„Bisher haben die meisten Mieter und Vermieter den Mietpreisspiegel akzeptiert. Das wird sich jedoch ändern. Denn im vergangenen Jahr wurde die Kappungsgrenze für Bestandsmieten auf nur noch 15 Prozent in drei Jahren reduziert. Bereits in diesem Zusammenhang gab es von Berliner Vermietern erste Klagen gegen den Mietspiegel…. Mit einer wahren Prozessflut ist zu rechnen, wenn erst einmal die Mietpreisbremse eingeführt wird, da der Mietspiegel dann – anders als bisher – auch für die Vereinbarung der Miethöhe bei Neuvermietungen maßgeblich ist.“ Das hatte ich bereits im September 2014 in meinem Kommentar im Newsletter „Berliner Zinshäuser“ vorausgesagt.
Das Urteil des Amtsgerichtes Charlottenburg (235 C 133/13) ist also keine Überraschung – und vor allem: Es ist erst der Anfang. Nach Einführung der Mietpreisbremse wird der Mietspiegel ganz erheblich an Bedeutung gewinnen, weil bei der Neuvermietung von Bestandswohnungen die Miete nur noch 10% oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Ich rechne mit einer Prozessflut, die deutschlandweit die Mietspiegel aushebeln wird.
Die Mietspiegel waren schon bisher in den meisten Fällen methodisch fragwürdig. Auch wenn die Ersteller sie selbst als „qualifiziert“ bezeichneten, dann waren sie das in Wahrheit nicht. Denn § 558d BGB verlangt von einem qualifizierten Mietspiegel, dass dieser nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt sein muss.
In Wahrheit handelt es sich bei den Mietspiegeln jedoch oft um politische Kompromisse, ausgehandelt zwischen Mieter- und Vermieterverbänden. Die Methoden, mit denen sie erstellt werden, halten einer Überprüfung nicht stand. Der Berliner Mietspiegel ist nur eines von vielen Beispielen. Er ist methodisch keineswegs schlechter als Mietspiegel in anderen Städten.
Das aktuelle Urteil des Amtsgerichtes Charlottenburg ist vernichtend: Der Sachverständige, auf dessen Gutachten sich das Gericht bezog, kam zu dem Ergebnis, „dass der Berliner Mietspiegel nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei. Er führt hierzu aus, dass die dem Mietspiegel zu Grunde liegende Stichprobe beträchtliche Zweifel hinsichtlich ihrer Repräsentativität erlaube, die Definition der Mietspiegelzellen und die Zuordnungen der Wohnungen zu diesen Zellen stellenweise systemwidrig sei, die bei der Berechnung der Nettomieten in Anschlag gebrachten Abschläge für Betriebskosten nicht der Mietenwirklichkeit entsprechen würden und die per Regressionsanalyse ermittelten Zu- und Abschläge lediglich Fantasieprodukte seien. Sie würden im Wesentlichen auf Annahmen und Vermutungen beruhen, deren Berechtigung nur ungenügend nachgewiesen sei.“
Das Gericht ließ offen, ob es diese Feststellungen des Sachverständigen in allen Punkten teilt. Es genügten schon zwei massive Fehler, die das Gericht zu dem Schluss kommen ließen, dass der Mietspiegel nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde. Es stehe fest, dass
- die von den Erstellern des Berliner Mietspiegels 2013 vorgenommenen Extremwertbereinigung nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgt ist und somit bereits in der Datenerhebung grundsätzlich mietspiegelrelevante Mieten im Mietspiegelfeld K1 nicht berücksichtigt wurden.“
- darüber hinaus… auch die Einordnungen der verschiedenen Wohnlagen in die Kategorien ‚mittel‘, ‚gut‘ und ‚einfach’… nicht anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen (entspricht)“, da sich beispielsweise in mittleren Wohnlagen sehr heterogene Wohnungen befinden würden.
Wie geht es weiter? Die Mietspiegel werden in vielen Prozessen zerschossen werden. Es ist schon eine regelrechte Frechheit des Gesetzgebers, ein Gesetz zu verabschieden, von dem bereits vorher feststeht, dass es zu extrem vielen Rechtsstreitigkeiten führen wird. Denn bereits in der offiziellen Begründung zum Mietpreisbremsen-Gesetz schrieb das Ministerium, dass aufgrund der Mietpreisbremse mit einer Häufung von Zivilprozessen zu rechnen sei!
Vielleicht ist das der SPD aber auch gerade recht, denn sie bereitet derzeit einen großen, gefährlichen Schlag gegen Immobilieneigentümer vor: Die Beamten des Bundesjustizministeriums arbeiten schon seit Monaten mit Hochdruck an der Formulierung eines neuen Gesetzes, das die Erstellung der Mietpreisspiegel verbindlich regeln soll. Ich weiß das aus erster Hand, aus dem Bundesjustizministerium.
Insofern kommen Urteile wie das des Amtsgerichtes Charlottenburg dem Mieterbund und der SPD sehr gelegen, weil sie argumentieren werden, man sehe daran, wie wichtig eine gesetzliche Regelung zur Methodik der Mietspiegel sei. Schließlich kann die Mietpreisbremse ohne anerkannte Mietspiegel kaum funktionieren.
In Wahrheit geht es der SPD dann jedoch darum, in diesem Zusammenhang eine gesetzliche Grundlage zur Senkung der Mieten zu schaffen. Denn der Mietspiegel soll nach dem derzeit in Vorbereitung befindlichen neuen Gesetz nicht mehr – wie bisher – auf Basis der Mieten der letzten vier Jahre berechnet werden, sondern auf Basis der Mieten der vergangenen zehn Jahre!
Die CDU behauptet, sie würde da nicht mitmachen. Darauf würde ich mich nicht verlassen. Die CDU ist bisher immer umgefallen. Was die SPD heute will, ist spätestens übermorgen Gesetz – ob nun Mietpreisbremse, Mindestlohn, Rente mit 63, Ausstieg aus der Kernenergie oder dann eben beim neuen Mietspiegelgesetz. Vielleicht wird es einen „Kompromiss“ geben, nachdem der Mietspiegel auf Basis der Mieten der vergangenen sechs oder sieben Jahre berechnet wird. Schlimm genug. Es ist also Gefahr im Verzug.