Einwanderung: Deutschland – die USA Europas?

Erschienen am 15. September 2015

Häufig konnte man von Politikern und Kommentatoren in den vergangenen Wochen hören, Deutschland sei nun „die USA Europas“ geworden. „In kein Land sind in den vergangenen Jahrzehnten mehr Einwanderer geströmt als in die Vereinigten Staaten von Amerika – jetzt spielt die Bundesrepublik diese Rolle in Europa und im Mittelmeerraum“, so schreibt beispielsweise die „Rheinische Post“.

Lassen wir die Fakten sprechen:
Die Bundesarbeitsministerien Nahles warnte vor einigen Tagen: „Der syrische Arzt ist nicht der Normalfall.“ Nicht einmal jeder Zehnte der Flüchtlinge bringe die Voraussetzungen mit, um direkt in eine Arbeit oder Ausbildung vermittelt werden zu können.

Der Vergleich zwischen der Einwanderung in die USA und nach Deutschland ist schief. Zwar gibt es auch in den USA eine heftige politische Debatte über den Umgang mit den illegal im Land lebenden Mexikanern oder anderen Ex-Lateinamerikanern. Aber die legale Einwanderung in die USA hat ganz andere Dimensionen als in Deutschland und ist – anders als bei uns – gut durchdacht und strukturiert.

Um legal in die USA einzuwandern, muss man in besonderer Weise qualifiziert sein: Es gibt ein Visum für „Priority Workers“, das sind hervorragende Hochschullehrer und Forscher oder Manager multinationaler Firmen. Das Visum „Advanced Degrees / Exceptional Ability“ ist Personen mit besonderen Qualifikationen und Fähigkeiten vorbehalten, beispielsweise solche mit höheren akademischen Abschlüssen oder mit „besonderen Fähigkeiten“ in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst. Ein Visum für „Skilled Workers, Professionals, and other Workers“ wird Akademikern und qualifizierten Fachkräften erteilt, die die amerikanische Wirtschaft braucht. Schließlich gibt es ein „Immigration Investor Program“, das es vermögenden Personen und Investoren, die in Amerika Arbeitsplätze schaffen, ermöglicht, dort einzuwandern.

Seit etwa zehn Jahren kommen Jahr für Jahr etwa 40 Prozent der Einwanderer in die USA aus Asien. So waren 2011 452.000 von 1.042.000 Personen, die eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhielten, Asiaten, 2012 waren es 429.000 von 1.031.000 und 2013 kamen 389.000 von 990.000 Einwanderern aus Asien. Gerade die Asiaten stellen eine ungeheure Bereichung für die USA dar. Sie sind hungrig nach Erfolg, leistungsorientiert und hoch gebildet. In den USA machen Asiaten nur vier Prozent an der Gesamtbevölkerung aus, aber sie stellen ein Viertel aller Studenten an den Eliteuniversitäten. 49 Prozent der Amerikaner asiatischer Herkunft ab 25 Jahre haben einen Bachelor-Abschluss; bei weißen Amerikanern sind es 31 Prozent und bei Afroamerikanern 18 Prozent. Das mittlere Haushaltseinkommen bei Amerikanern asiatischer Herkunft liegt bei 66.000 Dollar, was 12.000 Dollar mehr sind als bei weißen Haushalten und doppelt so viel wie bei schwarzen.

Deutschland braucht dringend Einwanderung – das lässt sich nicht bestreiten. Und unbestreitbar ist auch, dass Deutschland politisch Verfolgte und Bürgerkriegsflüchtlinge aus humanitären Gründen aufnehmen muss. Aber die aus wirtschaftlichen Gründen notwendige und die aus humanitären Gründen gebotene Einwanderung sind zwei völlig verschiedene Dinge. Wer glaubt, das demografische Problem Deutschlands werde durch die Einreise von 800.000 Flüchtlingen in diesem Jahr gelöst, täuscht sich. „Deutschland – die USA Europas?“ Schön wäre es! Aber leider ist das eine der vielen deutschen Selbsttäuschungen, die die derzeitige Debatte beherrschen.

Ich habe einen nicht geringen Teil meines Geldes in den USA investiert – und einer von vielen Gründen dafür ist, dass ich langfristig die USA in vielerlei Hinsicht im Vorteil gegenüber Deutschland und Europa sehe. Die Demografie und die Zuwanderungspolitik spielen eine entscheidende Rolle für die Zukunft eines Landes. Und da sind uns die USA weit überlegen.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.