Schulz der Steuer-Kleptokrat: Die SPD antwortet nicht

Erschienen am 1. Juli 2017

An dieser Stelle hatte ich vorgerechnet, dass der Plan der SPD zur Abschaffung der Abgeltungssteuer bei Unternehmern in der Spitze eine Steuerlast von über 65% zur Konsequenz haben kann. Es wurde direkt bei der SPD-Pressestelle nachgefragt, doch die von dort versprochene Antwort blieb aus. Warum schweigt die SPD?

Offenbar ist die Sache mit der Abgeltungssteuer doch nicht so einfach, wie es im SPD-Wahlprogramm scheinen mag, wo es lapidar heißt: „Wir wollen Einkommen aus Arbeit und Kapital wieder gleich besteuern, indem wir die Abgeltungsteuer abschaffen.“

Am 27. Juni hatte „Tichys Einblick“ die Pressestelle des SPD-Parteivorstandes angeschrieben und gefragt:

„Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Steuerprogramm der SPD. Darin steht, dass die Abgeltungssteuer abgeschafft werden soll. Diese gilt heute bekanntlich sowohl für Zins- wie auch für Dividendeneinkünfte.

Unsere Fragen:

  1. Soll die Abgeltungssteuer tatsächlich sowohl für Zins- wie auch für Dividendeneinkünfte abgeschafft werden?
  2. Was soll dann an die Stelle treten? Sollen diese Einkünfte dann mit dem vollen persönlichen Steuersatz versteuert werden? Oder will man zu dem bis zur Einführung der Abgeltungssteuer geltenden Halbeinkünfteverfahren zurückkehren?“

Nachdem die Anfrage nicht beantwortet wurde, hakte „Tichys Einblick“ noch mal nach und die SPD versprach am 28. Juni: „Ihre Anfrage hat uns erreicht. Wir sitzen dran. Ich habe es dem Kollegen nochmals gesagt.“

Doch bis heute gibt es, anders als von der SPD-Pressestelle in Aussicht gestellt, immer noch keine Antwort auf die aus nur wenigen Sätzen bestehende Frage. Warum tun sich die Genossen so schwer damit, die einfache Frage zu beantworten, ob nur die Zins- oder auch die Dividendeneinkünfte gemeint seien – und was an die Stelle der Abgeltungssteuer treten soll?

Zinsen höher besteuern
Unstrittig ist, dass die SPD die Abgeltungssteuer für Zinsen abschaffen will. Die SPD hat immer wieder bekundet, es sei „ungerecht“, dass Zinseinkünfte mit 25% versteuert würden, während der persönliche Einkommensteuersatz in der Spitze bis zu 45% betrage (jeweils plus Soli). Schafft man die Abgeltungssteuer ab und besteuert die Zinseinkünfte mit dem persönlichen Steuersatz, dann hat das für viele Menschen, die besser verdienen, zur Folge, dass Zinsen höher besteuert werden. Dann stellen sich jedoch zwei Fragen:

  1. Was bringt das dem Staat in einer Zeit, in der die Zinsen gegen Null tendieren? Mit wie viel Mehreinnahmen ist zu rechnen, wenn der Fiskus z.B. von einem halben Prozent Zinsen künftig in der Spitze doppelt so viel abkassiert wie bisher? Diese Frage reichen wir hiermit der SPD nach. Sie hat ja alles „fein durchgerechnet“, wie immer wieder betont wird.
  2. Ist es nicht eine Frechheit, wenn der Staat die Steuern für die niedrigen Zinsen massiv erhöhen will, obwohl er der Hauptnutznießer dieser Niedrigzinsen ist? Die DZ Bank hat berechnet, dass die Niedrigzinsen dem Sparer vom Jahr 2009 bis 2017 436 Milliarden Euro kosten. Von 2010 bis 2016 waren es 344 Mrd. Euro, im Jahr 2017 können noch mal 92 Mrd. dazu kommen. Was der Bürger weniger hat, hat der Staat mehr. Wie kleptokratisch muss die SPD sein, wenn sie just in dieser Situation vorschlägt, die Steuern auf die Zinsen massiv zu erhöhen? Nach den SPD- Plänen sollen die Steuern auf Zinsen, die heute inklusive Soli ca. 26,4% betragen, künftig in der Spitze auf ca. 50,64% steigen, wie ich in dem erwähnten Artikel vorgerechnet hatte.

Sollen Unternehmer über 65% Steuern zahlen?
Die SPD ist eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben, ob die Abgeltungssteuer nur für Zinseinkünfte oder auch für Dividenden abgeschafft werden soll. Wir müssen die SPD also beim Wort nehmen: Da die Abgeltungssteuer heute sowohl für Zinsen wie auch für Dividenden gilt, hätte eine Abschaffung zur Folge, dass ein Unternehmer die Ausschüttungen aus seiner GmbH künftig mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern hätte. Wenn die SPD etwas anderes wollte, z.B. eine Rückkehr zum Halbeinkünfteverfahren, das bis 2008 galt, müsste sie es sagen. Sagt sie aber nicht. Ich hatte dazu vorgerechnet:

Nehmen wir an, eine GmbH hat einen Gewinn von 100 erwirtschaftet. Dann gehen davon ca. 30 Steuern (Körperschafts- und Gewerbesteuer) ab. Auf den Rest, also 70, entfällt derzeit die Abgeltungssteuer von ca. 26,4% (inkl. Soli). Das ergibt noch einmal eine Steuerlast von 18,48% (26,4% von 70). Insgesamt zahlt der Unternehmer bislang also in der höchsten Progressionsstufe einen Grenzsteuersatz von ca. 48,5 Prozent Steuern, wenn man die Steuern, die das Unternehmen zahlt und die Steuern, die er als Privatperson zahlt, zusammenzählt. Bei Einführung der Abgeltungssteuer hatte man darauf geachtet, dass ein Unternehmer, der seine Firma in einer GmbH organisiert, eine vergleichbar hohe Besteuerung hat wie jener, der die Rechtsform der Personengesellschaft gewählt hat. So war es bisher. Das war durchdacht.

Künftig würde es nach den SPD-Plänen dagegen so aussehen: Ein Unternehmer, der seine Firma als GmbH organisiert und dem höchsten Steuersatz in der Einkommensteuer unterliegt, hätte laut SPD-Plänen eine Grenzsteuerbelastung von 50,64%, die auf die verbliebenen 70 Unternehmensgewinn (nach Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer) angewendet würde. Er müsste in der Spitze also noch einmal 35,45 Prozent Steuern bezahlen. Zusammen mit den 30, die er auf Unternehmensebene bezahlt hat, wären das 65,45 Prozent.

SPD-Pläne schöngeredet
In den Medien werden die SPD-Pläne schöngeredet. DIE WELT kommentierte auf Seite 1: „Die SPD hat ein maßvolles Steuerprogramm vorgestellt, das in feiner Rechenarbeit potenziellen Wählern sagt, woran sie sind.“ Wenn das alles so glasklar und maßvoll ist: Warum ist die SPD nicht willens oder nicht in der Lage, die einfachen Fragen, die wir ihr gestellt haben, zu beantworten? Wäre es so einfach, könnte man diese Fragen bestimmt in einer Stunde beantworten. Und nun brüten die Genossen in der SPD-Parteizentrale seit Tagen darüber.

„Keine Angabe“: Auch sonst ist vieles unklar
Das angeblich so klare SPD-Steuerprogramm ist auch in anderer Beziehung viel unklarer als bei allen anderen Parteien. Ein Beispiel aus dem Bereich der Immobilien, wo ich mich gut auskenne: In ihrer aktuellen Ausgabe hat die „Immobilien Zeitung“ einen Überblick über die Wahlprogramme der Parteien gegeben. Darunter waren vier Fragen zu Steuerthemen. Gefragt wurde, ob Steuererhöhungen geplant seien, die die Immobilienwirtschaft belasten, ob man für eine bundeseinheitliche Grunderwerbsteuer unter heutigem Niveau sei, ob Steuervorteile bei Share Deals weiter möglich sein sollen und ob man eine Sonderabschreibung für die energetische Gebäudesanierung wolle. Ergebnis: CDU/CSU, Grüne, FDP, Linke und AfD hatten – unterschiedliche – Antworten auf all diese Fragen. Die SPD dagegen antwortete nur, dass sie gegen eine Sonderabschreibung gegen die energetische Gebäudesanierung sei und ließ, als einzige Partei, alle drei anderen Fragen unbeantwortet: „Keine Angabe“ hieß es auf drei der vier Fragen. Auch hier, wie bei der Abgeltungssteuer, wieder Sprachlosigkeit.

Warum antwortet die SPD nicht? Weil die Genossen ihr über Monate angeblich fein durchgerechnetes Programm vielleicht doch nicht durchdacht haben? Oder weil sie dem Wähler nicht sagen wollen, woran er ist?

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.