Unternehmer, Sportler, Lottogewinner: Wem gönnen es die Deutschen, reich zu sein?

Erschienen am 30. April 2020

Wem gönnen Sie es am ehesten, wenn er reich wird? Dem Top-Fußballer, einem Unternehmer, einem Manager oder vielleicht sogar dem glücklichen Lottogewinner?

„Manchen Leuten gönnt man es ja, wenn sie reich sind, bei anderen findet man das unverdient. Welche Personengruppen von dieser Liste haben es Ihrer Meinung nach verdient, wenn sie reich sind?“ Diese Frage wurde 1253 repräsentativ ausgewählten Deutschen durch das Institut für Demoskopie Allensbach vorgelegt.

Ergebnis: Die Deutschen gönnen Reichtum dem Selbstständigen (64 Prozent), dem Unternehmer (57 Prozent), aber auch dem Lottogewinner (54 Prozent). Die Hälfte gönnt Reichtum Kreativen, also Schauspielern, Künstlern oder Musikern. Bei Spitzensportlern sinkt die Zahl der Gönner schon auf weniger als ein Drittel, und den Erben gesteht gerade jeder Fünfte ihren Reichtum zu.

Wem die Deutschen Reichtum gönnen (Angaben in Prozent)

Die Schlagzeilen über gierige Manager, Banker und Finanz- sowie Immobilieninvestoren haben eine deutliche Wirkung gezeigt, denn diesen Gruppen billigen nur sehr wenige ihren Reichtum zu. Nur jeder Fünfte gönnt dem Spitzenmanager Reichtum, nur jeder Zehnte dem Immobilieninvestor und die Banker bilden das Schlusslicht mit lediglich sechs Prozent. Hier gibt es bezeichnende Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Am ehesten gönnen Ostdeutsche Lottogewinnern ihren Reichtum (66 Prozent) – deutlich mehr als Unternehmern (50 Prozent). Vielleicht weil man selbst hofft, einmal sechs Richtige mit Superzahl zu tippen. Dagegen gestehen nur 22 Prozent der Ostdeutschen Spitzensportlern Wohlstand zu und Bankern gerade einmal drei Prozent.

Warum Neider Lottogewinnern ihren Reichtum am ehesten gönnen

Das Institut entwickelte für die Studie „Die Gesellschaft und ihre Reichen“ eine Sozialneidskala. Auf Basis mehrerer Antworten schälten sich drei Gruppen heraus: Personen die Sozialneid empfinden, Personen die keinen Sozialneid empfinden – und eine dritte Gruppe dazwischen. Innerhalb der Gruppe der Sozialneider wurde noch einmal unterschieden zu einem „harten Kern“, der besonders stark neidisch ist.

Schaut man, wem die Personen, bei denen Sozialneid am stärksten ausgeprägt ist, am ehesten ihren Reichtum gönnen, dann sind das nicht wie beim Durchschnitt der Bevölkerung Selbstständige oder Unternehmer, sondern bezeichnenderweise Lottogewinner. 61 Prozent vom harten Kern der Sozialneider gönnen dieser Gruppe ihren Reichtum – und damit deutlich mehr als Selbstständigen (49 Prozent), Kreativen (48 Prozent) oder Unternehmern (33 Prozent). Bei den Nicht-Neidern verhält es sich ganz anders: Sie gönnen es vor allem Selbständigen (71 Prozent), Unternehmern (68 Prozent) und Kreativen (53 Prozent), wenn sie reich sind. Lottogewinner rangieren in der Gunst der Nicht-Neider mit 49 Prozent erst an vierter Stelle.

Dass die Neider Lottogewinnern ihren Reichtum am ehesten gönnen bzw. meinen, Lottogewinner hätten es „verdient“, reich zu sein, erscheint vielleicht auf den ersten Blick verwunderlich, auf jeden Fall aber erklärungsbedürftig. Denn bei anderen Gruppen von Reichen wird ja gerade besonders vehement kritisiert, dass deren Leistung angeblich nicht im angemessenen Verhältnis zu ihrem Reichtum stünde. Diese Meinung wird beispielsweise mit Blick auf die Manager vertreten: 85 Prozent vom harten Kern der Neider (bei den Nicht-Neidern sind es nicht einmal halb so viele) sagen: „Ich finde es unangemessen, wenn Manager so viel mehr verdienen. Schließlich arbeiten sie nicht so viel mehr als ihre Angestellten, dass dies gerechtfertigt wäre.“ Nur sechs Prozent des harten Kerns der Neider gönnen Spitzenmanagern, wenn sie reich sind, während der Anteil bei den Nicht-Neidern mehr als vier Mal so hoch liegt.

Warum bezweifeln die Neider bei Managern, dass ihr Reichtum durch eine entsprechende Gegenleistung gerechtfertigt sei, während sie es ausgerechnet beim Lottogewinner, dessen „Leistung“ ja nur darin bestand, zufällig einen Tippschein richtig auszufüllen, nicht bezweifeln? Neidische Menschen, darauf hat schon der Soziologe Helmut Schoeck hingewiesen, gönnen anderen am ehesten etwas, wenn es auf Glück und Zufall beruht und eben nicht auf Leistung. Denn wenn der andere nur durch Glück oder Zufall einen Vorteil erlangt, führt das – anders als dann, wenn der Vorteil auf Leistung beruht – nicht zu der nagenden Frage, warum man selbst diesen Vorteil nicht hat. Schoeck hat in seinem Standardwerk zum Thema „Neid“ sogar das Beispiel des Lottogewinners angeführt: Dass der Gewinner nicht beneidet werde, dafür sorge das zufallsbedingte Selektionsverfahren: „Kein Mann wird von seiner Frau heruntergesetzt werden, weil er nicht das richtige Los gekauft hatte.“ Und niemand bekomme Minderwertigkeitskomplexe, wenn er stets danebentippt. Für das Selbstwertgefühl ist es also leichter zu verkraften, neidlos den Reichtum eines Lottogewinners zu akzeptieren als den eines Unternehmers oder Spitzenmanagers. Zudem kann man im Falle des Lottogewinners sogar hoffen, vielleicht irgendwann selbst zu den glücklichen Gewinnern zu gehören.

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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.