Vor einigen Monaten habe ich an dieser Stelle geschrieben, das Privileg des privaten Anlegers sei es, abzuwarten und nichts zu tun. Diese Fähigkeit ist heute, wo wir überall mit überteuerten Asset-Preisen konfrontiert sind, wichtiger denn je. Bestätigt fühle ich mich durch ein jüngst erschienenes Buch über die Investmentstrategie von Charlie Munger (Tren Griffin, Charlie Munger, The Complete Investor, Columbia Business School Publishing, Columbia University Press, New York 2015).
Charlie Munger ist seit Jahrzehnten Partner von Warren Buffett, dem vielleicht erfolgreichsten Investor aller Zeiten. Munger beschreibt sein und Buffetts Vorgehen so: „We both insist on a lot of time being available almost every day to just sit and think. That is very uncommon in American business. We read and think. So Warren and I do more reading and thinking and less doing than most people in business.“ (S. 94)
Es erfordert eine hohe Disziplin nichts zu tun, zumal dann, wenn alle anderen aktiv sind. Es ist jedoch oft sehr viel besser, nichts zu tun als unsinnige Dinge zu tun. „We’ve got great flexibility and a certain discipline in terms of not doing some foolish thing just to be active – discipline in avoiding just doing any damn thing just because you can’t stand inactivity.“ (S. 93 f.)
Wir alle haben gelernt, dass derjenige, der mehr tut und fleißiger ist, auch bessere Ergebnisse erzielt. „Ohne Fleiß kein Preis“ – dieses Sprichwort führt jedoch oft in die Irre. Viele Menschen haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie nichts tun. Bei Sportlern führt das oft zum Übertraining – gute Sportler haben gelernt, dass „mehr“ Training nicht unbedingt zu besseren Resultaten führt, sondern intelligenteres Training. So ist es auch mit dem Investieren. Der Autor des Buches über Munger schreibt, „nichts zu tun“ könne sehr schwierig sein, „as there is a tendency to think that the level of activity is somehow correlated with value“ (S. 91).
Munger meint, es wäre schön, wenn „finding great investments happened all the time. Unfortunately, it doesn’t“. Das Vorgehen von Buffett und ihm beschreibt er so: „We’re perfectly willing to wait for something decent to come along. In certain periods, we have a hell of a time finding places to invest our money.“ (S. 91)
Das alles gilt für Investoren, die, wie Buffett und Munger, einen sehr langfristigen Anlagehorizont haben. Kurzfristige Spekulanten können in jeder Situation sehr aktiv sein. Denn ihnen geht es nur darum, ob sie kurzfristig jemanden finden, er ihnen ihr Asset – Aktie, Immobilie oder andere Assets – zu einem höheren Preis abkauft als sie es gekauft haben. Mit dieser Methode kann man sogar mit Kettenbriefen und anderen Schneeballsystemen kurzfristig „erfolgreich“ sein (was in diesem Fall nichts Anderes bedeutet als: Glück haben). Ich würde mich nicht auf mein „Glück“ verlassen. Das ist auch nicht die Methode von Buffett und Munger, die in der Regel sehr lange an ihren Investitionen festhalten.
Nichts zu tun heißt auch, kurzfristige Gewinnchancen verstreichen lassen. Das fällt vielen Menschen sehr schwer, weil sie fürchten, dann von den vermeintlich Erfolgreicheren ausgelacht zu werden. Buffett und Munger wurden Ende der 90er Jahre ausgelacht, als sie bei den Exzessen der „New Economy“ abseits standen. Eine große Wirtschaftszeitung titelte: „What’s wrong, Warren?“.
Ähnlich war es auch im heiß gelaufenen Immobilienmarkt in den USA 2006 bis 2008, wo sogenannte „Flipper“ riesige Gewinne erzielten, die Häuser vor Fertigstellung kauften, um sie gleich wieder teurer weiterzuverkaufen. Das hat mit Investitionen aus meiner Sicht nichts zu tun.
Besonders gefährdet sind Sie nach besonders erfolgreichen Investments, bei denen Sie viel verdient haben. Denn dann überschätzen Sie in der Regel Ihre eigenen Fähigkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie den Erfolg wiederholen ist jedoch gerade dann sehr gering. Denn wenn Sie zu einem hohen Preis verkauft haben, dann ist das ein Ergebnis der Marktsituation, die es Ihnen eben gleichzeitig auch erschwert, günstig einzukaufen. Deshalb ist es schon aus Selbstschutz gerade nach erfolgreichen Verkäufen besser, nichts zu tun. Natürlich werden Ihnen all jene Berater, die nur dann verdienen, wenn Sie aktiv sind, das Gegenteil sagen. Oder haben Sie schon mal einen Friseur erlebt, der Ihrer Frau gesagt hat, sie solle die Haare weder schneiden, färben noch sonst etwas tun, sondern sie einfach so lassen, wie sie sind?
Wie sieht meine persönliche Strategie heute aus?
- Wohnimmobilien: Verkaufen, wenn sie aus der Spekulationsfrist herausgefallen sind. Ggf. aufteilen und Wohnungen sukzessive bei Leerstand verkaufen. Die Immobilien, die noch in der Spekulationsfrist sind: Halten.
- Aktien: Ich habe meiner Bank den Auftrag gegeben, für einen bestimmten Betrag monatlich Anteile an einem ETF aus den MSCI World zu kaufen. Das geschieht automatisch, völlig unabhängig von Kursentwicklungen. Nur bei einem massiven Aktiencrash würde ich größere Summen investieren.
- Gold: Halten, nichts tun. Das ist nur eine Versicherung für den Fall eines Finanzcrashs.
- Liquidität: In kurzlaufenden (!) deutschen und amerikanischen Staatsanleihen parken.
24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/