Griechenland ist nicht das Problem

Erschienen am 11. Juni 2015

Erinnern Sie sich an die Diskussion vor einigen Jahren? Da wurde über die Probleme in der Eurozone gesprochen – über Spanien, Portugal, Irland, Griechenland usw. Aber in diesem Jahr sprechen alle nur noch über Griechenland. Die vollkommen berechtigte Aufregung über die Griechen verdeckt jedoch die wahren Probleme der Eurozone – und die liegen in Italien und Frankreich.

Weil nur noch über Griechenland geredet wird, könnte man fast meinen, die Probleme der Eurozone seien ansonsten gelöst. Aber das wäre eine gefährliche Illusion. Sicherlich geht es Irland jetzt besser, aber die eigentlichen Probleme kommen aus Frankreich und Italien. Seit dem Amtsantritt von François Hollande im Mai 2012 hat sich die Arbeitslosenzahl in Frankreich kontinuierlich erhöht, dabei war er mit dem Versprechen angetreten, die Arbeitslosigkeit zu verringern. Tatsächlich ist sie auf einen Rekordwert von 3,5 Millionen gestiegen.

Die wirtschaftsfeindliche Politik des Sozialisten und Reichenhassers Hollande hat die strukturellen ökonomischen Schwierigkeiten unseres Nachbarlandes massiv verschärft. Der fortschreitende Niedergang der französischen Industrie lässt die Wirtschaft stagnieren. Die Staatsverschuldung steigt immer mehr an, ein Ende der Krise ist nicht in Sicht.

Das alles wird hierzulande deshalb nicht richtig wahrgenommen, weil alle wie das Kaninchen auf die Schlange auf Griechenland starren. Dabei macht die Wirtschaftsleistung Griechenlands am BIP des Euroraums nur 2 Prozent aus, der Anteil der Franzosen liegt bei 15 Prozent. Auch Italien ist nach wie vor in einer extrem schwierigen Lage. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt dort fast 44 Prozent, in Spanien liegt sie über 50 Prozent und in Frankreich bei 25 Prozent.

Es scheint so, als hänge die gesamte Zukunft des Euro von der Frage ab, ob Griechenland „gerettet“ (d.h. dauerhaft subventioniert) werden soll oder ob ein Grexit besser wäre. Dabei kann sowieso jeder vernünftige Mensch sehen, dass Griechenland ein hoffnungsloser Fall ist,

  • solange die Griechen nicht begreifen, dass sie selbst schuld sind an ihrer Misere (und nicht Angela Merkel)
  • solange dort eine linksradikale Regierung an der Macht ist, der weder Investoren (niemand investiert mehr dort) noch die einfachen Menschen (inzwischen haben fast alle ihr Geld von den griechischen Banken abgehoben) vertrauen.

Doch die EU-Politiker sind nicht vernünftig. Fasziniert oder fassungslos beobachten wir alle das Schauspiel, wie einige linksradikale griechische Politiker sich über den Rest Europas lustig machen und wie die Griechen glauben, sie seien der Mittelpunkt der Welt. Und tatsächlich hat man den Eindruck, sie seien der Mittelpunkt der Welt, denn so wie sich die Planeten um die Sonne drehen, drehen wir uns alle um die absurde Posse, die in Griechenland gespielt wird.

Sobald dieses Schauspiel ein Ende gefunden hat (ob durch Grexit oder eine andere „Lösung“), wird die Sicht wieder auf die eigentlichen Probleme frei. Ich erwarte, dass bei einem Grexit der Euro kurzfristig nicht fallen, sondern massiv ansteigen wird. Aber nur, um danach, wenn die eigentlichen Probleme der Eurozone wieder in den Fokus der Marktteilnehmer geraten, umso stärker zu fallen. Die Marktteilnehmer werden sich nicht dauerhaft von dem griechischen Schauspiel ablenken lassen. Und sobald sie sich wieder mit den eigentlichen Problemen der Eurozone befassen werden (so etwa mit Frankreich und Italien) wird der Euro erneut massiv unter Druck geraten. Ich habe daher seit Jahren in US-Immobilien investiert, weil ich – trotz aller Probleme in den Vereinigten Staaten – ein größeres Zutrauen zu Amerika und zum Dollar habe als zur Eurozone.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.