Corona: Warum sind wir nicht bereit, von Asien zu lernen?

Erschienen am 4. November 2020

„Der Mensch hat drei Wege, klug zu handeln. Erstens durch Nachdenken, das ist der edelste. Zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste. Drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.“

Das Zitat stammt von dem chinesischen Philosophen Konfuzius.

Nachahmung ist der leichteste Weg, um zu lernen. Kleine Kinder lernen, indem sie ihre Eltern nachahmen. Und Kinder lernen unglaublich schnell. Als Erwachsene betonen wir gern unsere eigene Originalität und schämen uns, wenn wir jemanden nachahmen – das gilt besonders in Europa und den USA. Asiaten denken darüber ganz anders.

Warum eigentlich? Schon Salomon sagte: „Der Weise lernt von den Erfahrungen anderer, der Tor muss alle Erfahrungen selbst machen.“

In der Wirtschaft ist es ganz normal, dass man sich erfolgreiche Unternehmen anschaut und sich im Sinne von „Best Practice“ an deren Geschäftsmodellen orientiert. Sam Walton, Gründer der großen amerikanischen Einzelhandelskette Walmart, bekannte: „Fast alles, was ich getan habe, habe ich von jemand anderem kopiert.“ Er wurde damit einer der reichsten Amerikaner.

Im Sport analysiert man Trainingsstrategien der Champions und versucht, daraus zu lernen.

Nur die Politik scheint unfähig dazu zu sein, von Erfahrungen anderer Länder zu lernen, jedenfalls in Europa und den USA. Chaotisch wird in der Corona-Bekämpfung mal dieses und mal jenes ausprobiert, heute Lockdown, morgen Öffnung, übermorgen wieder Lockdown. Wir sehen in Europa und den USA ein grandioses Staatsversagen – und das verwundert eigentlich nicht. Schließlich versagt der Staat ja nicht nur in der Pandemiebekämpfung, sondern auch sonst. Europa ist seit Jahren nicht in der Lage, seine Grenzen wirksam zu sichern. Die Infrastruktur ist in einem katastrophalen Zustand – in Europa wie in den USA. Der Staat konzentriert sich in Europa ganz und gar darauf, die Menschen mit immer neuen Sozialprogrammen zu beglücken und durch Überregulierung Sand ins Getriebe der Wirtschaft zu streuen. Deutschland ist ein besonders trauriges Beispiel, da hier im Moment mutwillig die Kernindustrie – die Autoindustrie – durch planwirtschaftliche Regulierungen zerstört wird.

Überall werden Freiheitsrechte der Bürger eingeschränkt, nur der Datenschutz ist (scheinbar) heilig. Wie anders könnte man es erklären, dass in Deutschland eine App entwickelt wurde, die zwar die Daten höchst wirksam schützt, aber nicht die Menschen? Der Beitrag der App zur Pandemie-Bekämpfung ist gleich Null. Das hat sie mit vielen anderen Maßnahmen gemeinsam, die sogar schlimmer sind als Nichts-tun, weil sie nur falsche Illusionen vermitteln.

In Deutschland heißt es, die Testkapazitäten seien bald aufgebraucht. In China wurden unlängst in einer einzigen Stadt neun Millionen Einwohner in fünf Tagen getestet. China baute ein Krankenhaus mit 1000 Betten in eineinhalb Wochen. Aber sobald man auf China zu sprechen kommt, wird reflexartig darauf hingewiesen, dies sei eben eine Diktatur und daher könne man für freiheitliche Gesellschaften daraus nichts lernen. Warum braucht man eine Diktatur, um genug Tests für die Menschen bereit zu stellen? Niemand sagt, dass man das Vorgehen der Chinesen blind kopieren sollte. Aber was spricht dagegen, von ihnen zu lernen?

Zu Beginn der Coronakrise in Deutschland erklärte Bundeskanzlerin Merkel, Masken seien vollkommen wirkungslos. Ich habe mich damals schon gewundert: Warum tragen dann die Asiaten, die viel mehr Erfahrungen mit solchen Epidemien haben, fast alle Masken?

Übrigens braucht man gar nicht nur auf China zu schauen. Auch demokratische Länder, wie etwa Taiwan, Singapur und Südkorea, haben das Virus viel wirksamer bekämpft als Europäer und Amerikaner. Warum lernen wir nicht von Asien? Boris Palmer (Grüne) ist einer der wenigen, die es auf den Punkt gebracht haben: „Taiwan hat es geschafft, die lokale Transmission seit 200 Tagen komplett zu unterbinden. In einem Volk von 23 Millionen Einwohnern und einer dicht besiedelten Metropolregion wurde nicht eine einzige Infektion weitergegeben, obwohl es immer wieder zu Einträgen durch Reisende gekommen ist. Südkorea, mit 50 Millionen Einwohnern fast so groß wie Italien, hat bereits die zweite Welle komplett gebrochen. Im ganzen Land wurden an einem Tag nie mehr als 250 Infektionen registriert. Das geschieht derzeit in Deutschland in weniger als einer Stunde.“

Ja, all dies ist mit Freiheitseinschränkungen verbunden. Aber in Europa gibt es teilweise viel schärfere Freiheitseingriffe – so etwa in das Recht zur freien Berufsausübung. Freiheitseingriffe sind in einer Pandemie nicht zu vermeiden, aber sie müssen angemessen und wirksam sein. Beides ist in Europa nicht der Fall. Die Freiheitseinschränkungen sind weder angemessen noch sind sie wirksam. Wir sind bereit, die Wirtschaft lahmzulegen und Tausende Existenzen zu vernichten, aber der Datenschutz ist uns heilig. Leider bestätigt die Coronakrise nur einmal mehr den Befund: Der Staat ist dort stark, wo er schwach sein sollte (in der Wirtschaft), aber er ist doch schwach, wo er stark sein sollte.

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