Martin Schulz versucht sich als Populist – wie Fernsehzuschauer am Sonntag bei Anne Will sehen konnten. Populisten brauchen Minderheiten, auf die sie eindreschen können. Bei Schulz sind das die Hochvermögenden, die er unter Generalverdacht stellt. Auch sein Feindbild sind Flüchtlinge – jedoch in diesem Fall vermeintliche „Steuerflüchtlinge“.
Im Mittelpunkt des Wahlkampfes soll bei Schulz die alte Leier von der „sozialen Gerechtigkeit“ stehen. Obwohl der Begriff in aller Munde ist, weiß keiner, was genau damit gemeint ist und was „sozial gerecht“ sein soll. Tatsächlich ist gemeint:
- Mehr Gleichheit durch mehr Umverteilung.
- Populistische Neidkampagnen gegen Vermögende.
„Steuerflucht zentrales Wahlkampfthema“
Anne Will fragte am Sonntag zu Recht, was denn neu an dem von Schulz genannten Thema „soziale Gerechtigkeit“ sei. In Wahrheit ist es ein alter Hut, eine Leier, die man seit Jahren aus aller Munde hört, von Wagenknecht bis Hofreiter, von Gabriel und Schulz bis Kipping.
Populisten wird vorgeworfen, dass sie Vorurteile gegen Minderheiten schüren und diese unter „Generalverdacht“ stellen. Genau das ist es, was Schulz tut. Was also ist neu? Sein Trick: Aus dem abgedroschenen Thema „soziale Gerechtigkeit“ macht er eine aggressive Kampagne gegen Vermögende und Großkonzerne. Wenn er von Vermögenden und Superreichen spricht, dann stets im Zusammenhang mit „Steuerflucht“. „Steuergerechtigkeit“ und Bekämpfung der Steuerflucht, so erklärte er bei Anne Will, sollen zentrale Wahlkampfthemen werden.
Der Generalverdacht: Vermögende sind die, die ihr Geld ins Ausland bringen, um Steuern zu hinterziehen. Die Frage, ob das heute – nach dem Austrocknen von Steueroasen wie der Schweiz – überhaupt noch in relevantem Maße geschieht, wird nicht gestellt. Aber für Vorurteile braucht es bekanntlich im „postfaktischen Zeitalter“ keine Fakten.
Neidkampagne für Ahnungslose
Ein Trick von Schulz ist, dass Steuervermeidungsstrategien von internationalen Großkonzernen und Steuerhinterziehung von Hochvermögenden in einem Atemzug erwähnt werden. Sein Kalkül ist dabei, dass das breite Publikum nicht versteht, dass es um zwei völlig verschiedene Sachverhalte geht, nämlich einmal um illegale Steuerhinterziehung von Privatpersonen und das andere Mal um Steuervermeidungsstrategien von Unternehmen.
Hängen bleiben soll nur: Unternehmen, Unternehmer und Reiche zahlen keine Steuern. Bei Schulz hört sich Sozialpopulismus so an: Es könne nicht sein, dass „der kleine Bäckerladen anständig und selbstverständlich seine Steuern zahlt und dadurch unser Gemeinwesen stärkt, der globale Kaffeekonzern sich aber davor drückt und sein Geld in Steueroasen parkt.“ Gemeint ist Starbucks, also das Unternehmen, das sich gerade als politisch überkorrekt positionierte, weil es als Antwort auf Trumps Einreiseverbot verkündete, es wolle weltweit 10.000 Flüchtlinge einstellen.
DER SPIEGEL weist übrigens zu Recht darauf hin, dass Luxemburg eine der wichtigsten Anlaufstellen für Steuervermeider war – „und hier regierte lange Schulz‘ Duzfreund, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Ein Untersuchungsausschuss zu Junkers Verantwortung wurde ausgerechnet von Schulz verhindert.“
Finanzpolitische Urteilskraft der Putzfrau als Maßstab
Schulz arbeitet mit der wirtschaftlichen Unkenntnis derjenigen, an deren Neidgefühle er appelliert. So findet er es empörend, dass Erträge aus Kapital geringer besteuert würden als Arbeitseinkommen. Das ist eines der dümmsten „Argumente“ überhaupt. Die Abgeltungssteuer beträgt 25 Prozent plus Soli, aber bereits zuvor wurden ja auf Ebene des Unternehmens Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer bezahlt. Der Trick der linken Populisten besteht darin, nur die 25 Prozent zu erwähnen und diese mit der Steuerlast (gerne werden auch noch die Sozialangaben dazu gezählt) des „kleinen Mannes“ zu vergleichen, weil man darauf spekuliert, dass die meisten Menschen nicht verstehen, dass vor Auskehrung der mit der Abgeltungssteuer zu versteuernden Dividenden bereits auf Unternehmensebene Steuern bezahlt wurden. Das könnte freilich für die nach „sozialer Gerechtigkeit“ dürstende Putzfrau, deren finanzpolitische Urteilskraft von der SPD gerne als Maß aller Dinge angeführt wird, ein wenig zu komplex sein – so hofft Schulz vermutlich zu Recht.
Schulz will Rot-Rot-Grün, aber sagt es nicht
Schulz‘ Rhetorik zielt nicht nur auf Wählerstimmen, sondern soll bereits programmatisch das Zusammengehen mit Linken und Grünen vorbereiten. So fordert er, „Riesenvermögen“ müssten stärker besteuert werden, was eine zentrale Forderung in den Wahlprogrammen von Linken und Grünen ist. Schulz sagt, er will Kanzler werden. Aber er sagt nicht, wie, weil er weiß, dass auch viele seiner Wähler eine Koalition mit den Linken ablehnen. Dabei ist es rechnerisch ganz logisch und völlig klar: Es gibt keine denkbare Konstellation, in der die SPD den Kanzler stellt – außer dem Zusammengehen mit Grünen und Linken. Oder hofft Schulz, dessen Partei zwischen 20 und 24 Prozent liegt, stärker als die CDU (derzeit ca. 36 Prozent) zu werden? Natürlich weiß auch Schulz, dass das wirklichkeitsfremd ist.
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