Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift IMMOBILIENWIRTSCHAFT bringt eine interessante Befragung des Verbandes BFW. Danach wurden Bauträger, Verwalter, Projektentwickler und die gesamte Branche gefragt, was denn ihre wichtigsten Forderungen an die Politik seien. Die Forderungen sind naturgemäß sehr unterschiedlich, aber in einem Punkt seien sich alle einig: Man wolle die Wiedereinführung der degressiven AfA. 77% der Befragten versprechen sich davon eine Ankurbelung des Mietwohnungsbaus. Von elf Forderungen verschiedener Gruppen der Immobilienwirtschaft stehe die Wiedereinführung der degressiven AfA an erster Stelle.
Aus Sicht von Bauträgern, Gewerkschaften, Bauunternehmen und Mieterbund ist diese Forderung konsequent. Die Bauunternehmen und die Bauträger wollen bauen, die Baugewerkschaft will ebenfalls, dass mehr gebaut wird und der Mieterbund will durch verstärkten Neubau den Anstieg der Mieten begrenzen. Der Mieterbund weiß genau, dass die Alternative zu steuerlichen Förderungen eine Liberalisierung des Mietrechtes wäre – und deshalb setzt er sich massiv für eine Wiedereinführung der degressiven AfA ein.
Bedarf es jedoch solcher Förderungen wirklich? Dort, wo Wohnungsknappheit herrscht – beispielsweise in München -, wird ja gebaut. Und dort, wo keine herrscht, sollte auch nicht gebaut werden. Die degressive AfA ist nicht zielgerichtet, sondern fördert den Wohnungsbau überall – gleichgültig ob ein wirklicher Bedarf besteht oder nicht.
Wir sollten in der Immobilienwirtschaft offener über Interessen sprechen, statt diese Interessen in das Kleid von Gemeinwohl-Argumenten zu verpacken. Der Teil der Immobilienwirtschaft, der gar kein Interesse an einer verstärkten Förderung des Mietwohnungs-Neubaus haben kann, meldet sich in der Debatte sehr verhalten und nur leise zu Wort. Wie steht es denn mit großen Investoren, die Wohnungsgesellschaften erworben haben oder mit kleinen Investoren, die in Mietshäuser oder vermietete Eigentumswohnungen investiert haben? Haben diese denn ein Interesse daran, dass der Wohnungsneubau durch Steuervorteile angekurbelt wird?
In Wahrheit litten viele Investoren über fast zwei Jahrzehnte unter den Folgen von Subventionen und Steuervorteilen. Zunächst führen diese erfahrungsgemäß zu aufgeblähten Neubau-Preisen, weil die Steuervorteile beim Verkauf von Eigentumswohnungen „eingepreist“ werden, also preistreibend wirken. In einer zweiten Phase führt dann jedoch das durch steuerliche Förderungen entstandene Überangebot an Wohnungen dazu, dass die Mieten sinken oder stagnieren und damit der Wert der Immobilien sinkt.
Über Jahrzehnte wurde der Wohnungsbau in Deutschland durch Steuervorteile subventioniert. Nun, da es seit vier Jahren erstmals keine Steuervorteile für den Neubau und keine Eigenheim-Förderung mehr gibt, beginnen die Mieten langsam zu steigen. Bei Mietsteigerungen von einem Prozent gibt es indes keinen Grund zur Aufregung. Angesichts der Tatsache, dass die Mietentwicklung seit vielen Jahren weit unterhalb der Inflationsrate liegt, wäre es im Gegenteil notwendig, dass es durch eine Verknappung des Angebotes in den kommenden Jahren zu höheren Mietsteigerungen kommt. Dies wäre der beste Anreiz für den Neubau. Bestandshaltern von Wohnungen kann nicht daran gelegen sein, dass dieser längst überfällige Nachholprozess bei den Mieten nunmehr durch eine von Steuervorteilen getriebene künstliche und marktunabhängige Ankurbelung des Neubaus verhindert wird.
Vermieter und Investoren haben nun einmal nicht unbedingt die gleichen Interessen wie Bauunternehmer, Bauträger und Mieterverbände. Darüber sollte in der Branche offen diskutiert werden. Mich wundert es, warum Bestandshalter und Investoren innerhalb der Immobilienverbände ihre Interessen und Argumente nicht deutlicher und lauter artikulieren, denn es kann nicht in ihrem Sinne sein, dass der Wohnungsneubau durch die Wiedereinführung der degressiven AfA angeheizt wird. Zumal das Geld dann nicht für die aus Sicht der Bestandshalter und Vermieter viel wichtigeren steuerlichen Förderungen für Bestandsinvestitionen (z.B. zur Erhöhung der Energieeffizienz) da ist.
Ich vermute indes, dass sich letztlich Gewerkschaften, Mietervereine, Bauträger, Bauunternehmen und deren Verbände durchsetzen, da die Politiker nun einmal kein Ohr für die Interesse von Immobilieninvestoren und Vermietern haben (obwohl das immerhin 1/6 aller Deutschen sind), sondern ihre Politik nach wirklichen oder vermeintlichen Mieterinteressen ausrichten. Deshalb glaube ich, dass es in der nächsten Legislaturperiode durchaus zu einer Wiedereinführung der degressiven AfA kommen könnte. Natürlich werden die Politiker, die diese degressive AfA einführen, später diejenigen als „Abschreibungskünstler“ beschimpfen, die die von der Politik dann wieder eingeführten „Steuerschlupflöcher“ nutzen.
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