Raus aus dem Gold?

Erschienen am 21. Juli 2015

„Finger weg vom Gold“, so lautet die Überschrift in einem Kommentar der FAZ am 21. Juli. „Alles, aber auch wirklich alles spricht momentan gegen das Edelmetall“, so warnt die FAZ ihre Leser. Das HANDELSBLATT überschreibt am gleichen Tag einen Artikel mit: „Raus aus dem Gold“ und zitiert eine Analystin von MM Warburg: „Wer nicht Anhänger von Weltuntergangsszenarien ist, lässt zumindest unter Anlagegesichtspunkten aktuell die Finger vom Gold.“ In der WELT lautet die Überschrift „Gold-Crash markiert ein neues Zeitalter“ und die SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG titelt: „Krisenwährung in der Krise“.

Die Argumente in den Medien gegen das Gold:

  • China: Die chinesische Zentralbank hat zwar die Goldreserven seit 2009 um 60 Prozent erhöht, aber Analysten hatten erwartet, die Erhöhung sei noch stärker ausgefallen. Das habe zu einer Enttäuschung geführt und den aktuellen Kursrutsch ausgelöst.
  • USA: In den USA entwickelt sich die Konjunktur hervorragend, dies nährt die Gewissheit, dass die Zinsen bald steigen werden, was Gold unattraktiver macht.
  • Hedgefonds: Erstmals seit Beginn der Datenaufzeichnungen im Jahr 2006 gab es mehr als 1100 Wetten mehr auf sinkende als auf steigende Goldpreise. Die Hedgefonds haben sich also gegen Gold positioniert.
  • Indien und China: Indien und China sind für 50 Prozent der Goldnachfrage verantwortlich, aber die Chinesen haben so viel Geld auf dem Aktienmarkt verbrannt, dass sie wenig Geld haben, neues Gold zu kaufen.
  • Charttechnik: Auch die Charttechniker melden sich zu Wort: Der Preis fällt und fällt, charttechnisch bestehe seit einem Jahr ein „Todeskranz“.
  • Angst verflogen: Die Angst der Anleger vor einem Finanzcrash, die dem Goldpreis Auftrieb verliehen hatte, ist verflogen. Die Akteure glauben, die Notenbanken hätten alles fest im Griff.
  • Keine Inflation: Die Inflationsangst, die dem Goldpreis stets nützt, ist verflogen. Man fürchtet sich eher vor einer Deflation.
  • Goldproduktion hochgefahren: Die Produzenten von Gold fahren die Produktion hoch (ähnlich beim Öl), weil die Preise gesunken sind, dies verstärkt jedoch den Preisverfall.

Ich werde mein Gold trotz all dieser Argumente nicht verkaufen. Gold ist aus meiner Sicht eine Versicherung. Eine Versicherung gegen den Finanzcrash. Ich werde diese Versicherung ganz bestimmt nicht kündigen, auch dann nicht, wenn der Goldpreis weiter fällt.

Mir macht die allgemeine Sorglosigkeit Sorgen. Keines der Probleme, die zur Finanzkrise geführt haben, ist wirklich gelöst. Und Europa wird nicht einmal mit den Problemen des kleinen Griechenland fertig. Das zeigt für mich, dass all die vermeintlich sicheren und wirksamen „Rettungsschirme“ und Schutzmechanismen im Ernstfall komplett versagen würden. Wenn damit nicht einmal Griechenland wirksam geholfen werden kann, was ist, wenn sich die Probleme in Frankreich oder Italien zuspitzen. Und wer weiß, wie das historisch einmalige Experiment der Zentralbanken ausgehen wird, die seit Jahren unbegrenzt Geld drucken?

Übrigens ist Gold zwar gefallen, aber für Anleger, die in Euro rechnen, ist der Crash lange nicht so schmerzhaft wie für jene, die in Dollar rechnen. Der Anstieg des Dollar und der Verfall des Euro führen dazu, dass der Goldpreis auf Dollarbasis zwar vom Allzeithoch (1920 USD am 6.9.2011) auf heute etwa 1108 USD um ca. 42 Prozent gefallen ist. Aber auf Eurobasis beträgt der Rückgang vom Allzeithoch (1390 Euro) bis heute nur ca. 26 Prozent.

Wer meinem Rat gefolgt ist, und einen erheblichen Teil seiner Investments in Dollar getätigt hat, der hat in diesem Jahr mit dem Wertgewinn seiner Dollaranlagen den Rückgang des Goldpreises bei Weitem kompensiert.

Was empfehle ich heute? In meinem kürzlich erschienenen Buch „Reich werden und bleiben“ habe ich geschrieben – und genau dabei bleibe ich auch trotz des Kursrutsches:

„Ich hatte schon im Jahr 2004 empfohlen, Gold zu kaufen, und empfehle auch heute, einen Teil des Geldes (bei niedrigeren Vermögen 10 Prozent, bei höheren Vermögen 5 Prozent) aus Sicherheitsgründen in Gold anzulegen. Mehr sollte es jedoch nicht sein, denn Gold hat drei entscheidende Nachteile: Es schwankt, anders als von vielen Privatanlegern vermutet, sehr stark im Wert, es wirft keine laufenden Erträge ab und, vor allem ist zu bedenken: Ein fairer Preis für das Gold ist noch schwerer zu bestimmen als beispielsweise für Aktien oder Immobilien, da Gold – im Unterschied zu diesen Anlagen – keine Zinsen abwirft. Bei Immobilien sind die Kaufpreisfaktoren ein Indiz dafür, ob ein Objekt teuer, angemessen oder günstig bewertet ist. Am Aktienmarkt gibt es ebenfalls eine Reihe von Bewertungsindikatoren, um diese Frage zu beantworten. Beispielsweise gibt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) einen ersten Anhaltspunkt dafür, ob eine Aktie billig oder teuer ist. Da Gold jedoch keine Erträge abwirft, kann man keine analogen Bewertungsmaßstäbe anlegen, sondern ist darauf angewiesen, historische Vergleiche zu ziehen, was natürlich unbefriedigend ist.

Das zunehmende Interesse der Anleger seit der Finanzkrise an Gold rührt vor allem aus einer Skepsis gegenüber dem Papiergeldsystem. „Papiergeld gibt es zwar schon seit vielen Jahrhunderten, aber die ungedeckte beziehungsweise nur durch ebenfalls ungedeckte Devisen gedeckte Version ist ein Experiment, das nicht einmal 40 Jahre alt ist, während Gold und Silber schon seit Jahrtausenden als Tausch-, aber auch Wertaufbewahrungsmittel gelten.“ Die Politik der Zentralbanken seit Ausbruch der Finanzkrise ist ohne Beispiel in der Geschichte. Wie sie ausgeht, ist von niemandem zu prognostizieren. Sollte es wirklich zu einem „Finanzcrash“ kommen, wird Gold erheblich an Wert gewinnen. Im schlimmsten Fall könnten Gold oder Silber sogar vorübergehend als die einzigen Zahlungsmittel akzeptiert werden. Wer dies befürchtet, sollte – sozusagen als Versicherung gegen einen Finanzcrash – Goldbarren kaufen.“


24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.