Laschet – der Mann ohne Eigenschaften

Erschienen am 20. April 2021

Wird Armin Laschet letztlich doch als Sieger im Machtkampf mit Söder hervorgehen? Aber wer ist dieser Mann eigentlich?

Das erste Mal fiel mir Armin Laschet auf, als er noch Journalist war. Der studierte Jurist absolvierte 1987 und 1988 ein journalistisches Volontariat bei einem Radiosender und war anschließend freier Journalist. In dieser Zeit gab es einen großen „Skandal“: Am 10. November 1988 hatte der Präsident des Deutschen Bundestages, Philipp Jenninger (CDU), zum Gedenken an den 50. Jahrestag der Reichspogromnacht eine Rede gehalten, die zu einer Welle der Empörung führte, vor allem bei Grünen und der SPD. Einige, die ihn bewusst missverstehen wollten, unterstellten ihm, er habe Hitler und den Nationalsozialismus beschönigt, weil er bei der Verlesung seiner Rede die Anführungszeichen zu manchen Begriffen nicht ausreichend betont habe. Es entstand eine hysterische Diskussion in Deutschland und im Ausland, und Jenninger musste sofort von seinem Amt zurücktreten. „Cancel Culture“ gab es schon, bevor es das Wort gab.
Laschet verteidigt Philipp Jenninger
In der damals aufgeregten Situation versuchten Eckhard Jesse als Politikwissenschaftler und ich als Historiker die Rede ruhig zu analysieren und verteidigten Jenninger in einem großen Beitrag auf der Seite 3 der damals bedeutenden Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“. Damals gab es nicht viele, die es wagten, Jenninger gegen ungerechtfertigte Kritik zu verteidigen. Zu den wenigen Ausnahmen gehörte Armin Laschet, der das lesenswerte Buch „Philipp Jenninger – Rede und Reaktion“ (zusammen mit seinem Schwiegervater Heinz Malangré) herausgab. Dort wurde nicht nur Jenningers Rede noch einmal in voller Länge abgedruckt, sondern auch der Aufsatz von Jesse und mir erneut veröffentlicht. In der Folge wurden Jenninger und seine Rede übrigens rehabilitiert, unter anderem dadurch, dass der spätere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, demonstrativ umstrittene Passagen aus Jenningers Ansprache in eine eigene Rede übernahm, ohne damit Anstoß zu erregen.
Laschet verteidigt Thilo Sarrazin
Zwei Jahrzehnte später, im Jahr 2010 kritisierte Laschet die Äußerungen von Angela Merkel über Thilo Sarrazin und dessen Buch „Deutschland schafft sich ab“. Merkel hatte Sarrazins Buch „nicht hilfreich“ genannt und später zugegeben, es nicht einmal gelesen zu haben. DER SPIEGEL berichtete daraufhin: „Armin Laschet greift Kanzlerin Angela Merkel wegen ihres Umgangs mit Thilo Sarrazin an: ‚Ich halte es nicht für hilfreich, wenn man ein Buch verurteilt und gleichzeitig sagt, man habe es nicht gelesen’, sagte Laschet, der in der mächtigen CDU Nordrhein-Westfalens Landesvorsitzender werden will, dem SPIEGEL. ‚Vor allem, wenn es ein Buch ist, das viele Millionen Menschen in Deutschland bewegt.’ Man müsse es zumindest ‚so ernst nehmen, dass man es liest’. Sarrazins Buch sei ein ‚wichtiger Diskussionsbeitrag’, der sich innerhalb des zulässigen Meinungsspektrums bewege. ‚Er ist kein Rechtsradikaler oder Verfassungsfeind oder was auch immer. Ich würde mich mit ihm intellektuell und klar auseinandersetzen.“
Mann ohne Eigenschaften
Warum erwähne ich diese beiden Episoden? Laschet war viele Jahre ein getreuer Merkel-Jünger. Er war einer der vehementesten Verteidiger ihrer katastrophalen Flüchtlingspolitik. Gleichzeitig machte er aber als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Herbert Reul zum Innenminister, der sich vor allem die Bekämpfung von kriminellen Araber-Clans auf die Fahnen geschrieben hat und konsequenter abschiebt als die Innenminister anderer Bundesländer. Man kann Laschet nicht einfach festlegen.
Laschet galt stets als jemand, der die „Modernisierung“ der CDU befürwortet hat – der Begriff meint in Wahrheit die Vergrünung der Union. Doch während sein Kontrahent Markus Söder jeden Tag versucht, die Grünen zu übertreffen und erklärt, er wolle viel lieber mit den Grünen als mit der FDP koalieren, arbeitet Laschet in Nordrhein-Westfalen mit der FDP zusammen und erklärte im Januar 2021 für die Bundespolitik: „Die Meinung, dass alleine die Grünen die große Rettung sind, teile ich nicht. Politisch gibt es eine Menge Gegensätze, die wir auch in diesem Wahlkampf sichtbar machen müssen.“
In der Auseinandersetzung mit Friedrich Merz unterstützten Laschet alle Linken in der Union: Von Rita Süßmuth bis Daniel Günther. Im Kampf gegen Söder verschoben sich dann die Fronten: Peter Altmaier, der übelste Merkel-Schönredner in der Union, sprach sich offen für Söder aus und machte klar Front gegen Laschet. Vermutlich auch deshalb, weil er sich ausrechnete, unter Laschet keine Rolle mehr zu spielen. Und Friedrich Merz stand auf einmal an der Seite von Laschet – gegen Söder.
Im Wechselspiel von Freund und Feind spiegelt sich ein Mann ohne Eigenschaften.
Die Hauptrolle in Robert Musils gleichnamigem Roman spielt ein Mann namens Ulrich, der sich zu nichts ernsthaft bekennen mag und sich jeder Festlegung im eigenen Leben entzieht, um sich für neue Optionen und Konstellationen offen zu halten. Ist Armin Ulrich?

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