4. Bericht aus den USA: Obama war ein großer Irrtum – nur die Deutschen haben es bis heute nicht gemerkt

Erschienen am 22. Mai 2016

Zwei Drittel der Deutschen bedauern laut einer Emnid-Umfrage, dass Barack Obama nicht ein drittes Mal als US-Präsident kandidieren darf. Und eine Mehrheit der Deutschen findet es nach wie vor richtig, dass Obama bereits kurz nach seinem Amtsantritt (und bevor er irgendetwas Positives geleistet hatte) den Friedensnobelpreis bekam. Ganz anders ist die Wahrnehmung in den Vereinigten Staaten. Schon im vergangenen Jahr zeigte eine Umfrage, dass es sogar mehr Amerikaner gibt, die Obamas unglücklichen Vorgänger George W. Bush positiv beurteilen als solche, die Obama positiv sehen. Inzwischen haben sich seine Werte wieder etwas verbessert.

Vernichtend ist jedoch, dass laut aktueller Umfragen zwei von drei Amerikanern sagen, ihr Land sei auf dem falschen Weg. Die Gesundheitsreform („Obamacare“), die in Europa so extrem positiv gesehen wird, findet nur bei 40 Prozent der Amerikaner Zustimmung, 60 Prozent lehnen sie ab. Die Wähler sind zudem unzufrieden mit der großen Zahl illegaler Einwanderer und mit den sinkenden Haushaltseinkommen der Mittelklasse.

Das war nach dem Amtsantritt von Obama ganz anders. Zur Amtseinführung Obamas versammelten sich, so erinnert „DIE WELT“, „1,8 Millionen verzückte Amerikaner zur größten Menschenmenge, die Washington D.C. je gesehen hat“. Elf Millionen Deutsche verfolgten das Spektakel live am Fernseher.

Der bekannte Journalist Chris Matthews von dem amerikanischen Nachrichtensender MSNBC sagte damals: „I’ve been following politics since about 5. I’ve never seen anything like this. This is bigger than Kennedy. Obama comes along, and seems to have the answers. This is New Testament.“ Der Newsweek-Redakteur Evan Thomas verklärte Obama gar zu einem neuen Gott: „In a way Obama is standing above the country, above the world. He’s sort of God. He’s going to bring all the different sides together.“ Und der Filmregisseur Spike Lee meinte sogar, mit Obama beginne eine neue Zeitrechnung: „You’ll have to measure time by ‚Before Obama‘ and ‚After Obama’… Everything’s going to be affected by this seismic change of the universe.“

Auch in den deutschen Medien wurde Obama als Heilsbringer gefeiert. DER SPIEGEL machte im Juli 2008 mit einer großen Titelgeschichte auf: „Deutschland trifft den Super-Star“. Gemeint war Obama. In dem Artikel hieß es: „Um Barack Obama rankt sich die Vorstellung, dass er nicht nur Amerika verändern wird, sondern Politik überhaupt. Obama ist die Hoffnung einer westlichen Welt, die sich viele Sorgen macht… Es ist die Stunde für ‚Leadership‘, für Führung. Und nur einem wird zugetraut, diese Führung übernehmen zu können: Barack Obama.“ Der damals einflussreiche CDU-Politiker Norbert Röttgen meinte: „Obama hat eine Stimmung erzeugt, die den Glauben an Politik ermöglicht.“

Was ist von all dem geblieben? Weltpolitisch hat Obama ein Desaster hinterlassen. Sicher, schon Georg W. Bush hat eine schlechte Außenpolitik betrieben. Aber Obama hat es in den acht Jahren danach nicht besser gemacht. Die Libyen-Intervention war ein großer Fehler, der im Ergebnis – nach dem falschen Irak-Krieg von Bush – einen zweiten failed state hinterlassen hat. Die Auswirkungen werden wir im vollen Ausmaß erst noch zu spüren bekommen, auch und gerade in Deutschland und Europa.

Das aggressive Auftrumpfen Putins und die Annexion der Krim sind auch vor dem Hintergrund zu erklären, dass Obama international als extrem schwach wahrgenommen wurde und wird. Wer als Präsident der Vereinigten Staaten zunächst immer wieder nachdrücklich erklärt, was er alles NICHT tun wird, ist für andere eben zu sehr berechenbar.

Andererseits kündigte Obama immer wieder Dinge an – zum Beispiel im Syrien-Konflikt -, die er später nicht einhielt, was den Eindruck der Schwäche bestärkte. Die Welt ist durch Obama nicht sicherer, sondern unsicherer geworden. Das gilt für Europa – wo sich beispielsweise die baltischen Länder durch Russland bedroht fühlen – ebenso wie für Asien. China sah und sieht die Schwäche Obamas ebenso wie Putin, nur dass Chinas aggressive Politik gegenüber Ländern wie Vietnam hierzulande kaum wahrgenommen wird. Ich war in Vietnam, und dort machen sich die Menschen die größten Sorgen. Das geht so weit, dass viele Vietnamesen heute sogar auf die USA hoffen, also ausgerechnet auf jenen Staat, der ihr Land einst zerbombt hat.

Nur vor diesem Hintergrund ist es zu erklären, dass Donald Trump so erfolgreich mit seinem Slogan ist „Make America great again“. Aber es geht nicht nur um die Außenpolitik. Auch mit der sozialen und wirtschaftlichen Situation sind die Amerikaner unzufriedener denn je. Ich lebe derzeit in New York und spüre dort täglich die Unzufriedenheit der Menschen – egal ob deren Sympathien eher bei den Republikanern oder bei den Demokraten sind.

Hat Obama, wie der oben zitierte Journalist meint, das Land zusammengeführt? Nein, es ist heute gespaltener denn je. Der unerwartete Erfolg von Donald Trump und Bernie Sanders überrascht die Deutschen. Aber er überrascht sie nur deshalb, weil sie gar nicht gemerkt haben, wie unzufrieden die Amerikaner nach acht Jahren Obama sind.

Hat Obama wenigstens, was sich viele erhofft hatten, die Situation der schwarzen Amerikaner verbessert? Nein, sie ist schlechter denn je. In einer Rede in Prag zu Beginn seiner Amtszeit versprach Obama eine atomwaffenfreie Welt – heute sind wir weiter davon entfernt denn je, denn weltweit dreht sich die Rüstungsspirale wieder rascher. Das ist nicht seine Schuld, aber er hat Erwartungen geweckt, von denen schon damals klar war, dass sie unrealistisch waren. Auch seine damalige Ankündigung, innerhalb eines Jahres Guantánamo zu schließen, entpuppte sich als Luftnummer, so wie viele andere Ankündigungen und Versprechen auch.

Ja, Obama ist ein großer Redner – sonst wäre es ihm auch nicht gelungen, zwei Mal die Wahlen zu gewinnen. Aber ein guter Präsident war er in beiden Amtszeiten nicht. Ob der Iran-Deal, den Obama als einen seiner größten Erfolge verbucht, wirklich das bringt, was sich viele davon erhoffen, wird sich erst noch zeigen. Die Israelis, die die Hauptbetroffenen sind, glauben nicht daran, und viele Amerikaner sind ebenfalls skeptisch.

Die gesellschaftliche Polarisierung in den Vereinigten Staaten ist heute weitaus größer als vor acht Jahren. An die Stelle einer gemeinsamen amerikanischen Identität und eines gemeinsamen Patriotismus ist ein tief gespaltenes Land getreten. Die Demokraten haben es erfolgreich verstanden, sich als Vertreter von allen Minderheiten zu positionieren – und nun kommt als Gegenbewegung Donald Trump, der von einer Begeisterungswelle weißer Amerikaner getragen wird. Dass die Regierung Obama als eine der letzten Amtshandlungen sich für „Transgender-Toiletten“ einsetzt und dafür einen großen Konflikt vom Zaune bricht (vgl. dazu meinen Artikel: „Amerikas Aufregerthema Nr.2: Wer darf auf welches Klo?“, wird ihre Popularität kaum erhöhen, sondern eher den Eindruck verstärken, dass sie sich mit Randgruppen-Themen beschäftigt statt mit den wirklich wichtigen Fragen, die die Amerikaner berühren.

Die Deutschen haben sich in Obama geirrt, und sie haben es bis heute nicht gemerkt. Aber sie haben sich, was die amerikanische Politik anlangt, nicht das erste Mal geirrt. In den 80er Jahren haben sie Ronald Reagan zuerst ausgelacht (weil er früher in Hollywood-Filmen gespielt hatte) und später dann als unbeherrschten Kriegstreiber dämonisiert. Tatsächlich war er einer der besten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Anders als Obama, der kaum etwas Positives hinterlassen hat, hat Reagan damals durch seine wirtschaftlichen Reformen dafür gesorgt, dass Amerika aus einer tiefen Krise gefunden hat. Davon hatte sogar sein Nachfolger Bill Clinton maßgeblich profitiert – der immerhin so klug war, wichtige Reformen von Reagan nicht zurückzudrehen. Weltpolitisch hat die Politik des bei den Deutschen so verhassten Ronald Reagan maßgeblich dazu beigetragen, dass das kommunistische System zusammengebrochen ist und Deutschland wiedervereint wurde. Es gibt also eine Kontinuität des Irrtums in der Beurteilung amerikanischer Präsidenten durch die deutsche Bevölkerung und auch die durch die deutschen Medien.


24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.