DDR-Mauer und Ungarns Grenzzaun – eine unappetitliche Parallele

Erschienen am 19. Oktober 2015

Der von Ungarn errichtete Zaun wurde und wird in der politischen Debatte in Deutschland immer wieder mit der DDR-Mauer verglichen. Die teils offen und teils unterschwellig gezogenen Analogien zeigen nur die Irrationalität der gegenwärtigen „Flüchtlingsdebatte“.

Ja, Stacheldraht gab es an der DDR-Grenze und gibt es nun auch an Ungarns Grenze. Aber beide Grenzen haben ansonsten nicht das Geringste miteinander gemein, auch wenn dies in der Debatte immer wieder insinuiert wird.

Politisch sehe ich Ungarns Staatschef Orban durchaus nicht unkritisch. Ein Liberaler ist er ganz bestimmt nicht. Dennoch ist es absurd, die DDR-Diktatur und Ungarn oder gar die Berliner Mauer und den ungarischen Zaun gleichzusetzen. Die DDR-Mauer wurde 1961 errichtet, weil Millionen Menschen aus dem unfreien sozialistischen in den freien kapitalistischen Teil Deutschlands fliehen wollten. Nur die DDR-Führung selbst behauptete, dass es sich bei der Mauer um einen „antifaschistischen Schutzwall“ handle, der das Eindringen von faschistischen Agenten aus Westdeutschland verhindern solle. Außer einigen strammen Kommunisten glaubte das allerdings kein Mensch. Und wahrscheinlich glaubten es nicht einmal die.

An der DDR-Mauer starben nach unterschiedlichen Angaben zwischen 140 und 240 Menschen. Menschen, die erschossen wurden, weil sie aus dem DDR-Staatsgefängnis fliehen wollten. Wer diese unmenschliche Grenze einer Diktatur gleichsetzt mit den Grenzbefestigungen, die notwendig sind, um die Reisefreiheit innerhalb Europas weiter gewährleisten zu können, diskreditiert sich selbst.

Die Reisefreiheit innerhalb der EU und die Sicherung der Außengrenzen bedingen sich gegenseitig. Wenn Länder wie Griechenland ohne jede Kontrolle alle Zuwanderer einreisen lassen, die dann nach Deutschland weitergeschleust werden, dann bleibt auch Deutschland nichts anderes übrig, als Grenzkontrollen und Grenzsperren einzurichten. Der Chef der Polizeigewerkschaft Wendt hat gestern in einem Interview mit der WELT AM SONNTAG solche Grenzbefestigungen zur österreichischen Grenze gefordert, da die Situation außer Kontrolle geraten ist.

Grenzkontrollen und Grenzsperren sind durchaus ein legitimes Mittel, um das Hoheitsgebiet eines Staates zu schützen. „Hieran“, so stellt der führende Verfassungsrechtler Rupert Scholz im aktuellen FOCUS fest, „ändert für die Europäische Union auch der Vertrag von Schengen nichts. Dieser garantiert zwar innerhalb der EU prinzipielle Freizügigkeit, er erkennt aber durchaus das Recht der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten an, Ausnahmen von der Freizügigkeitsgewähr gerade zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu verfügen.“


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.