Tsipras‘ Demokratie

Erschienen am 9. Juli 2015

Ist Ihnen das schon aufgefallen? Kein Wort verwendet Tsipras so oft und mit solcher Vehemenz, wie den Begriff „Demokratie“. Dabei besteht seine Partei zu einem Großteil aus Marxisten, Trotzkisten und anderen Linksextremisten. Sein neuer Finanzminister ist ein bekennender und glühender Marxist. Und Lob bekommt er vor allem von Männern wie dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro, der ihm zu seinem „brillanten politischen Sieg“ gratulierte.

Demokratie und Kommunismus? Passt das zusammen? Zur Erinnerung: Kommunisten, die tatsächlich Antidemokraten sind, benutzten schon seit der Zeit Stalins gerne den Begriff ihrer Gegner. Da gab es die Deutsche Demokratische Republik, es gibt die Demokratische Republik Nordkorea, es gab all die „Volksdemokratien“ in Ost- und Mitteleuropa. Im Aufruf des ZK der KPD vom 11. Juni 1945 schrieb die damals streng stalinistische Parteiführung: „Mit der Vernichtung des Hitlerfaschismus gilt es gleichzeitig, die Sache der Demokratisierung Deutschlands, die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen…“ Ziel der KPD sei es „den Weg (zu bereiten) auf Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Regierung mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk“.

Auch Tsipras hat eine eigenartige Auffassung von Demokratie. Sie heißt: 11 Millionen Griechen stimmen darüber ab, was die restlichen 326 Millionen Europäer zu tun haben. Der Schuldner bestimmt die Regeln, nicht der Gläubiger. Und 11 Millionen Griechen stimmen demokratisch darüber ab, wie die Steuergelder von 337 Millionen Europäern zu verteilen sind. Auch eine Art von Demokratie. 4 Prozent stimmen über das Schicksal von 100 Prozent ab.

Stolz beruft Tsipras sich in fast jeder seiner Reden darauf, dass Griechenland die Wiege der Demokratie sei. Das stimmt. Aber in der attischen Demokratie dürften immerhin 20 Prozent der Bevölkerung wählen. 80 Prozent der Einwohner hatten allerdings auch in der „Wiege der Demokratie“ keine Stimme. Da war man jedoch immerhin demokratischer als es Tsipras heute nach seinem Verständnis ist.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.