Am 13. Juli 2007, also vor 15 Monaten, als die meisten Beobachter glaubten, der Höhepunkt der Finanzkrise sei überschritten, warnte ich eindringlich vor einer „künftigen globalen Finanzkrise… wie es sie in der Geschichte noch niemals gegeben hat“ (NEWS 33/07). Diese Finanzkrise ist jetzt da – und sie ist mit voller Wucht auch in Deutschland angekommen.
Die deutsche Politik trifft diese Entwicklung jedoch völlig unvorbereitet. Das chaotische und widersprüchliche Agieren von Angela Merkel und Peer Steinbrück zeigt, dass es keinerlei Vorbereitungen der Politik für den Ernstfall gegeben hat. Während die Politiker über Pendlerpauschalen und Gesundheitsfonds stritten, braute sich eine Krise zusammen, die sie nicht verstehen und nicht managen können.
Ein erschreckendes Beispiel für das Unvermögen der Politiker ist das Agieren von Peer Steinbrück. So hatte Steinbrück vor einer Woche verkündet, die von der Hypo Real Estate erbrachten Sicherheitsleistungen (Wertpapiere, Kreditforderungen etc.) hätten ein Volumen von 42 Mrd. Euro. Das Risiko des Bundes als Bürge sei deshalb „nahe Null“, so zitiert die FAZ vom 1.10. den Finanzminister. Bundesbank und BaFin wiesen jedoch darauf hin, dass die Papiere nur einen Beleihungswert auf Basis der derzeitigen Marktpreise von 15 Mrd. Euro hätten. Steinbrück hatte so nebenbei mal den Nominalwert mit dem aktuellen Beleihungswert verwechselt (auf solche Feinheiten kommt es ja letztlich auch nicht an…). Die Deutsche Bank musste Steinbrück jetzt vorrechnen, dass auch die 35 Mrd. Euro, auf die man sich vorübergehend als Rettungspaket geeinigt hatte, keineswegs ausreichen werden. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG berichtet am 5.10., die Deutsche Bank und andere Banken hätten ihre Zusage zur Beteiligung an dem erst Freitag Nacht verabschiedeten Rettungspaket zurückgezogen, da die Hypo Real Estate allein dieses Jahr bis zu 50 Mrd. Euro benötige. Bis Ende 2009 könnten sogar bis zu 100 Mrd. Euro nötig werden, so heißt es. Steinbrücks Sprecher zeigte sich darüber „überrascht“ und kündigte am Samstag an, am Sonntag Fakten zu sammeln. Keine schlechte Idee.
Das Agieren von Steinbrück in der vergangenen Woche war außerordentlich chaotisch. Zunächst erklärte der Finanzminister öffentlich, die Hypo Real Estate werde nun abgewickelt. Dem musste dann sogar BaFin-Chef Jochen Sanio ausdrücklich öffentlich widersprechen: „Der Kredit wurde der Bank gewährt, um ihre Liquiditätsschwierigkeiten zu beseitigen, nicht um sie zu liquidieren“, so korrigierte Sanio den Bundesfinanzminister. Wenn Bundesbank und BaFin den Finanzminister gleich mehrfach öffentlich korrigieren müssen, dann zeigt dies, wie verzweifelt sie über die Politiker sind, die fachlich mit der Situation völlig überfordert sind.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG schreibt jetzt: „Zugleich werfen Bankmanager Steinbrück vor, er und sein Ministerium hätten in der vergangenen Woche durch widersprüchliche Aussagen zur Zukunft der Bank an den Finanzmärkten gesorgt. Steinbrück sei deshalb mitverantwortlich für das Scheitern des Rettungspaketes.“ Die WELT AM SONNTAG zitiert den Europa-Chefsvolkswirt der Deutschen Bank mit den Worten: „Indem sie nur von Fall zu Fall reagieren will, riskiert die Bundesregierung, dass ihr eine Bank nach der anderen vor die Tür fällt… Das könnte am Ende viel teurer werden.“
Offenbar sind sich die Politiker bisher auch nur sehr unzulänglich darüber bewusst, was es heißt, dass einige europäische Banken Staatsgarantien haben und andere nicht.
Irlands Banken genießen seit einigen Tagen eine Staatsgarantie – und das Geld britischer und anderer Banken und Anleger fließt logischerweise in Strömen nach Irland. Bei einigen Schweizer Banken wie etwa den Kantonalbanken haftet der Schweizer Staat unbegrenzt, so dass logischerweise Milliardensummen zu diesen Banken fließen. Diese Entwicklung wird auch noch einigermaßen gesunden Banken bald zu schaffen machen, weil es Banken zweier Klassen gibt – solche mit und solche ohne Staatshaftung. Spricht sich das erst einmal herum, wird das Bankensystem aus dem Gleichgewicht kommen. Die einen Banken werden mit Geld überflutet, die anderen geraten in eine Liquiditätsklemme. Und in Deutschland spielt der Staat seit Juli sogar selbst Bank und gibt hohe Zinsen für Tagesgeld, das er verschämt als „Tagesanleihe“ bezeichnet. Je mehr sich dies herumspricht, umso mehr Geld wird auch dorthin fließen.
Vor einer Woche warnte ich in den IMMOBILIEN NEWS vor einer allgemeinen Panik, die jetzt in Deutschland entstehen werde. Da die Deutschen ohnehin sehr viel ängstlicher sind als die Bürger anderer Staaten, würde eine Panik hierzulande besonders dramatische Formen annehmen und früher ausbrechen als in anderen Ländern.
Die Angst vor einer Panik ist jetzt auch bei der Bundesregierung angekommen. Gestern hat Angela Merkel deshalb eine „Garantie“ für die Einlagen der Sparer bei deutschen Banken gegeben. Was diese „Garantie“ rechtlich bedeutet, kann jedoch niemand sagen. Finanzminister Steinbrück konnte eine entsprechende Frage im Interview mit den „Tagesthemen“ um 22.50 jedenfalls nicht beantworten und gab deutlich zu erkennen, dass er selbst nicht einmal eine vage Vorstellung davon hat, was diese Garantie denn bedeuten soll.
Niemand weiß, welche Einlagen in welcher Höhe damit geschützt werden – und welche nicht. Ich bleibe deshalb bei dem, was ich häufiger an dieser Stelle geschrieben habe: Gut dran ist derjenige, der Immobilien oder Gold besitzt und der im übrigen jedenfalls höhere Geldsummen so parkt oder anlegt, dass der Staat dafür uneingeschränkt gerade stehen muss. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, dass in der allgemeinen Atmosphäre des Sozialneides und der Hatz auf Vermögende und „Besserverdienende“ am Ende die Merkel-Garantie für private Vermögen nach oben gekappt wird. Im nächsten Schritt erwarte ich eine Erhöhung der „Reichensteuer“, eine Wiedereinführung der Vermögensteuer oder einen „Finanzkrisen-Soli“, um die staatlichen Hilfen für die Hypo Real Estate und andere Banken zu finanzieren.
Die meisten Politiker reagieren auf die Krise hilflos mit „Regulierungs“-Forderungen und mit Schimpfkanonaden auf Manager. Die EU-Finanzminister wollen in dieser Woche eine Erklärung verabschieden, dass künftig EU-weit Managergehälter beschränkt werden sollen – sozialer Populismus und billige Sündenbock-Reflexe statt reflektierte Analyse der Krise.
Politiker glauben, eine bessere Aufsicht durch den Staat bzw. durch sie selbst könne ähnliche Katastrophen verhindern. Merkwürdig nur, dass in Deutschland die am besten von der Politik beaufsichtigten Banken – KfW und Landesbanken – die mit Abstand größten Probleme hatten.
Die Politiker werfen den Bankvorständen vor, dass sie ihre eigenen Produkte nicht mehr verstanden hätten. Das mag sein. Aber verstehen die Politiker denn mehr davon? Ist der Staat der rettende Ritter, der alles richten wird? Oder will man Komplexität einfach „verbieten“?! Hat man nicht verstanden, dass die nicht-intendierten Folgen staatlicher Eingriffe eine der wichtigsten Ursachen für spätere Katastrophen sind – was schon Klassiker der Wirtschaftswissenschaft wie Hayek überzeugend nachgewiesen haben?
Die tiefere Ursache für die jetzige Krise liegt gerade darin, dass der amerikanische Staat – durch die Notenbank Fed – viel zu stark in die Finanzmärkte eingegriffen hat und durch die Zinssenkungspolitik die Ursache für die jetzige Krise gelegt hat.
Das japanische Beispiel sollte uns zu denken geben: Auch dort kam die Krise niemals richtig zum Ausbruch, sondern über mehr als ein Jahrzehnt laborierte die Regierung an den Folgen der Krise und stützte das Bankensystem. Mehr als ein Jahrzehnt Depression und Deflation waren die Folge und der japanische Aktienmarkt dümpelt seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten vor sich hin.
Wie die Menschen nur zwanzig Jahre nach dem dramatischen Scheitern von staatswirtschaftlichen Systemen zu der Meinung gelangen, „mehr Staat“ sei das Allheilmittel, ist mir schleierhaft. Ich vertraue jedoch darauf, dass es insbesondere in den USA und in Großbritannien eine marktwirtschaftliche Tradition gibt, die verhindern wird, dass sich dort ein System der Staatswirtschaft ausbreiten wird.
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