Sind „die Spekulanten“ schuld?

Erschienen am 8. März 2010

In Griechenland schlagen die Emotionen hoch. Wie in den IMMOBILIEN NEWS von Mitte Februar vorhergesagt, werden nun die Deutschen an den Pranger gestellt und erste gewalttätige Ausschreitungen geben bereits einen bitteren Vorgeschmack für das, was kommen mag.

Aber auch deutsche Politiker suchen nun einen Sündenbock. Da es politisch nicht korrekt ist, laut zu sagen, dass sich die Griechen die Sache selbst eingebrockt haben, weil sie über ihre Verhältnisse gelebt und ihre Partner mit gefälschten Statistiken getäuscht haben, sucht man wieder einmal nach anderen Sündenböcken.

Die Politiker haben nunmehr also einen neuen Schuldigen an der Krise in Griechenland gesucht – und gefunden: Schuld sind „die Spekulanten an den Finanzmärkten“, über die sich Angela Merkel und die SPD gleichermaßen ereifern. Diese Diagnose ist ebenso „intelligent“ wie es bereits die Ursachenanalyse der Finanzkrise war, für die die Politiker „raffgierige Manager“ und überhöhte Boni für Banker ausmachten.

Dabei ist die Sache eigentlich so einfach: Die Griechen haben nur dasjenige noch exzessiver betrieben, was auch die Amerikaner, wir Deutschen und andere seit Jahren und Jahrzehnten tun. Sie haben weit über ihre Verhältnisse gelebt und die sozialen Wohltaten für ihre Bevölkerung mit ausufernden Schulden finanziert. Sie haben dabei, so wie einst die DDR und andere Staaten des „real existierenden Sozialismus“, die Statistiken gefälscht, damit die Wahrheit nicht zutage kommt.

Die „Spekulanten“ haben dagegen nichts anderes getan als das, was das kleine Kind in dem Märchen von „Des Kaisers neuen Kleidern“ gemacht hat: Sie haben laut gerufen: „Der Kaiser ist nackt“. Dabei wäre es eigentlich die Aufgabe der EU bzw. der EU-Mitgliedsstaaten gewesen, die Schwindel-Statistiken zurückzuweisen und Griechenland zur Disziplin zu zwingen. Das haben sie jedoch nicht getan. Vielleicht auch deshalb nicht, weil sich derjenige, der selbst permanent gegen die Regeln des Maastrichter Vertrages verstößt, in dieser Hinsicht nicht allzu stark exponieren möchte. „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen“, haben sie sich wohl gedacht und waren lieber ruhig.

„Spekulanten“ an den Finanzmärkten machen Probleme transparent, die ansonsten verschleiert werden. Das ist ihr Verdienst. Wenn Griechenland jetzt (hoffentlich) mit dem Sparen anfängt, dann haben das nicht die Politiker der EU bewirkt, sondern eben jene „Spekulanten“, die die Wahrheit über den Zustand des griechischen Finanz- und Wirtschaftssystems ans Tageslicht brachten.

Nun werden sie behandelt, wie man in der Antike angeblich die Überbringer schlechter Nachrichten behandelt hat – man will sie erschlagen. Natürlich nicht physisch, sondern mit Gesetzen, die ihnen das Handwerk legen sollen.

Die meisten Bundesbürger, dies belegen Umfragen, erregen sich über Griechenland – und das zu Recht. Aber leider ist Griechenland kein Einzelfall. Und auch die so genannten PIIGS-Staaten stehen mit ihren Problemen nicht alleine. Es handelt sich um eine ernsthafte und umfassende Krise des Wohlfahrtsstaates, dessen Prinzip eine ständig höhere Verschuldung ist – weil die Loyalität der Wähler mit immer neuen sozialen Wohltaten und Wahlgeschenken erkauft wird. In Deutschland ist die Sozialquote übrigens noch höher als in Griechenland.

Aus dem Dilemma gibt es letztlich nur drei „Lösungen“:

Erstens: Die Staaten fangen an, wirklich radikal zu sparen und beenden die schuldenfinanzierte Politik sozialer Wohltaten. Das traut sich jedoch keine Regierung, weil sie weiß, dass sie das nicht überstehen würde.

Zweitens: Inflation. Dies war schon immer das probate Mittel, mit dem Staaten sich von der Überschuldung befreit haben. Das Papiergeldsystem, in dem der Staat, der der Gläubiger ist, selbst das Monopol für das Gelddrucken innehat, macht es möglich.

Die dritte „Lösung“ wäre nur noch der Staatsbankrott. Das Verdienst der Spekulanten ist es, am Beispiel Griechenlands gezeigt zu haben, dass auch diese dritte Alternative keineswegs „undenkbar“ ist, sondern eine höchst reale Gefahr. Politiker und Statistik-Behörden kann man vielleicht eine zeitlang täuschen, Anleihe-Investoren jedoch sind kritischer. Sie sagen ihre Meinung auf die ihnen eigene Weise – indem sie höhere Renditen für Anleihen gefährdeter Staaten fordern und die Preise für die Kreditausfallversicherungen in die Höhe treiben.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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