5. Wahlbericht aus den USA:
Fünf Gründe, warum Trump in Umfragen einen großen Sprung nach vorne gemacht hat

Erschienen am 24. Mai 2016

Trump hat in den Umfragen einen großen Sprung nach vorne gemacht. Noch vor kurzem lag Hillary Clinton in allen Umfragen scheinbar uneinholbar im zweistelligen Prozentbereich vor Trump. Nun liegen beide in den Umfragen etwa gleichauf. Bei einer Umfrage der Washington Post/ABC News liegt Trump mit 46 Prozent vor Clinton mit 44 Prozent (eine Woche zuvor lag Clinton noch elf Prozent vor Trump). In einer Umfrage von NBC News/Wall Street Journal liegt Clinton mit 46 Prozent nur noch drei Prozentpunkte vor Trump (Ende April führte sie auch in dieser Umfrage noch mit elf Prozentpunkten Vorsprung). In einer aktuellen Fox News-Umfrage führt Trump mit 45 Prozent vor Clinton mit 42 – im April lag bei Fox Clinton noch mit 48 Prozent vor Trump mit 41.

Seit einigen Wochen laufe ich auf dem Weg zum Mittagessen jeden Tag am Trump Tower auf der 5th Avenue vorbei. Zunächst standen dort nur vereinzelte Reporter. Jeden Tag kann man sehen, wie es mehr werden. Der Trump Tower ist belagert von Reportern mit Fernsehkameras, auf der Straße stehen stets mehrere Übertragungswagen. Die Einlasskontrollen zum Trump Tower (die es vor wenigen Wochen noch nicht gab), werden immer schärfer. Trump, dem zunächst als Außenseiter keinerlei Chancen eingeräumt wurden, wird nun zunehmend als möglicher nächster Präsident der Vereinigten Staaten wahrgenommen.

Wie kam es aber zu diesem Stimmungsumschwung zugunsten von Trump?

  1. Hillary Clinton gilt für viele Amerikaner als Vertreterin des „Washingtoner Establishments“, das sie ablehnen. Täglich werden neue Meldungen mit Listen von großen Banken veröffentlicht, vor denen sie in den vergangenen Jahren für viel Geld Vorträge gehalten hat. Hillary Clinton wird daher von vielen Amerikanern als Vertreterin der unbeliebten „Wallstreet“ angesehen. Die Listen mit den Wallstreet-Firmen, vor denen sie Vorträge gehalten hat und die Listen von Spendern für die Stiftung von ihr und ihrem Mann Bill Clinton führen zum Eindruck der Bestechlichkeit.
  2. Clinton steht unter doppeltem Feuer: Einmal natürlich von Trump, aber, schlimmer noch, aus der eigenen Partei. Ihr Rivale Bernie Sanders gewinnt eine Vorwahl nach der anderen. Trump muss gar nicht viel tun, um Clinton schlecht zu machen. Den Großteil der Arbeit nimmt ihm Sanders ab, dem es gelungen ist, Clinton als käufliche Vertreterin der Wallstreet zu positionieren. Trump zitiert in seinen Reden und Fernsehinterviews genüsslich Bernie Sanders, auf dessen Wähler er schielt. Sehr zum Unmut der Marktwirtschaftler in seiner republikanischen Partei polemisiert Trump gegen das Freihandelsabkommen TTIP mit ähnlichen Argumenten wie Sanders. Und sogar für die Anhebung der Mindestlöhne zeigt er Sympathien. Trump und Sanders bilden derzeit eine Anti-Clinton-Koalition. Offenbar hofft Sanders, der wegen der Superdelegierten-Stimmen von Clinton eigentlich uneinholbar hinter ihr liegt, dass die Ermittlungen wegen Clintons Email-Affäre dazu führen könnte, dass sie aus dem Wahlkampf ausscheiden muss. Das wäre allerdings für Trump schlecht, denn gegen den Linkspopulisten Sanders würde er sich schwerer tun als gegen Clinton.
  3. Trump ist es schneller gelungen als erwartet, viele Anhänger seiner Partei hinter sich zu scharen. Noch im April waren die Nachrichten hier in den USA von Trump-Kritikern wie etwa dem letzten republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney dominiert, der zu seinen schärfsten Kritikern gehört. Nachdem klar ist, dass Trump der Kandidat der Republikaner wird, sind diese Stimmen zunehmend verstummt oder werden zumindest nur noch selten zitiert. Stattdessen melden sich täglich Vertreter der Republikaner zu Wort, die ihr „endorsement“ für Trump erklären. Dazu gehören auch einflussreiche Spender, die Trump nunmehr benötigen wird (die Kosten für den Vorwahlkampf hatte er zum großen Teil aus eigener Tasche finanziert). Und immerhin 82 Prozent der Republikaner-Wähler sagen inzwischen, dass sie hinter Trump stehen. Viele finden sich jetzt einfach mit den Tatsachen (also mit der unausweichlichen Nominierung von Trump) ab und sind für ihn, weil sie ihn für das vermeintlich „kleinere Übel“ halten.
  4. Die Demokraten vermitteln immer mehr den Eindruck, die Probleme der einfachen Amerikaner aus den Augen zu verlieren. Stellvertretend dafür steht die landesweite Debatte über die Toilettenbenutzung von „Transgendern“ – ein abseitiges Thema, das die Obama-Regierung mit einem Ultimatum gegen den Bundesstaat Kentucky auf die Tagesordnung gesetzt hat.
  5. Trump versucht seit einigen Wochen, sich in seinen Reden etwas „gemäßigter“ zu geben. Während es bei den Vorwahlen kaum einen Tag gab, wo er nicht mit neuen radikalen und provokanten Äußerungen zitiert wurde, gibt er sich jetzt etwas „präsidialer“. Damit bestärkt er die Hoffnung derjenigen, die glauben, als Präsident werde er schon nicht so unberechenbar agieren wie als Wahlkämpfer. Ob diese Hoffnung aufgeht, weiß natürlich niemand.

Schon zu einem Zeitpunkt, als Clinton in den Umfragen weit vor Trump lag, habe ich hier geschrieben, dass man ihn nicht unterschätzen solle und ich den Wahlausgang für offen halte. In dieser Einschätzung sehe ich mich durch die jüngsten Entwicklungen eindeutig bestärkt.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.