„System change not clima change“: Kapitalismus und Umweltzerstörung

Erschienen am 8. Juli 2020

Eines der am häufigsten angeführten Argumente gegen den Kapitalismus ist, dass der Kapitalismus die Umwelt zerstört. Was ist richtig und was ist falsch an diesem Argument?

Der Kapitalismus ist verantwortlich für die Umweltzerstörung, weil der Kapitalismus auf Wachstum beruht, so lautet ein Argument. Tatsächlich hat der Kapitalismus zu einem ungeheuren Wirtschaftswachstum geführt. Ohne dieses Wachstum hätte jedoch eine steigende Weltbevölkerung nicht auch nur mit dem Nötigsten versorgt werden können. Denn im Jahr 1800 lebte eine Milliarde Menschen auf der Welt, heute sind es mehr als sieben Milliarden.

Wachstum hilft gegen Hunger und Armut

Umso erstaunlicher ist es, dass es trotz dieses rasanten Bevölkerungsanstieges nicht zu einer weltweiten Verarmung kam, sondern ganz im Gegenteil: Im Jahr 1800 waren die meisten Menschen überall auf der Welt extrem arm. Das Durchschnittseinkommen entsprach dem in den ärmsten afrikanischen Staaten von heute. Mehr als 90 Prozent der Menschen lebten in extremer Armut. Durch die Entwicklung des Kapitalismus und das Wirtschaftswachstum wurde der Anteil der extrem armen Menschen auf der Welt auf unter zehn Prozent reduziert – und dies trotz der Versiebenfachung der Weltbevölkerung in dieser Zeit. Wachstum ist also an sich nichts Schlechtes, sondern Wachstum hat zu einer Reduktion von Hunger und Armut geführt.

Die Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt hat sich im vergangenen Jahrhundert mehr als doppelt so stark erhöht wie in den 200.000 Jahren zuvor. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind, das heute geboren wird, sein Rentenalter erlebt, ist höher als die Wahrscheinlichkeit unserer Vorfahren, ihren fünften Geburtstag zu feiern. Im Jahr 1900 lag die durchschnittliche Lebenserwartung weltweit bei 31 Jahren, heute sind es 71 Jahre. Von den ungefähr 8000 Generationen des Homo sapiens seit dessen Entstehung vor etwa 200.000 Jahren haben nur die letzten vier zu einer Zeit gelebt, in der die Sterblichkeit massiv zurückgegangen ist.

In den letzten 140 Jahren gab es 106 große Hungersnöte, die jeweils mehr als 100.000 Menschen das Leben kosteten. Besonders hoch waren die Todeszahlen in sozialistischen Ländern wie der Sowjetunion, China, Kambodscha, Äthiopien und Nordkorea, die Abermillionen Menschen durch die zwangsweise Überführung privater Produktionsmittel in Gemeinwirtschaften und den Gebrauch von Hunger als Waffe töteten. Allein beim größten sozialistischen Experiment der Geschichte, Maos „Großem Sprung nach vorne“ Ende der 50er Jahre, starben mehr als 45 Millionen Chinesen.

Die jährliche Zahl der Todesopfer durch große Hungersnöte ist in den 1990er-Jahren auf 1,4 Millionen gefallen – nicht zuletzt hat der Zusammenbruch der sozialistischen Systeme weltweit und Chinas Weg zum Kapitalismus dazu beigetragen. Im 21. Jahrhundert starben bisher etwa 600.000 Menschen an Hunger. Das sind gerade einmal etwa zwei Prozent im Vergleich zu den Todesopfern zu Beginn des 20. Jahrhunderts – und das, obwohl die Weltbevölkerung heute viermal größer ist als damals.

Preis des Wachstums – Umweltzerstörung?

Aber ist nicht die Zerstörung der Umwelt der Preis für dieses Wachstum? Natürlich führt die industrielle Entwicklung zu Umweltproblemen, niemand wird das bestreiten. Doch die Behauptung, das Wachstum automatisch zu einer immer schlimmeren Zerstörung der Umwelt führe, ist falsch. Der Environmental Performance Index der Yale Universität umfasst 16 Indikatoren aus den Bereichen Umweltgesundheit, Luftqualität, Wasser, Biodiversivität, natürliche Ressourcen und Energie. Sie sollen sowohl den aktuellen Zustand als auch die Dynamik des Ökosystems abbilden. Auffallend ist ein enger Zusammenhang zwischen dem Reichtum eines Staates und dem Abschneiden beim Umweltschutz. Die meisten entwickelten kapitalistischen Länder erreichen hohe Umweltstandards. Jene Länder mit der schlechtesten Bewertung im EPI, wie zum Beispiel Äthiopien, Mali, Mauretanien, Tschad und Niger sind durchgehend arm. Sie haben sowohl gering ausgeprägte Investitionskapazitäten für Infrastruktur, einschließlich Wasser- und Sanitärversorgung, als auch tendenziell schwache Umweltaufsichtsbehörden.

Entgegen der allgemein vorherrschenden Wahrnehmung haben die industrielle Entwicklung und der technische Fortschritt erheblich zur Entlastung der Umwelt beigetragen. Wie Indur Goklany in seinem Buch „The Improving State of the World“ und Steven Pinker in dem Kapitel „Umwelt“ seines Buches „Aufklärung jetzt“ belegen, leben wir heute nicht nur länger, gesünder und in bislang unerreichtem Wohlstand, sondern auch auf einem vergleichsweise sauberen Planeten.

Mehr wirtschaftliche Freiheit, also mehr Kapitalismus, ist – wie Wissenschaftler bewiesen haben – nicht schlechter, sondern besser für die Umwelt.

Die Heritage-Foundatin erstellt jedes Jahr einen „Index der wirtschaftlichen Freiheit“: Alle Länder der Welt werden danach bewertet, wie wirtschaftlich frei sie sind – man hat diesen Index auch als „Kapitalismus-Skala“ bezeichnet. Die Wissenschaftler haben dabei auch den Zusammenhang von Umweltqualität und wirtschaftlicher Freiheit gemessen. Das Ergebnis ist eindeutig: Die wirtschaftlich freiesten Länder der Welt haben im Schnitt mit einem Score von 76,1 die höchste Umweltqualität, gefolgt von den Ländern die „mostly free“ sind mit einem Score von 69,5. Die wirtschaftlich unfreien bzw. „mostly unfree“ Länder haben dagegen die schlechtesten Scoring-Werte für die Umweltqualität von unter 50.

Ist der Staat der beste Umweltschützer?

Kapitalismuskritiker setzen auf den Staat als den besten Umweltschützer. Und zweifellos: Staatliche Regeln zum Umweltschutz sind wichtig. Aber staatliche Regulierung, von Kapitalismuskritikern als Allheilmittel für die Umweltprobleme genannt, führt oft zum Gegenteil des Erwünschten. Kaum ein Land der Welt gibt sich so umweltbewusst wie Deutschland, die sogenannten „Energiewende“ in Deutschland sollen sich bis 2025 konservativ geschätzt auf fast 500 Milliarden Euro summieren.

Doch das Ergebnis der Anstrengungen ist ernüchternd, wie eine Analyse von McKinsey zeigt: „Deutschland verfehlt den Großteil seiner selbstgesteckten Ziele für die Energiewende bis 2020. Gleichzeitig ist mittelfristig nach dem beschlossenen Atom- und Kohleausstieg die Versorgungssicherheit gefährdet, wenn die abgeschalteten Kapazitäten nicht rechtzeitig flexibel ersetzt werden und der Ausbau der Transportnetze schneller vorankommt.“

Im Mittelpunkt der Forderungen der Umweltschützer stand lange Zeit das Abschalten der Kernkraftwerke. Der Ausstieg aus der Kernenergie hat jedoch genau dazu geführt, dass Deutschland im Hinblick auf die CO2-Emission im internationalen Vergleich schlecht dasteht. Nicht zu Unrecht wird Deutschlands Energiepolitik als die dümmste der Welt bezeichnet.

Kernkraftwerke der neuen Generation sind heute sehr viel sicherer als frühere Kernkraftwerks-Generationen. Seriöse Berechungen zeigen, dass es unmöglich ist, den weltweiten Energiebedarf allein mit Sonne oder Windkraft zu decken, wie manche Umweltschützer dies fordern. Aufgeklärte Umweltschützer fordern heute daher, auf Kernenergie im Kampf gegen den Klimawandel zu setzen. Doch genau dies wird in Deutschland von der Politik verhindert, nicht vom Kapitalismus. Das Beispiel, das durch viele andere ergänzt werden könnte, zeigt: Staatliche Umweltpolitik ist oft – wenn auch nicht immer – wirkungslos, manchmal führt sie sogar zum Gegenteil des Gewünschten, also zu einer Verschlimmerung der Umweltprobleme.

Auch ist die Vorstellung falsch, dass der Kapitalismus automatisch zu immer größerer Ressourcenverschwendung führen muss. Ein Beispiel ist das Smartphone, eine der umweltfreundlichsten Entwicklungen des Kapitalismus. Das kleine Gerät ersetzt in einem Produkt viele Geräte, die früher Ressourcen verbraucht haben, u.a. das Telefon, die Kamera, den Taschenrechner, das Navigationssystem, das Diktiergerät, den Wecker, die Taschenlampe und viele weitere Geräte. Es trägt auch zur Einsparung von Papier bei, weil viele Menschen ihre Notizen nicht mehr auf Papier machen oder beispielsweise das Iphone statt einen Kalender benutzen, um sich Termine einzutragen.

Welches andere System diejenigen fordern, die „System change“ statt „Clima change“ fordern, sagen sie meistens nicht konkret. Aber es soll jedenfalls kein marktwirtschaftliches System sein, sondern der Staat soll die entscheidende Rolle spielen. In der Vergangenheit sind alle Experimente mit solchen Systemen gescheitert – und für die Umwelt waren sie schädlicher als jedes kapitalistische System. Beispielhaft zeigt dies Murray Feshbach in seinem Buch „Ecological Disaster. Cleaning up the hidden Legacy of the Soviet Regime“. Unter Überschriften wie “A Nuclear Plague”, “Dying Lakes, Rivers, and Inland Seas”, “Pollution of the Air and Land” wird deutlich, dass ein nicht-kapitalistisches System zur größten Umweltzerstörung in der Geschichte geführt hat. Die Antikapitalisten werden erwidern, dass sie ein System wie in der Sowjetunion nicht anstreben. Aber sie können kein einziges real existierendes System auf diesem Planeten – in der gesamten Geschichte – nennen, das im Bereich des Umweltschutzes bessere Lösungen erbracht hat als der Kapitalismus.

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