Reiche: In New York vergrätzt und in Italien umworben

Erschienen am 18. Februar 2021

Gegensätzlicher könnte die Politik nicht sein: Italien lockt Reiche mit niedrigen Steuersätzen und New York verprellt die Reichen.

Vor drei Jahren führte Italien eine attraktive Regelung für sehr reiche Ausländer ein, die nur 100.000 Euro Pauschalsteuer zahlen müssen. Im ersten Jahr hatten das nur 99 Reiche genutzt, inzwischen hat sich die Zahl mehr als vervierfacht. Im Steuerjahr 2019, das aktuellste für das entsprechende Zahlen vorliegen, sind 421 Reiche aus verschiedenen Ländern dem Lockruf Italiens gefolgt und haben ihren Wohnsitz verlegt.

Die Pauschalsteuer gilt für maximal 15 Jahre und ersetzt die persönliche Einkommenssteuer auf im Ausland erwirtschaftetes Einkommen, was erklärt, warum sie besonders für diejenigen attraktiv ist, die Vermögen, Unternehmen und andere Aktivitäten im Ausland haben. Von den 421 Reichen hat Italien 2019 somit 42 Millionen Euro Steuern bekommen – zuzüglich Steuern von deren Familienangehörigen. Das ist nicht viel. Aber Italien hatte auch nie erwartet, durch die Pauschalsteuer direkte hohe Steuereinnahmen zu erzielen. Aber Reiche konsumieren auch mehr und teurere Güter, was positive Effekte für die Mehrwertsteuer hat. Und Reiche ziehen andere Reiche an, die das Land – so das Kalkül – als Investitionsstandort für sich entdecken könnten. Wichtig ist vor allem die psychologische Wirkung, und dies wird oft übersehen: Bei Reichen spricht es sich herum, ob sie in einem Land willkommen sind oder nicht.

In Deutschland stören sich viele Reiche nicht so sehr an der Steuerbelastung, sondern an der feindseligen gesellschaftlichen Atmosphäre. In Medien und Politikerreden in Deutschland kommen Reiche hauptsächlich in einem negativen Kontext vor. Angela Merkel hatte 2015 die Türen weit aufgemacht für arme Menschen aus aller Welt, aber Reiche sind unwillkommen. Seit mehren Jahren gibt es immer wieder Medienberichte, wonach jährlich einige Tausend Millionäre Deutschland verlassen. Und im Fall eines Wahlsieges von SPD, Grünen und Linken würden es bestimmt noch sehr viel mehr – viele Reiche würden sofort das Land verlassen.

New York verprellt Reiche

Auch in New York, eine der Städte mit den meisten reichen Menschen, ist die Atmosphäre für Reiche rauher geworden. Ein Beispiel ist die Wohnungspolitik in New York City, die den Markt immer stärker reguliert. Linke Demokraten wie die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die sich selbst als Sozialistin bezeichnet, machen Stimmung gegen Reiche, und ihr Einfluss in der Partei steigt, gerade in Städten wie New York. Und in der Corona-Krise müssen Reiche als Sündenböcke herhalten: US-Medien brachten empörte Sensationsberichte über Reiche, die New York wegen Corona verlassen.

Aber der Exit von Reichen aus New York hat nicht nur etwas mit Corona zu tun. Die „Financial Times“ berichtete kürzlich unter der Überschrift “Big money ditches New York, moves family to Palm Beach”, dass sich das Gravitationszentrum der Hedgefonds-, Private-Equity- und Family-Office-Welt zunehmend nach Florida verlagert. Genauer gesagt nach Palm Beach und West Palm Beach. „Der Umzug der Branche hatte bereits begonnen“, so zitiert die Zeitung einen Investor aus Palm Beach. Der Fortzug vollziehe sich freilich im Stillen: Als Elliott Management beispielsweise seine Büroerweiterung in West Palm Beach ankündigte, betonte das Unternehmen, dass es seine Büroräume in New York behalten und einige Räume in Greenwich, Connecticut, eröffnen würde. Die Zeitung zitiert einen reichen Hedgefonds-Manager: „Wir wollen nicht die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass unsere Top-Leute umziehen. Aber nach Ende März wird jeder ab Portfoliomanager aufwärts seine elektronischen Schlüsselkarten für das New Yorker Büro gesperrt haben.“

Paradoxerweise liegt ein Grund für den Wegzug der Reichen in Trumps Steuerreform, die insgesamt sehr positiv war (nicht nur, aber auch für Reiche), die jedoch auch eine Kehrseite für New Yorker hatte: Denn vor der Reform konnten Steuerpflichtige die sehr hohen State Taxes in New York von der Bundesstaaten-Steuer (Federal Taxes) abziehen, was durch Trumps Steuerreform nicht mehr möglich ist. Da die Steuersätze in New York extrem hoch sind, sind davon reiche Menschen in New York besonders negativ betroffen, die dann lieber in das sonnige (und steuerfreundlichere) Florida oder nach Texas gehen. Man sieht diesen Wegzug nicht nur an der Steuerstatistik, sondern auch an anderen Indikatoren: An der Palm Beach Day Academy, einer exklusiven Privatschule in Florida, stiegen die Bewerbungen stiegen um 124 Prozent während der Pandemieperiode von März bis September 2020.  Die Hälfte aller neuen Schüler kommt derzeit aus New York City und Umgebung an diese exklusive Privatschule.

Rainer Zitelmann ist Verfasser des Buches „Die Gesellschaft und ihre Reichen. Vorurteile über eine beneidete Minderheit.“

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