Das Schneeballsystem des billigen Geldes

Erschienen am 10. Juni 2014

Manche Leser haben mich gefragt, warum ich in den vergangenen Monaten nicht mehr die Situation an den Finanzmärkten und die Politik der Zentralbanken kommentiert habe. Die Antwort: Weil mir dazu nichts mehr einfällt. Und weil ich Sie, liebe Leser, nicht damit langweilen möchte, dass ich mich wiederhole.

Dennoch möchte ich die jüngsten Beschlüsse der EZB zum Anlass nehmen, meine hier seit Jahren vertretene Meinung (siehe hier in diesem Blog) zu bekräftigen:

Die Ursachen der weltweiten Finanzkrise lagen weder in der „Gier der Banker“ noch in einer mangelnden Regulierung der Finanzmärkte, sondern vielmehr in der Politik des billigen Geldes. Greenspan reagierte auf den Börsencrash im Jahr 2000 mit einer Politik des extrem billigen Geldes in den folgenden Jahren. Die Zinsen wurden immer weiter gesenkt. Damit wurde eine weltweite Assetpreis-Inflation ausgelöst, insbesondere eine Hauspreisblase in den Vereinigten Staaten. Nachdem diese Blase 2008 geplatzt war, reagierte die Fed damit, dass die Krise genau mit den Mitteln bekämpft wurde, die sie ausgelöst hatten, nämlich mit noch billigerem Geld.

Natürlich beruhigte dies die Situation vorübergehend – so wie sich ein Drogensüchtiger beruhigt, wenn man ihm nur genügend neuen Stoff gibt. Geheilt wird damit jedoch weder der Drogensüchtige noch wurden die Probleme an den Finanzmärkten gelöst.

Die Asset-Preis-Inflation setzt sich in allen Segmenten fort – am Aktienmarkt wie am Immobilienmarkt. Die Zentralbanken haben längst ihr Pulver verschossen und müssen zu immer neuen, „unkonventionellen“ Maßnahmen greifen, damit das Kartenhaus nicht zusammenbricht. Der Preismechanismus, der elementar für ein Funktionieren der Marktwirtschaft und für die Allokation von Kapital ist, wird seit Jahren außer Kraft gesetzt.

Verbunden wird dies mit einer geradezu absurden Überregulierung in sämtlichen Bereichen der Finanzindustrie, die zu massiven Kosten führt und die die Funktionsfähigkeit des Bankensystems ernsthaft zu gefährden droht. Die Regulierung ist Ergebnis einer fatalen Fehlprognose der Politik, die die Meinung vertritt, mangelnde Regulierung sei der Grund für Verwerfungen an den Finanzmärkten.

Dabei ist die Situation in Europa noch ernster als in den Vereinigten Staaten. Denn während in den Vereinigten Staaten Rahmenbedingungen wie die demografische Entwicklung, sinkende Energiepreise usw. für positive Impulse sorgen, wirken in Europa zusätzlich zu allen anderen Problemen die auf Dauer nicht tragfähige Konstruktion des Euro sowie die Situation der Realwirtschaft in Frankreich, Italien und anderen Ländern belastend.

Niemand weiß, wie lange das alles noch gut gehen wird. Jeder redet sich ein: „Alles wird gut.“ Ich selbst ertappe mich manchmal dabei, wie das „Vielleicht-wird-doch-alles-gut“-Wunschdenken die rationale Analyse der Gefahren überlagert. Je länger das Spiel dauert, desto weniger wachsam werden die Marktteilnehmer, und die Warner stehen irgendwann als unverbesserliche Schwarzseher und Pessimisten da.

Und Anlegern bleibt nichts anderes übrig, als sich dumm zu stellen und das Spiel mitzuspielen. Da in den Anleihemärkten kein Geld mehr zu verdienen ist, bleibt keine Alternative zu Aktien und Immobilien. Jeder sollte sich jedoch der Gefahr bewusst sein, die mit Investitionen auf dem derzeitigen Preisniveau verbunden ist. Die gilt besonders dann, wenn solche Investitionen mit sehr hoher Fremdfinanzierung gehebelt werden, was angesichts der extrem niedrigen Zinsen natürlich allzu verführerisch ist.

Was geschieht, wenn die Party irgendwann zu Ende ist und das Schneeballsystem des billigen Geldes zusammenbricht? Die Politik wird dann die Schuldigen wieder bei den „gierigen Bankern“, den „verantwortungslosen Managern“ und ganz generell bei „den Reichen“ suchen. In der nächsten Phase der Krise wird diese nicht mehr von den Staaten finanziert, sondern die Staaten werden „die Reichen“ mit Vermögensabgaben und exorbitanten Steuersätzen zur Kasse bitten.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.