Der französische Anti-Merkel: Fillons Sieg – Hoffnung für Frankreich und Europa

Erschienen am 27. November 2016

François Fillon wird in Frankreich am 7. Mai als Kandidat der Republikaner ins Rennen um die Präsidentschaft gehen. Vor allem sein Wirtschaftsprogramm überzeugt. In fast allen wesentlichen Positionen vertritt er das Gegenteil von Merkels Politik. Fillon ist ein Politiker nach meinem Geschmack – eine Synthese von FDP-Lindner (sozialpolitisch) und CSU-Seehofer (innenpolitisch).

„Das französische Sozialmodell existiert nicht mehr“

Am vergangenen Donnerstag sagte Fillon im TV-Duell mit seinem innerparteilichen Widersacher Alain Juppé: „Das französische Sozialmodell existiert nicht mehr.“ Macht Fillon wahr, was er verspricht, dann wäre das die radikalste marktwirtschaftliche Reform in Europa seit Margaret Thatcher, die er sehr bewundert:

  • Das Renteneintrittsalter soll von 62 auf 65 Jahre angehoben werden.
  • 500.000 Beamtenstellen sollen abgebaut werden, Beamte sollen dafür künftig 39 statt 35 Stunden arbeiten (und zwar ohne Gehaltsausgleich)
  • Die 35-Stunden-Woche wird generell abgeschafft, stattdessen soll die Wochenarbeitszeit frei ausgehandelt werden, bis zu einer Obergrenze von 48 Stunden.
  • Sozialabgaben für Unternehmen werden gesenkt.
  • Die Macht der Gewerkschaften soll gebrochen werden.
  • Senkung der Steuern und Abgaben um 40 Milliarden Euro
  • Abschaffung der von dem Sozialisten Mitterand eingeführten Vermögensteuer Impôt sur la fortune (ISF).

Vieles davon täte auch Deutschland gut, das die letzten marktwirtschaftlichen Reformen unter Gerhard Schröder erlebte. Seit Merkel regiert, gab es keine einzige marktwirtschaftliche Reform – stattdessen Mindestlohn, Mietpreisbremse, Frauenquote, Rente mit 63 und jede Menge Öko.

In der Einwanderungspolitik auf Seehofers Linie

Vergleicht man die Positionen in der Einwanderungspolitik mit denen der deutschen Politiker, so ähneln sich die Sichtweisen von Fillon und Seehofer. „Ich verlange, dass sich Ausländer, die sich in unserem Land niederlassen, integrieren und anpassen und unser kulturelles Erbe respektieren“, erklärte Fillon kürzlich. Franzosen, die aus Syrien und dem Irak zurückkehren, möchte Fillon die Nationalität aberkennen und sie ausweisen lassen. Straffällig gewordene Ausländer sollen konsequent abgeschoben werden. Ausländern soll der Zugang zum Sozialsystem erschwert und auch der Familienzuzug soll deutlich restriktiver als bisher gehabt werden. „Bei der Einwanderungspolitik“, so eine Analyse der Nachrichtenagentur Reuters, „könnte Fillon den rechtsnationalen Regierungen in Warschau und Budapest näher als Merkel stehen. So hat er der Kanzlerin vorgeworfen, Hunderttausende Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland einreisen zu lassen und dabei die Bedrohung durch radikale Islamisten unterschätzt zu haben.“

In der Europapolitik Gegenkurs zu Merkel

Fillon stimmte bereits 1992 gegen den Vertrag von Maastricht, mit dem der Euro eingeführt wurde. Zudem war er gegen die EU-Verfassung, die 2005 am Veto der französischen und holländischen Wähler scheiterte. Fillon möchte das Schengener Abkommen neu verhandeln. Er tritt für eine Verdreifachung des Frontex-Budgets ein, die Verstärkung der Außengrenzen, aber auch eine Aufrüstung der Grenzen innerhalb der Schengen-Zone. Fillon, ein großer Bewunderer von Charles de Gaulle, steht dessen Konzept eines „Europa der Vaterländer“ näher als dem Supereuropa der Brüsseler Eliten. Damit steht er auch in der Europapolitik (anders als sein gestern gescheiterter Konkurrent Juppé, der eher auf Merkel-Linie ist) in Gegenposition zu denen, die für eine forcierte europäische Integration eintreten.

Mehr als nur ein Wermutstropfen: Fillon und Putin

Auch wenn mir Fillons wirtschaftspolitisches Programm sowie seine Positionen zu Europa und zur Einwanderung gefallen, so sehe ich ihn nicht unkritisch: Mir gefallen zwei Dinge nicht:

  1. Fillon gilt als USA-kritisch. Das ist jedoch leider in Frankreich nicht ungewöhnlich, denn dort ist die antiamerikanische Tradition – von ganz links bis ganz rechts ebenso wie bei Parteien der Mitte – sogar noch stärker als in Deutschland.
  2. Fillon ist ein enger Freund Putins. Für mich selbst als Liberalen gehören Freiheit in der Wirtschaft und ein freiheitliches politisches System eng zusammen. Daher irritiert es mich, wenn Leute wie Gerhard Schröder, Donald Trump oder Francois Hollande Putin so unkritisch sehen. Ich hoffe, der Spruch „zeig‘ mir deine Freunde, und ich sag‘ dir, wer du bist“, trifft für Fillon nicht zu.

Gewerkschaften werden Amok laufen

Trotz dieser Kritik sehe ich Fillon insgesamt sehr positiv. Für Frankreich wäre eine Umsetzung seines Wirtschaftsprogramms eine regelrechte Revolution. Denn in Frankreich ist die etatistische, antimarktwirtschaftliche Tradition sogar noch stärker ausgeprägt als in Deutschland. Alle französischen Parteien setzen auf den Staat – von den Sozialisten bis zum Front National von Marine Le Pen. Mit 56,8 Prozent hat Frankreich nach Finnland die zweithöchste Staatsquote in der Europäischen Union.

Die Wirtschaft Frankreichs krankt unter zu viel staatlichem Einfluss und zu wenig Markt. Die Lage ist zwar noch nicht ganz so katastrophal wie in Großbritannien als Margaret Thatcher antrat. Aber die Ausgangsbedingungen ähneln sich in manchem – ebenso wie die Therapie, die seinerzeit zur Gesundung Großbritannien führte und im Erfolgsfall auch Frankreich wirtschaftlich wieder gesund machen würde.

Würde Fillon Präsident, dann lägen allerdings schwere Zeiten vor ihm. Denn wenn er wirklich wahr machen würde, was er versprochen hat, würden die Gewerkschaften – so wie damals in Großbritannien zu den Zeiten von Thatcher – dagegen Sturm laufen und das Land mit Streiks lahm legen. Da sowohl die – nach den Jahren von Hollandes Misswirtschaft völlig diskreditierten – Sozialisten in Frankreich wie auch die rechte Marine Le Pen die Karte der „sozialen Gerechtigkeit“ spielen, sähe sich Fillon einer starken Front von Gewerkschaften, Sozialisten und Front National gegenüber. Und auch in der eigenen Partei gibt es neben Marktwirtschaftlern viele Etatisten, die ihm das Leben schwer machen würden.

Modell für Europa

Hat Fillon Erfolg, dann könnte dies ein Modell für ganz Europa werden. Denn nicht nur Frankreich braucht Reformen à la Fillon, sondern ebenso Italien, Spanien, Portugal und Griechenland. Und auch Deutschland sollte sich nicht auf den Schröderschen Reformen ausruhen. Ein Erfolg von Fillon wäre auch eine Ermutigung für die liberalen und konservativen Kräfte in der CDU, die durch Merkel marginalisiert wurden.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.