Sputnik V-Bestellung im Alleingang: Der „europäische Weg“ in der Impfstoffbeschaffung ist am Ende

Erschienen am 8. April 2021

Söder, Spahn und Schwesig bestellen „Sputnik V“ im Alleingang. Ohne Europa. Und dies, nachdem uns monatelang erklärt wurde, dass ein Abweichen von der „europäischen Lösung“ schlimmer „Impfstoffnationalismus“ sei.

Nachdem Jens Spahn zunächst zusammen mit seinen Kollegen aus Italien, Frankreich und den Niederlanden Impfstoff bestellen wollte, pfiff Angela Merkel ihn barsch zurück: Er musste sich unterwürfig bei von der Leyen entschuldigen, dass er vom „europäischen Weg“ abgewichen sei. Bundeskanzlerin Merkel, EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und praktisch die gesamte politische Klasse in Deutschland wetterte monatelang gegen „Impfstoffnationalismus“. Wer in einer Talkshow etwas Kritisches sagte, leitete sein Statement erst einmal mit der Beteuerung ein, nur die „europäische Lösung“ sei richtig.

Zur Erinnerung: Als Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble von Maischberger gefragt wurde, ob der Staat mit diesem Vorgehen nicht seine Fürsorgepflicht verletzt habe und dies viele Tote zur Folge gehabt hätte, antwortete Schäuble: „Es nützt ja nichts, wenn wir in Deutschland das Virus besiegen oder wie man das nennt. Deswegen war der Ansatz richtig, es in Europa weit zu beschaffen, obwohl der ein bisschen komplizierter ist. Den Preis muss man zahlen, wenn man Europa stärker will. Europa ist ein bisschen komplizierter, muss man auch sagen.“ Sterben für Europa?

Ursula von der Leyen schrieb in der FAZ zu diesem Thema: „Auch ich stelle mir diese Fragen jeden Tag: Hätten wir schneller sein können? Und wäre ein einzelner Mitgliedstaat schneller gewesen?… Ja, es dauert vielleicht länger, Entscheidungen zu 27 zu treffen als allein. Aber stellen Sie sich vor, was passiert wäre, wenn am Anfang nur ein oder zwei Mitgliedstaaten Impfstoffe erhalten hätten. Das wäre für einige große Staaten wie Deutschland denkbar gewesen. Aber was hätte das für unsere Einheit in Europa bedeutet? Diese Abkehr von unseren europäischen Werten hätte nicht wenige gestärkt, sondern alle geschwächt. Das wäre an die Grundfesten Europas gegangen.“

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer erklärte bei Markus Lanz:

„Man muss bei der Wahrheit bleiben. Es war immer klar, Deutschland drängelt sich nicht vor, so wie das ein Land wie Israel, wie Großbritannien kann, sondern wir gehen gemeinsam in Europa vor, weil wir es nicht ertragen können, dass die Deutschen mit ihrer Kraft und ihrem Geld den Impfstoff haben und die Polen und die Tschechen und die Slowaken alle reihenweise nacheinander sterben…, deswegen kriegen alle europäischen Länder gleichmäßig nach ihrer Bevölkerung den Impfstoff, deswegen wird es dauern…“

Angela Merkel erklärte in vielen Reden und Interviews, der europäische Weg in der Impfstoffbeschaffung sei alternativlos und ein deutscher Alleingang sei geeignet, Europa zu zerstören. Ich fand das von Anfang an absurd und schrieb in zahlreichen Artikeln, dass der „europäische Weg“ in der Impfstoffbeschaffung der größte Fehler war: Dass der in Deutschland entwickelter und mit 375 Millionen Euro deutschen Steuergeldern geförderter Impfstoff Biontech zunächst einmal „gleichmäßig“ über Europa verteilt werden musste – nur aus der Furcht heraus, irgendjemand könne uns vielleicht des „Impfstoffnationalismus“ bezichtigen – war von Anfang an eine Riesendummheit. Jetzt wird dies teilweise und halbherzig korrigiert durch die Sputnik-Bestellung im Alleingang. Ich meine: Besser spät, als gar nicht. Aber:

  • Warum entschuldigt sich Merkel zwar über Irritationen, ob man am Gründonnerstag einkaufen darf oder nicht, aber NICHT für den falschen Ansatz der europäischen Impfstoffbeschaffung, der viele Menschenleben gekostet und viele wirtschaftliche Existenzen vernichtet hat?
  • Warum beerdigt man nicht ganz offiziell den „europäischen Weg“ und bemüht sich, im deutschen Alleingang auch andere Impfstoffe (nicht nur Sputnik) zu bestellen?

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