Warnung: Irrationaler Überschwang bei Wohnimmobilien

Erschienen am 23. April 2016

Ich hatte an dieser Stelle bereits vor Übertreibungen am Wohnimmobilien-Investmentmarkt in Berlin gewarnt. Und ich will meine Warnungen jetzt noch allgemeiner formulieren: Es herrscht ganz generell in Deutschland ein irrationaler Überschwang bei Wohnimmobilien, vor allem bei Bestandswohnimmobilien.

Niemand hat in den vergangenen zehn Jahren mit größerer Begeisterung von Investments in deutsche Wohnungen geschwärmt als ich. Oder können Sie einen anderen Experten nennen, der so früh und so massiv immer wieder empfohlen hat, in Wohnimmobilien zu investieren? Dass ich damit Recht hatte, zeigt ein Blick auf den Deutschen Immobilien Index (DIX), der von MSCI ermittelt wird. Danach lag der annualisierte Total Return (= Summe von Netto-Cashflow-Rendite und Wertänderungsrendite) für deutsche Immobilien insgesamt in den vergangenen zehn Jahren bei 4,4 Prozent, für Wohnimmobilien jedoch bei 6,9 Prozent.

Büroimmobilien, das absolute Lieblingskind von offenen und geschlossenen Fonds sowie von institutionellen Investoren, brachten dagegen laut MSCI in den vergangenen zehn Jahren nur 3,2 Prozent. Das belegt, wie dumm die Strategie beispielsweise der offenen Fonds waren, die zwei Drittel der Gelder in die schlechteste Nutzungsart (Büro) steckten und nicht einmal ein Prozent in die beste (Wohnen).

Die Entwicklung hat sich immer stärker beschleunigt. Im Jahr 2015 brachten deutsche Wohnimmobilien einen Total Return von 11,1 Prozent, in den vergangenen drei Jahren waren es 9 Prozent p.a.. Zu denken geben sollte jedoch, dass inzwischen die Netto-Cashflow-Rendite bei Wohnungen (zusammen mit Büros) die niedrigste von allen Nutzungsarten ist, denn sie liegt nur noch bei 4,5 Prozent. 57 Prozent des Total Return kommen aus der Wertänderungsrendite, d.h. sie sind dem massiven Anstieg der Multiplikatoren geschuldet.

Und da liegt das Problem. Alle setzen inzwischen auf Wohnimmobilien, auch diejenigen, die nie etwas davon wissen wollten. Große Versicherungsgesellschaften verkauften ihre Wohnungsbestände zu Beginn des Jahrtausends massiv an ausländische Investoren. Ihre Begründung: Wohnungen seien zu renditearm. Klug waren die Ausländer, die die Chancen erkannten, dumm die deutschen Versicherungen. All das habe ich in meinem Buch „Reich werden und bleiben“ 2015 beschrieben.

Inzwischen hat sich die Stimmung massiv gedreht und es ist ein irrationaler Überschwang bei deutschen Wohnimmobilien zu beobachten. Nun bin ich vom euphorischen Befürworter zum Warner geworden. Eine aktuelle Umfrage von Famos bei 30 Family-Offices bestätigt den Wohnungshype.

Hier einige Zahlen aus der 2016er-Studie, die meine Skepsis bestätigen:

65 Prozent der Family Offices wollen ihren Wohnungsbestand ausbauen – neun Prozentpunkte mehr als bei einer Befragung vor vier Jahren. Zwei Drittel der Befragten schätzen die Wohnimmobilienmärkte in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart als „risikoarm“ ein. Und dies obwohl (oder vielleicht gerade weil?) die Preise hier am stärksten gestiegen sind. Dass die Preise massiv gestiegen sind, haben natürlich auch die Investoren erkannt. Laut der Famos-Studie erwarten 40 Prozent der Befragten für ihre Wohnimmobilien-Investments eine Bruttoanfangsrendite von 0 bis 3 Prozent! Das ist natürlich übertrieben „konservativ“, denn eine solche Bruttoanfangsrendite bedeutet ja faktisch eine Null-Rendite oder sogar eine Negativrendite wie bei deutschen Staatsanleihen. 90 Prozent der Befragten erklärten, „Vermögenserhalt“ sei das oberste Ziel ihrer Investments. Ich bin sicher, viele werden dieses Ziel nicht erreichen. Aber wahrscheinlich merken viele private Anleger den Vermögensverlust nicht einmal, weil sie sich ja meist scheuen, eine laufende aktuelle Bewertung ihrer Immobilien vornehmen zu lassen. So kann man sich natürlich einreden, dass die Investments „stabil“ seien…

Die Multiplikatoren für den Einkauf von neu errichteten Wohnimmobilien, etwa bei Forward-Deals, sind auf Faktoren zwischen 20 und 25 gestiegen. Damit sind sie meist nicht mehr teurer als Bestandsimmobilien. So manches in die Jahre gekommene „Zinshaus“ wird zu höheren Multiplikatoren verkauft als eine nagelneue Wohnimmobilie, die auf dem modernsten energetischen Standard entwickelt wurde. Und das ist selbst dann der Fall, wenn es kein Mietsteigerungspotenzial mehr bei dem Zinshaus gibt. Faktoren von 25 und darüber gelten in Berlin inzwischen als normal. Die gleiche Immobilie, die ich 2004 in Berlin-Neukölln zum 6,8fachen gekauft hatte, habe ich vor einem Jahr zum 25fachen verkauft.

Besonders bei Bestands-Wohnimmobilien ist der Markt wie leergefegt. Alle wollen kaufen, kaum einer will verkaufen. Das ist die Marktsituation, die zu einer Preisüberhitzung führt.

Wie bei jeder Preisüberhitzung kann man täglich lesen, warum es angeblich keine Blase gibt, warum die fundamentalen Daten stimmen, warum alle Warnungen unberechtigt sind. Und in der Tat: Der Bedarf an Wohnraum ist nach wie vor enorm. Der Neubau ist zu schwach, um den steigenden Bedarf zu decken. All dies ist richtig, jedoch sind diese Erkenntnisse längst schon in den Preisen eskomptiert. Genau dies wird übersehen.

Ein anderer Indikator bei jedem irrationalen Überschwang ist die Verdrängung aller negativen Nachrichten. Der Staat greift massiv in die deutsche Wohnungswirtschaft ein. Der FDP-Politiker Hermann Otto Solms überschrieb einen Gastbeitrag für das HANDELSBLATT vom 20.April zu Recht mit der Überschrift „reine Planwirtschaft“. Das von Justizminister Maas geplante neue Mietspiegelrecht sei, so Solms, ein „planwirtschaftliches Instrument staatlicher Mietfestsetzung“.

Ich zweifle nicht daran, dass die Pläne des sozialdemokratischen Ideologen Maas umgesetzt werden. Die CDU wird – wie immer – erst ein wenig Widerstand leisten und dann zu 100% auf die sozialdemokratische Linie einschwenken. Die Kombination von Mietpreisbremse und dem geplanten Mietspiegel-Manipulationsgesetz wird jedoch vor allem für Anleger, die in Bestands-Wohnimmobilien investiert sind, ein Riesenproblem werden. Dass die Investoren dieses Problem leugnen, verdrängen und beschönigen, bestätigt mich nur in meiner These vom irrationalen Überschwang. Bei einer Veranstaltung der BERLINER IMMOBILIENRUNDE am 6. Juni wird deutlich werden, wie groß die Gefahr ist, die von dem geplanten Mietspiegel-Manipulationsgesetz ausgeht (fordern Sie das Programm bitte unter info@immobilienrunde.de an).

Rechne ich damit, dass die Preise bald fallen? Nein. Sie werden noch weiter steigen. Keiner weiß, bis wohin. Was heißt dies für Investoren? Ich würde heute noch eher in Neubau-Projektentwicklungen investieren als in Bestandsimmobilien. Wobei man auch hier sehr vorsichtig sein muss: Im Münchner Markt, der besonders überhitzt ist, rechnen sich, so sagen mir die dortigen Projektentwickler, wegen der stark gestiegenen Bodenpreise Investitionen nur noch dann, wenn man daran glaubt, dass die Preise weiter mit der gleichen ungebremsten Dynamik steigen wie in den vergangenen Jahren.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.