft verdrängt, kurzfristig positive Signale dagegen überbewertet. Politisch klug sind die Börsianer jedenfalls selten.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.