„Machen wir mal ein Gesetz, ob es verfassungsmäßig ist oder nicht, ist nicht so wichtig, denn darüber wird ja erst frühestens in zehn Jahren entschieden“ – so denken leider manche Politiker. Oskar Lafontaine etwa wird sich kaum daran stören, dass der Bundesfinanzhof fast neun Jahre nach Inkrafttreten alle drei unter seiner Ägide verabschiedeten Gesetze für verfassungswidrig hält. Er predigt inzwischen als Vormann der „Linken“ im Schulterschluss mit den Genossen der ehemaligen SED den Klassenkampf. Dass die Klassenjustiz des bürgerlichen Staates den verachteten Klassenfeind beschützt, wird sein Weltbild nur bestätigen. Und der notorische Immobilien-Allergiker Joachim Poß ist auch in der Großen Koalition als führender SPD-Finanzpolitiker unbeirrt stets zur Stelle, wenn es um Themen wie „Reichensteuer“, Erhöhung der Erbschaftsteuer, Verhinderung von Wohnungs-REITs usw. geht.
Demnächst hat also das Bundesverfassungsgericht drei Mal über die „März-Gesetze“ der rot-grünen Regierung zu entscheiden, die alle drei nach Ansicht des höchsten deutschen Finanzgerichtes verfassungswidrig waren bzw. sind. Oskar Lafontaine und der SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß hatten in ihrem ideologischen Eifer gegen „Besserverdienende“ im Allgemeinen und Immobilien- und Fondsanleger im Besonderen im März 1999 Verlustausgleichsbeschränkungen eingeführt, von denen schon damals alle Experten einhellig der Meinung waren, dass sie verfassungswidrig seien.
Das aktuelle Urteil zu § 2b, den ich damals mit dem Begriff „Fallensteller-Paragraf“ bedacht hatte, ist nur die Krönung von nun insgesamt drei BFH-Vorlagebeschlüssen für die Karlsruher Richter. Zu dem zusammen mit § 2b beschlossenen § 2 Abs. 3 EStG hatte der BFH gesagt, „dass die Gesetzeslage selbst für den Fachmann nicht mehr hinreichend verständlich“ sei. Im
BFH-Beschluss hieß es, die Vorschriften dieses Paragrafen seien „sprachlich unverständlich, irreführend, unsystematisch aufgebaut und damit in höchstem Maße fehleranfällig“. Die Ohrfeige für den Gesetzgeber hätte schallender nicht sein können!
Die ebenfalls im März 1999 beschlossene Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre war nach Ansicht des BFH ohne Übergangsregelung ebenfalls verfassungswidrig, und zwar weil „es vor dem Hintergrund des dem Rechtsstaatsprinzip entspringenden Kontinuitätsgebotes und des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich zu beanstanden ist, dass der Kläger im Vertrauen auf seine Vermögensdispositionen schutzlos gelassen wurde und sich der Gesetzgeber durch eine abrupte Kursänderung im Widerspruch zu seinen vorangegangenen Regelungen gesetzt hat“.
Aktuell hat die Große Koalition die Unternehmensteuerreform mit einer Zinsschranken-Regelung beschlossen, die ebenfalls nach Meinung führender Steuerrechtler verfassungswidrig ist. Mit dieser Regelung wird gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoßen und sie enthält zudem – ebenso wie seinerzeit der § 2b EStG – zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, so etwa die Begriffe „Betrieb“ und „Konzern“.
In dem Vorlagebeschluss zu § 2 Abs. 3 EStG hatte der BFH geschrieben: „Zu den typischerweise berufsmäßig abverlangten Pflichten eines steuerlichen Beraters gehört die Beachtung geltenden Rechts, nicht aber die – hier notwendige – wissenschaftliche Aufarbeitung, teilweise Verwerfung und ‚Rekonstruktion’ des Gesetzeswortlautes, mit dem – in Anbetracht der hohen Fehleranfälligkeit nicht zu vernachlässigenden Risiko – für eine unvollständige und/oder unzutreffende Beratung persönlich zu haften.“
Für Unternehmen ist es jedoch bitter, dass das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich erst in zehn Jahren zu dem Ergebnis kommen könnte, dass die Zinsschranke in dieser Form verfassungswidrig sei. Viele davon betroffene Unternehmen wird es bis dahin längst nicht mehr geben – und die Zinsschranken-Regelung in dieser Form sicher ebenfalls nicht mehr.
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