„Und also schließen die Politiker messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“

Erschienen am 18. Juni 2012

Seit Wochen warteten Politik und Finanzmärkte gespannt auf den Ausgang der griechischen Wahlen und bereiteten sich auf ein Krisenszenario vor. Ist es nicht bezeichnend, dass allein die Situation in dem kleinen und für die Euro-Zone wirtschaftlich völlig unbedeutenden Griechenland uns schon in Angst und Schrecken versetzt und zu Spekulationen über das Ende des Euro führt? Was erst wird geschehen, wenn sich die Situation in Spanien oder Italien zuspitzt?

Niemand muss ein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Situation dann unbeherrschbar wird und der Euro in seiner jetzigen Form an seinem Ende sein wird.

Sind die Politiker blind, dass sie das nicht sehen? Warum haben sie die Entwicklung in Griechenland nicht richtig vorhergesehen? Meine Antwort: Aus ideologisch-politischer Verblendung wollten sie die Entwicklung nicht sehen, da nach ihrer „Logik“ eben „nicht sein kann, was nicht sein darf“.

Alles, was seit dem Beginn der Griechenland-Krise und der ersten Ankündigung einer Rettungsaktion geschehen ist, war genau so vorauszusehen – auch wenn die Politiker dies heute vehement bestreiten. Der eindeutige Beleg ist der Kommentar, den ich am 15. Februar 2010, also vor zwei Jahren und 4 Monaten, in den IMMOBILIEN NEWS veröffentlicht habe und den ich unten noch mal im Wortlaut abdrucke.

In diesem Kommentar hatte ich die angeblich alternativlose Griechenland-Rettungsaktion kritisiert und folgendes vorausgesagt:

– Linksradikale und nationalistische Kräfte in Griechenland werden massiv gestärkt, weil man Deutschland die Schuld an der Misere geben wird. (Als ich das damals schrieb, waren links- und rechtsextreme Parteien in Griechenland nur kleine und unbedeutende Splittergruppen – bei den Wahlen gestern vereinten Linksextremisten, Stalinisten und Faschisten in Griechenland etwa 40 Prozent der Stimmen auf sich!)

– Weitere Rettungsaktionen für Portugal, Spanien und Italien werden folgen. (Für Portugal und Spanien ist genau dies inzwischen eingetreten.)

– Der Euro wird weiter fallen, vor allem auf Basis seines Preises in Gold, der mehr aussagt als der Preis in Dollar. (Als ich das schrieb, lag der Euro bei einem Preis von 800 Euro/Unze, heute liegt er bei fast 1300 Euro/Unze, d.h. der Euro hat gegenüber Gold massiv an Wert verloren!)

– Statt die Einigung Europas zu fördern wird der Euro zu Spannungen und inneren Konflikten in der Euro-Zone und zu massiven Ressentiments führen. (Auch diese Vorhersage ist seitdem leider eingetreten, denn tatsächlich gab es niemals in den letzten 50 Jahren so viele und starke nationalistische Ressentiments in Europa wie heute. Wir werden das leider wohl anschaulich in den nächsten Tagen vor dem am Freitag stattfindenden EM-Spiel Deutschland-Griechenland erleben.)

So, und nun, zum Beleg der Kommentar vom 15.2.2010, wörtlich noch einmal:

„Wieder einmal ist die Stützungsaktion für Griechenland angeblich „ohne Alternative“… Was ist der Preis dieser angeblich „alternativlosen“ Rettungsaktion?

  1. Das Vertrauen in den Euro wird weiter schwinden. Niemand nimmt den Maastrichter Vertrag noch ernst. Mittelfristig wird der Euro weiter an Wert verlieren. Wären die USA nicht selbst durch eine enorme Verschuldung und durch die Finanzkrise stark angeschlagen, würde sich dies bereits viel stärker im Euro/Dollar-Wechselkurs widerspiegeln. Das richtige Maß für die Euro-Schwäche ist jedoch nicht vor allem der Wechselkurs zum US-Dollar, sondern der zum Gold. Und der Goldpreis hat auf Euro-Basis mit 800 Euro/Unze vergangene Woche einen historischen Rekordstand erreicht.
  2. Andere Länder werden ermutigt, ihre Haushalte allenfalls halbherzig zu sanieren, da man ja gewiss sein kann, dass Europa – vor allem Deutschland – zur Hilfe eilen wird.
  3. Die ohnehin stark angespannten Haushalte von Deutschland und anderen Ländern werden durch die Rettungsaktion für Griechenland und künftige weitere Rettungsaktionen für Portugal, Spanien und Italien weiter zusätzlich belastet. Die langfristige Perspektive lautet: Währungsreform oder Inflation.
  4. Da die Rettung mit empfindlichen Auflagen für Griechenland verbunden sein wird, ist die Reaktion der Griechen schon vorauszusehen: Nationalistische und sozialistische Ressentiments gegen Europa und insbesondere gegen die Deutschen, werden angeheizt. Die Schuld für die notwendigen Sparmaßnahmen wird man nicht sich selbst geben – die Griechen haben lange über ihre Verhältnisse gelebt und haben sich nur durch Betrug den Beitritt zum Euro erschlichen -, sondern den anderen europäischen Staaten und insbesondere den Deutschen. Eine Welle gewaltsamer Ausschreitungen von linksradikalen und nationalistischen Kräften in Griechenland ist sehr wahrscheinlich.
  5. Obwohl der Euro eigentlich die politische Einigung der Europäer befördern sollte, führt er auf diesem Wege zur Spaltung Europas und zu massiven inneren Konflikten in der Euro-Zone.

Es handelt sich bei der Griechenland-Rettung also wieder einmal um eine jener „alternativlosen“ Maßnahmen, die den Keim künftiger Krisen und Zerstörungen in sich trägt.“

Soweit mein Kommentar, den ich am 15.2. 2010 in den IMMOBILIEN NEWS veröffentlicht habe (von jedem auch nachzulesen unter www.zitelmann.com/finanzkolumnen.).

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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