Weltweit setzt sich immer mehr die Ansicht durch, das marktwirtschaftliche System versage angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und anderer Umweltprobleme.
Ist aber wirklich die „Profitgier des Kapitalismus“ schuld?
Dagegen spricht die Tatsache, dass es nirgendwo eine so schlimme Umweltzerstörung wie in den ehemaligen sozialistischen Staaten. 1990 zog Zhores A. Medvedev Bilanz für die Sowjetunion: „Die Sowjetunion hat mehr Weide- und Ackerland durch radioaktive Verseuchung verloren als die gesamte Anbaufläche der Schweiz. Es wurde mehr Land durch hydroelektrische Dämme überflutet als die Gesamtfläche der Niederlande. Durch Versalzung, Veränderungen des Grundwasserspiegels sowie Staub- und Salzstürme ging zwischen 1960 und 1989 mehr Land verloren als die gesamte Anbaufläche von Irland und Belgien zusammen. Inmitten einer akuten Nahrungsmittelknappheit ist die gesamte Anbaufläche seit 1975 um eine Million Hektar pro Jahr zurückgegangen. Die Sowjetunion verliert ihre Wälder in der gleichen Geschwindigkeit, wie in Brasilien der Regenwald verschwindet.“ 1992 konstatierten Murray Feshbach und Alfred Friendly Jr. in dem Buch „Ecocide in the USSR“, dass „keine andere industrielle Zivilisation so systematisch und so lange ihr Land, ihre Luft und ihre Menschen vergiftet hat“. Lesenswert ist auch das Buch „Ecological Disaster“ von Murray Feshbach über die ökologische Katastrophe in der Sowjetunion.
Maos Großer Sprung nach vorne
In dem Buch von Steven Pinker “Aufklärung jetzt” findet sich eine Grafik, die zeigt, wie sich die Kohlenstoffintensität, also der CO2-Ausstoß pro Dollar BIP, von 1820 bis 2014 entwickelte. Als in Ländern wie den Vereinigten Staaten und Großbritannien die Industrialisierung einsetzte, wurde pro Dollar BIP immer mehr CO2 ausgestoßen. Doch bereits seit den 1950er Jahren, so ist deutlich zu sehen, ist der Ausstoß immer weiter gesunken. China und Indien tun es ihnen gleich, mit dem Höchststand Ende der 1970er bzw. Mitte der 1990er Jahre. Weltweit nimmt die Kohlenstoffintensität seit einem halben Jahrhundert immer weiter ab.
Aber dann sieht man auf dieser Grafik einen extremen Ausreißer Ende der 1950er-Jahre in China, wo die Kurve so dramatisch ansteigt wie in keinem anderen Land und zu keiner anderen Zeit seit 1820. Grund war das größte sozialistische Experiment in der Menschheitsgeschichte, Mao sogenannter „Großer Sprung nach vorne“. Durch dieses Experiment wurde nicht nur die größte Hungerskatastrophe der Geschichte ausgelöst, bei der 45 Millionen Menschen starben, sondern auch in ökologischer Hinsicht war es eine Katastrophe. Nach außen verkündete Maos Propaganda ständig neue Rekordzahlen auf allen Gebieten, die den Fortschritt und die Überlegenheit des Sozialismus beweisen sollten. Insbesondere an den Zahlen der Stahlproduktion sollte der Fortschritt des Sozialismus gemessen werden. Mao war geradezu besessen vom Stahl und hatte die Stahlproduktion fast aller Länder im Kopf. 1957 lag die Stahlproduktion bei 5,35 Tonnen, im Januar 1958 wurde das Ziel von 6,2 Millionen Tonnen ausgegeben und im September wurde es auf zwölf Millionen verdoppelt. Diese gigantischen Ziele sollten vor allem mit kleinen Hochöfen erreicht werden, die in den Hinterhöfen der Volkskommunen von den Dorfbewohnern betrieben wurden. Viele dieser Öfen funktionierten nicht richtig und es kam minderwertiges Material heraus. Überall türmten sich von ländlichen Kommunen erzeugte Eisenbarren, die so klein und spröde waren, dass sie für moderne Walzwerke unbrauchbar waren. Ende Dezember 1958 musste Mao selbst in einem Gespräch mit einem Spitzenfunktionär einräumen, dass 40 Prozent des Stahles unbrauchbar waren. Der brauchbare Stahl war von herkömmlichen Stahlwerken produziert worden, die wertlosen 40 Prozent stammten aus den Kleinöfen. „Die gesamte Kraftanstrengung war eine gigantische Verschwendung von Ressourcen und Arbeitszeit, und sie brachte weitere Verluste mit sich.“ Zugleich stiegen wegen der Hinterhoföfen die Emissionen massiv an und die Wirtschaftsleistung ging zurück, was den Ausreißer in der Grafik über die Kohlenstoffintensität erklärt.
Nicht das „ungehemmte Profitstreben“ von Kapitalisten, sondern Planwirtschaft und Sozialismus haben zu den größten Umweltzerstörungen geführt – nicht nur in der Sowjetunion und China, sondern in allen sozialistischen Ländern.
Umweltkatastrophe in der DDR
Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus wurde Bilanz gezogen. In dem Bericht der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, heißt es: „Die ökologischen Probleme… sind verheerend. Auch für die Bevölkerung der DDR sind die Umweltbelastungen fast überall wahrnehmbar. Besonders gravierend ist die Luftverschmutzung durch Schwefeldioxid und Kohlendioxid, die durch die Verbrennung von Braunkohle entsteht. Die Braunkohle ist der größte Energieträger in der DDR, doch die Kraftwerke sind veraltet; es fehlt an Entschwefelungsanlagen. Die Belastung ist so stark, dass viele Menschen in den betroffenen Regionen, z.B. rund um die Industriezentren Leipzig, Halle, Karl-Marx-Stadt und Dresden, überdurchschnittlich oft an Atemwegserkrankungen und Ekzemen leiden. Der ‚Industrienebel’ sorgt regelmäßig für Smog-Alarm in Städten und Dörfern und hinterlässt Staubschichten auf Autos, Fensterbänken und zum Trocknen im Freien aufgehängter Wäsche.
Auch die Gewässer sind hochgradig belastet. Die chemische Industrie leitet ihre Abwässer ungeklärt und schadstoffbelastet in die Flüsse und Seen ein. Der in der DDR häufig kolportierte Witz ‚In der DDR ist alles grau, außer den Flüssen’ spiegelt dies wieder. Der ‚Silbersee’ bei Bitterfeld/Wolfen gilt als Synonym für eine besonders drastische Gewässerverschmutzung. Das ehemalige Tagebauloch dient der Filmfabrik Wolfen als Abwassergrube, in das Schlämme und Abfälle eingebracht werden. Die schwermetallverseuchte Schlammschicht beträgt 1990 an einigen Stellen bis zu 12 Meter. Zur Verschmutzung der Gewässer tragen aber nicht nur Industrieabwässer, sondern auch die großzügig eingesetzten Düngemittel aus der landwirtschaftlichen Produktion bei. Insgesamt sind viele Flüsse und Seen in der DDR 1990 ökologisch völlig zerstört.
Auf vielfältige Weise ist auch der Boden mit Schadstoffen belastet, sei es durch die intensive Landwirtschaft bzw. Massentierhaltung oder die unsachgemäße Ablagerung giftiger Industrie- und Siedlungsabfälle auf ‚wilden’ Mülldeponien. Weitere Probleme treten durch die militärische Nutzung von großen Flächen auf, wie zum Beispiel beim Militärflugplatz in Lärz, der durch die Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte genutzt wird. Dort wird bereits im März 1990 eine erhebliche Kontamination des Erdreichs mit Kerosin festgestellt, die eine ernsthafte Gefahr für das Grundwasser und die damit verbundene Trinkwasserversorgung darstellt.“
„Einer der größten Klimakiller der Welt“
Der Historiker Hubertus Knabe, Experte für DDR-Geschichte konstatiert: „Einer der größten Klimakiller der Welt war nämlich ein Land, das den Kapitalismus abgeschafft hatte – die DDR.“ Mit bis zu 21 Tonnen jährlich habe sie beim Pro-Kopf-Ausstoß des Treibhausgases Ende der 1980er Jahre sogar noch vor den USA gelegen. Als schließlich die Marktwirtschaft Einzug hielt, gingen die CO2-Emissionen rapide zurück: von 333 Millionen Tonnen im Jahr 1989 auf 164 Millionen Tonnen im Jahr 1995. Auch in anderen Staaten des früheren Ostblocks verringerte sich der Ausstoß signifikant, als diese kapitalistisch wurden.
Weitere Fakten, die Knabe benennt: Das Land stieß zuletzt über fünfmal so viel Schwefeldioxid aus wie die Bundesrepublik. Zu den Folgen zählte ein großflächiges Waldsterben in den Mittelgebirgen. Auch bei den Schwebstaubemissionen übertraf die DDR die Bundesrepublik um knapp das Fünffache. Da sich die Industrie vor allem im Süden konzentrierte, litt hier fast jedes zweite Kind an Atemwegserkrankungen und beinahe jedes dritte an Ekzemen. Nach dem Untergang der Planwirtschaft sanken SO2– und Staubemissionen schlagartig ab.
Dasselbe Bild, so Knabe, ergibt sich bei der Belastung der Gewässer. Fast die Hälfte aller größeren Flüsse in der DDR war 1989 biologisch tot. 70 Prozent durften nicht mehr für die Trinkwassergewinnung genutzt werden. Knapp die Hälfte der DDR-Bewohner erhielt beim Aufdrehen des Wasserhahns zeitweise oder ständig kein sauberes Trinkwasser. Verantwortlich dafür war der hohe Eintrag von Stickstoff, Phosphor, Schwermetallen und anderen Schadstoffen in die Gewässer – der nach dem Beitritt zur Bundesrepublik massiv zurückging.
Ist der Kapitalismus schuld?
Knabe: „Wie viele Klimaaktivisten heute vertrat die DDR-Führung die Auffassung, dass nur die Abschaffung des Kapitalismus die Umweltprobleme lösen könne. Verantwortlich für den rücksichtslosen Umgang mit der Natur sei die Profitgier der Konzerne, an deren Stelle gesamtgesellschaftliche Vernunft und Planung treten müsse. Dies sei nur im Sozialismus möglich.“
Ist der Kapitalismus wirklich die Ursache für Klimawandel und Umweltzerstörung?
Die Forscher der Heritage-Foundation haben den Umwelt-Index EPI und den Index der wirtschaftlichen Freiheit für das Jahr 2020 verglichen. Das Ergebnis: Die wirtschaftlich freiesten, also am stärksten kapitalistischen, Länder hatten auch die höchste Punktzahl im Umwelt-Index der Yale-Universität, nämlich durchschnittlich 76,1. Die Länder, die „mostly Free“ sind, hatten durchschnittlich 70,2 Punkte. Und dann gibt es einen großen Sprung zu den Ländern, die nur „moderatly Free“ sind und die für ihre Umwelt deutlich schlechter (59,6 Punkte) geratet wurden. Die Länder die „mostly Unfree“ bzw. „repressed“ waren, hatten die mit Abstand schlechteste Umwelt (46,7 bzw. 50,3 Punkte im EPI). Auch für die Umweltfrage gilt also: Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung.
Rainer Zitelmann ist Autor des Buches: „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“