„Ich erwarte jedoch, dass die Steuerorientierung, vor allem auch für den Bereich der Wohnimmobilien… in einigen Jahren vielleicht sogar verstärkt wiederkommen wird… Wenn der Gesetzgeber aber das marktwirtschaftliche Spiel von Angebot und Nachfrage durch Überregulierung einschränkt bzw. in weiten Bereichen außer Kraft setzt, wenn also Mieten künstlich niedrig gehalten und das Bauen teuer gemacht wird, dann führt dies zu niedrigen Renditen, die im Wettbewerb mit alternativen Kapitalanlagemöglichkeiten nicht mithalten können.
Solange also das Mietrecht nicht liberalisiert wird – und dies will außer der FDP derzeit keine Partei in Deutschland -, werden weiterhin Steuervorteile notwendig sein, damit genügend Kapital in den Mietwohnungsbau fließt. Die Politik mag diese Zusammenhänge manchmal aus dem Auge verlieren, wenn sie kurzatmig ‚Steuerschlupflöcher für Abschreibungskünstler‘ schließt, aber die Erfahrung zeigt, dass eine solche Politik schon nach wenigen Jahren zu einer Verknappung des Wohnungsangebotes führt, sodass dann wiederum die Notwendigkeit entsteht, gegenzusteuern, also neue Steuervorteile und damit Investitionsanreize zu gewähren.“
Diese Zeilen habe ich nicht etwa vor wenigen Wochen oder Monaten geschrieben, sondern im September 1999 in meinem Buch „Reich werden mit Immobilien“ (S. 64 f.), und zwar kurz nach der Beendigung der Sonder-AfA des Fördergebietsgesetzes.
14 Jahre später:
Arnold Vaatz, Mitglied im CDU-Bundesvorstand und Fraktionsvize der Unionsfraktion im Bundestag, erklärt im Interview mit der IMMOBILIEN ZEITUNG vom 4. Juli, man brauche eine „Sonder-AfA“ für den Wohnungsbau. Diese soll sozusagen als Gegengift gegen die von der Union geforderte „Mietpreisbremse“ wirken. Vaatz: „Einerseits möchten wir die Gefahr von Mietexplosionen eindämmen. Andererseits wollen wir keinen Investitions-Attentismus. Es nutzt ja niemandem, wenn viele Menschen, die eigentlich bereit sind, Geld in den Wohnungsmarkt zu investieren, jetzt aus Angst ihr Portemonnaie wieder fest zumachen. Wer befürchtet, dass so ein Effekt eintritt, muss was dagegen tun.“ Auf die Nachfrage der IMMOBILIEN ZEITUNG, was ihm konkret vorschwebe, antwortete er: „Neue Anreize durch eine Sonder-AfA“.
Da kommen natürlich Erinnerungen an die alte Sonder-AfA Ost hoch. In den neunziger Jahren wurden Neubaumaßnahmen in Berlin und den neuen Bundesländern durch die Sonder-AfA gefördert: Bei Neubaumaßnahmen konnten bis Ende 1996 50% der Herstellungs- oder Anschaffungskosten abgeschrieben werden. Das besondere Bonbon bei der Sonder-AfA war, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen hatte, die Sonderabschreibung in den ersten fünf Jahren frei zu verteilen, sodass der Steuerbürger die Höhe der in jedem Jahr vorgenommenen Abschreibung flexibel seinem zu versteuernden Einkommen anpassen konnte.
Steuervorteile in ganz dieser Höhe werden noch nicht gefordert. Aber der wohnungspolitische Sprecher der FDP erklärte bereits, für einen Zeitraum von drei Jahren sollten erhöhte Abschreibungen zwischen 8% und 10% gewährt werden, danach 4% p.a. Das wären in fünf Jahren zwar keine 50%, aber immerhin schon mal 38%.
Auch die CDU/CSU spricht sich in ihrem Wahlprogramm für die Wiedereinführung der degressiven AfA aus. Über die Höhe wird nichts gesagt. Zur Erinnerung: Bis 1995 konnten im Rahmen der degressiven AfA über 4 Jahre 7% abgeschrieben werden und danach 6 Jahre lang 5%, also 58% in zehn Jahren. Später wurden dann die Abschreibungssätze sukzessive reduziert.
Auch der Mieterbund fordert vehement eine Erhöhung der Abschreibungssätze, und zwar von 2% auf 4%. Und selbst die wohnungspolitische Sprecherin der GRÜNEN zeigt sich offen für eine moderate Erhöhung der Abschreibung.
Die Logik dahinter ist klar: SPD, Grüne, Linke und CDU/CSU fordern bekanntlich die Einführung einer „Mietpreisbremse“. Längerfristig sollen die Mieten festgefroren werden, und zwar durch eine Deckelung der Miethöhe bei der Wiedervermietung. Da man inzwischen verstanden hat, dass dies genau das Gegenteil des Intendierten bewirken wird, nämlich eine Erdrosselung des Wohnungsneubaus, will man dann gleichzeitig durch Steuervorteile gegensteuern.
Das ist alles vollkommen absurd. Erst kündigt man an, stark auf die Bremse treten zu wollen, und aus Angst, das Auto könne dann wirklich stehenbleiben, kündigt man an, gleichzeitig Gas zu geben.
Was also wird geschehen?
- Wenn es nach der Bundestagswahl eine Koalition ohne die FDP geben sollte, wird eine Große Koalition oder eine Linksregierung eine sogenannte Mietpreisbremse einführen, d. h. die Deckelung der Mieten bei Neuvermietungen.
- Gleichzeitig wird man die degressive AfA wieder einführen oder zumindest die derzeitigen AfA-Sätze für den Wohnungsneubau verdoppeln.
- Wenn man dann feststellt, dass das keineswegs ausreicht, um die negativen Wirkungen der Mietpreisbremse zu kompensieren, wird man dann noch größere Steuervorteile einführen, d. h. die Abschreibungssätze deutlich erhöhen.
- Dies wird den Wohnungsneubau dann tatsächlich ankurbeln, jedoch mit zahlreichen Fehlallokationen von Kapital.
- Nachdem die Investoren dann das tun, was sie tun sollen, also steuerbegünstigt in den Wohnungsneubau investieren, wird die Politik sie einige Jahre später aus „Dankbarkeit“ als üble „Abschreibungskünstler“ beschimpfen und lautstark die Schließung jener „Steuerschlupflöcher“ fordern, die sie eben noch selbst beschlossen hatte. Die Politik wird dabei auch nicht davor zurückschrecken, rückwirkend Verlustausgleichsmöglichkeiten zu beschränken, so wie seinerzeit mit § 2 Abs. 3 EStG geschehen.
- Inzwischen ist es jedoch durch die Steuervorteile zu erheblichen Fehlallokationen gekommen. Man hat die Länder ermächtigt, in bestimmten Städten die Steuervorteile einzuführen, weil man eine flächendeckende Erhöhung der Abschreibung (die auch wegen des EU-Rechts problematisch wäre) vermeiden will. Da es jedoch kaum möglich ist, dies zielgenau auszutarieren, wird dann genau dort gebaut, wo die Grundstücke noch vergleichsweise billig sind, also z. B. in Berlin-Spandau oder Marzahn.
- Die in manchen Gebieten durch die Fehlallokation gestiegenen Leerstandsraten wird man reduzieren, indem erneut Steuergelder für den Abriss dieser Immobilien ausgegeben werden, so wie seinerzeit im Rahmen des sogenannten Stadtumbau Ost. (Im Rahmen dieses Programms wurden in den vergangenen zehn Jahren 2,7 Mrd. Euro an Steuergeldern ausgegeben, damit 300.000 Wohnungen in den neuen Bundesländern abgerissen werden konnten, die in den 90er Jahren wegen des Fördergebietsgesetzes zu viel gebaut worden waren.)
Alles Fantasie? Nein. (Fast) alles – mit Ausnahme der Mietenbegrenzung für die Wiedervermietung – schon mal dagewesen. Ich glaube, Hegel hat einmal gesagt, das einzige, was man aus der Geschichte lernen könne, sei, dass die Menschen nichts aus ihr lernen.