Das HANDELSBLATT berichtet am 12.12., nach einer Studie von Thomson Reuters hätten die Banken in den letzten Monaten weltweit 14.245 regulatorische Änderungen verkraften müssen. Pro Tag treffen in der Compliance-Abteilung einer global tätigen Bank 40 neue Regeln ein – Tendenz steigend! „Der jeweilige Gesetzgeber, die nationalen Zentralbanken, die EZB und ein halbes Dutzend anderer Regulatoren weben einen immer bunteren Flickenteppich von Auflagen.“ Auch die Immobilienbranche ist sehr viel stärker betroffen, als die meisten Marktteilnehmer wahrhaben wollen – wie Axel von Goldbeck vom ZIA unlängst eindrücklich bei einer Veranstaltung der BERLINER IMMOBILIENRUNDE belegte. Neben AIFM, Basel III bzw. VRD IV, Solvency II (um nur die bekannteren Regulierungen zu nennen) gibt es eine Vielzahl weiterer neuer Regularien, die die Immobilien- und Fondswirtschaft direkt oder indirekt treffen. Viele Betroffene sind sich der möglichen Auswirkungen noch gar nicht bewusst. So vermute ich, dass die Mitte nächsten Jahres vorliegenden Vorschläge aus dem BMF zur Umsetzung der Level II-Maßnahmen für die AIFM einschneidendere Änderungen für die Fondsbranche bringen könnten als bislang erwartet. Möglicherweise wird es künftig verboten werden, Single-Asset-Fonds (also beispielsweise Ein-Objekt-Immobilienfonds) herauszubringen. Das Argument: Risiken müssen regulatorisch begrenzt werden, indem Fonds verpflichtet würden, mehrere Objekte zu kaufen – so wie es heute schon bei Fonds nach dem Investmentgesetz der Fall ist. Werden all die vielen Regulierungen künftige Krisen wie die Finanzmarkt- und Eurokrise verhindern? Natürlich nicht. Es handelt sich überwiegend um bloßen Aktionismus. Entweder sind die neuen Gesetze und Verordnungen einfach wirkungslos und dienen nur dazu, neue Steuereinnahmen zu generieren (Beispiel Finanztransaktionssteuer), oder sie bewirken sogar das Gegenteil des Intendierten. Nicht selten widersprechen sich die Regulierungen sogar, weil eine Behörde nicht mehr weiß, was die andere eben gerade fröhlich reguliert. Viele Regulierungen sind so schwammig formuliert, dass niemand weiß, wie man sie eigentlich überhaupt anwenden soll, was zu hoher Rechtsunsicherheit führt. Ein Beispiel ist die Novelle des Investmentgesetzes, die bei offenen Immobilienfonds die Rückgaben auf 30.000 Euro p.a. begrenzt. Wegen fehlender Rechtsverordnung und vor allem fehlender IT-Programme, um diese gesetzliche Neuerung umzusetzen, kann keine Fondsgesellschaft diese – an sich vernünftige – Neuregelung anwenden, was wichtige Optionen für die derzeit geschlossenen offenen Fonds verbaut. Ein anderes Beispiel ist die AIFM, die so „klar“ formuliert ist, dass die meisten Fondsinitiatoren Ratespiele veranstalten, wer überhaupt der „AIF“ ist, der reguliert werden soll. Der Glaube hinter dem Regulierungswahn lautet, dass Beamte die Wirtschaft besser steuern könnten als der Markt selbst. Der Wahn von der Überlegenheit staatlicher Planungsbehörden gegenüber dem Markt war bekanntlich bereits die Basis der sozialistischen Planwirtschaft, die vor zwei Jahrzehnten grandios gescheitert ist und die jetzt ihr grandioses Comeback erlebt. Zu denken geben sollte den Befürwortern immer stärkerer Regulierung vielleicht eines: Die weltweit am stärksten regulierten Branchen sind schon heute die Finanz- und die Gesundheitswirtschaft. Und genau diese Branchen funktionieren am schlechtesten. Eine der Ursachen für die Finanzkrise war beispielsweise, dass nach den Baseler Regelungen Banken für MBS weit weniger Kapital vorhalten mussten als für Unternehmensschulden. Und heute gelten Staatsanleihen absurder Weise immer noch als risikolos – im Gegensatz zu Immobilien. Dass das im Interesse der Staaten liegt, ist verständlich, aber die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass solche regulatorischen Vorgaben die Krise eher verschlimmert haben.
Erschienen am 19. Dezember 2011
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