In den amerikanischen Medien gibt es derzeit kein anderes Thema als Trump, Clinton, Sanders. Es stehen zwei Außenseiter, denen man zunächst keinerlei ernsthafte Chance eingeräumt hat (Sanders und Trump) gegen Clinton als Vertreter des Establishments. Und genau wegen dieser Positionierung tut sie sich so schwer. Sie hat zwar bei den Vorwahlen der Demokraten dank einiger Hundert „Super-Delegierten“ nach wie vor einen Vorsprung vor dem Linkspopulisten Sanders, doch das Momentum liegt eindeutig bei Sanders und Trump.
Sanders gewinnt eine Vorwahl nach der anderen, und es wirkte schon eher verzweifelt, als Hillary Clinton am Dienstag nach einem hauchdünnen Sieg in Kentucky (beide gewannen die gleiche Zahl an Delegierten) erklärte, die Siegesserie von Sanders sei nun durchbrochen. Viel wird davon abhängen, wie Anfang Juni die Vorwahlen bei den Demokraten in Kalifornien ausgehen. Trump hofft, dass Clinton Präsidentschaftskandidatin der Demokraten wird, weil er damit rechnet, dass er einige unzufriedene Sanders-Anhänger auf seine Seite ziehen kann.
Die Medien nehmen in den USA stärker Partei als sie dies in Deutschland tun: Der Fernsehsender FOX steht auf der Seite von Trump. Was nicht heißt, dass die Berichterstattung dort völlig unkritisch wäre. Vor neun Monaten gab es einen heftigen Schlagabtausch zwischen der Star-Moderatorin des konservativen Fernsehsenders Maggie Kelly und Trump. Gestern fand zwischen beiden ein neues Interview statt, bei dem Trump Fehler eingestand.
Die Washington Post hat offiziell erklärt, dass sie eine Truppe von 20 investigativen Journalisten zusammengestellt hat, die jedes Detail aus Trumps Leben kritisch recherchieren und auch ein Buch darüber schreiben sollen. Die New York Times steht natürlich auf der Seite der Demokraten und ist scharf „Anti-Trump“ positioniert. Vor einigen Tagen machte sie mit einer riesigen Geschichte über Trumps Beziehungen zu Frauen auf. Trump soll damit als „Frauenfeind“ entlarvt werden. Eine der Journalistinnen, die die Geschichte recherchiert hatte, ist eine sehr engagierte Feministin, was Fox News wiederum zu der Frage veranlasste, ob sie denn unvoreingenommen genug sei, über einen Mann zu berichten, der Schönheitswettbewerbe ausrichtet. Die Geschichte wurde jedoch eher ein Bumerang für die New York Times, weil danach mehrere in dem Artikel zitierte Frauen öffentlich erklärten, ihre Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden und sie hätten keine negativen Erfahrungen mit Trump gemacht.
Auch aus konservativen Kreisen gibt es jedoch kritische Fragen an Trump. Unklar ist insbesondere seine wirtschaftspolitische Positionierung. So hat Trump angedeutet, dass er möglicherweise auch für eine Anhebung der Mindestlöhne sei, wobei darüber die Bundesstaaten entscheiden sollten. Das kommt bei Sanders-Anhängern (auf die Trump offensichtlich schielt) sicher gut an, bei marktwirtschaftlich orientierten Republikanern jedoch gar nicht. Auch Trumps Kritik am Freihandel wirft Fragen auf, ob er wirklich marktwirtschaftlich orientiert sei.
Die größten Bedenken gegen Trump gibt es mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Wie viel versteht er davon? Wie berechenbar oder vielmehr wie unberechenbar ist er? Diese Sorge treibt nicht nur linke Trump-Gegner um, sondern auch viele Republikaner. Trump versucht jetzt, sich „vernünftiger“ und verlässlicher zu zeigen. Mit einem Treffen mit Henry Kissinger, dem allseits respektierten Elder Statesman der US-Außenpolitik wollte Trump ein Signal setzen. Aber Kissinger trifft sich auch mit Demokraten und wird Trump sicherlich nicht öffentlich unterstützen.
Der Erfolg von Trump und Sanders zeigt, wie unzufrieden die Amerikaner nach den Präsidentschaften von Georg W. Bush und Barack Obama sind. Obama, der nach seinem ersten Wahlsieg in Europa als Lichtgestalt gefeiert wurde, hat sowohl in der Wirtschafts- wie auch in der Außenpolitik versagt. Die Stimmung richtet sich nun insgesamt gegen „Washington“, und auf dieser Welle reiten Trump und Sanders. Beide wurden unterschätzt, weil man offenbar das Ausmaß der Unzufriedenheit vieler Amerikaner unterschätzt hat.
Beide sind erfolgreich, weil sie für viele Amerikaner „ehrlich“ und „authentisch“ wirken. Die Leute sagen: Sanders und Trump sprechen aus was sie denken. Sanders gefällt sich in der Attitüde des Revolutionärs: Oft ballt der Sozialist Bernie Sanders nach seinen Reden die Faust, so wie es traditionell der kommunistische Kampfgruß war. Das kommt bei seinen oft jungen Anhängern gut an. „Feel the Bern“ ist zu einem geflügelten Wort in Amerika geworden. Clinton vermag es nicht, ihre Anhänger auch nur annähernd so zu begeistern und in Ekstase zu versetzen wie Sanders und Trump.
Trump wiederum macht es offensichtlich Freude, demonstrativ alle Regeln der „Political Correctness“ zu verletzen. Weder ihn noch seine Anhänger stört es, dass er von seinen Gegnern als Rassist und Frauenfeind beschimpft wird. Offenbar hat sich das abgenutzt. Während Clinton vor allem auf die Mobilisierung von Frauen und Minderheiten setzt, kommt Trump gut bei weißen Männern an, die den Eindruck haben, ihre Anliegen würden von anderen Politikern nicht mehr so recht ernst genommen. In den Umfragen liegt Clinton nach wie vor deutlich vor Trump. Aber ich halte den Ausgang der Wahlen für offen.
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