Offene Immobilienfonds – kein Auslaufmodell. Story des Produktes muss aber neu geschrieben werden

Erschienen am 20. Juli 2009

„Die ‚Story’ des offenen Immobilienfonds muss neu geschrieben werden. Da die Immobilienmärkte – auch in Deutschland und Europa – volatiler geworden sind, kann auch von den offenen Fonds kein gleichförmig-stetiger Verlauf erwartet werden. Auch ein Negativ-Ergebnis eines Fonds in einem Jahr wäre keineswegs eine Katastrophe, sondern lediglich Ausdruck der Tatsache, dass die Märkte volatiler geworden sind und die Bewertungen dies widerspiegeln. Die offenen Fonds haben durch die Kommunikation der ‚alten Story’, die sehr einseitig darauf abhob, dass es mit der Fondsperformance in den letzten 40 Jahren stets nur aufwärts ging, Erwartungshaltungen bei Anlegern, Vertrieben und Medien aufgebaut, die sie in Wahrheit nicht einhalten können.“ (Rainer Zitelmann, Die Macht der Positionierung, Rudolf Müller Verlag, Köln 2005, S.37).

 

Der offene Immobilienfonds sorgt in diesen Tagen wieder für Schlagzeilen und es wird bald wieder heftig über die Zukunftsfähigkeit des Produktes diskutiert werden. Viele in der Branche schauen nostalgisch auf die guten alten Zeiten zurück: Da gab es ein Immobilienprodukt, das immer täglich zurückgegeben werden konnte, bei dem es niemals ein negatives Vorzeichen in der Wertentwicklung gab und bei dem eine „5“ vor dem Komma fast garantiert erschien. Diese Geschichte war zu schön, um wahr zu sein. Kritische Geister haben sie ohnehin nie so recht geglaubt, obwohl diese Story – auch das muss man der Fairness halber sagen – über viele Jahrzehnte genau so gestimmt hatte. Doch diese Zeiten sind vorbei. Und zwar unwiderruflich.

Die offenen Immobilienfonds haben sich differenziert. Sie unterscheiden sich in ihrer geographischen Ausrichtung ebenso wie mit Blick auf die Nutzungsarten und die Anlagestrategien. Sie investieren heute oftmals weltweit und sind damit den starken Volatilitäten an den internationalen Märkten in ganz anderer Weise ausgesetzt als dies früher der Fall war, als sie in dem über viele Jahrzehnte ziemlich stabilen deutschen Markt investierten.

Inzwischen hat es sich herumgesprochen: Der offene Immobilienfonds ist erstens nicht immer offen, sondern manchmal eben auch geschlossen. Anleger, die ihn als Geldmarktfonds-Surrogat und nicht als grundsätzlich langfristige Anlage gesehen haben, werden den Fonds künftig (hoffentlich) fernbleiben. Und der offene Immobilienfonds weist ebenso wenig wie ein Rentenfonds garantiert jedes Jahr ein Plus aus, sondern er wird manchmal auch ein negatives Vorzeichen haben. Was jedoch die Attraktivität einer solchen indirekten Immobilienanlage für langfristig orientierte Anleger ebenso wenig mindern sollte, wie die Tatsache, dass Renten- und Aktienfonds eben manchmal auch eine negative Performance aufweisen.

Ich vermute, dass der offene Immobilienfonds bald wieder als „Auslaufmodell“ bezeichnet wird, so wie das in der Vergangenheit schon häufig der Fall war. Deshalb lohnt sich ein Blick zurück in die Geschichte. Ich selbst kann darauf verweisen, dass ich mich in den Phasen, in denen der offene Immobilienfonds als „Auslaufmodell“ bezeichnet wurde, stets sehr nachdrücklich gegen diese Sicht gewandt habe. Ebenso wie ich in Zeiten der Euphorie vor kommenden Krisen des Produktes gewarnt und Fehlentwicklungen scharf kritisiert hatte.

Doch nun ein Blick zurück, der auch hilft, die aktuellen Ereignisse einzuordnen: Die Entwicklung der Mittelzuflüsse zu offenen Immobilienfonds war in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr wechselhaft. Von ihrer Entstehung im Jahr 1959 bis zum Jahr 1979 flossen offenen Immobilienfonds insgesamt weniger als zwei Mrd. Euro zu. Auch in den achtziger Jahren lagen – bis zum Jahre 1987 – die Mittelzuflüsse pro Jahr jeweils deutlich unter einer Mrd. Euro. Erstmals hatten offene Immobilienfonds 1987 höhere Mittelzuflüsse zu verzeichnen, und zwar von 1,5 Mrd. Euro. Allerdings gab es bereits im Jahr 1990 leichte Abflüsse in Höhe von 118 Mio. Euro. Einen ersten Höhepunkt erreichten die Mittelzuflüsse im Jahr 1994 als den Fonds 7,5 Mrd. Euro zuflossen, ein Ergebnis, das in ähnlicher Höhe in den Jahren 1996 und 1999 wiederholt wurde.

Erstmals kam es dann im Jahr 2000 zu größeren Mittelabflüssen bei offenen Immobilienfonds. In diesem Jahr betrug der Netto-Mittelabfluss 2,8 Mrd. Euro. Die Ursache lag in dem Aktien-Boom, der Ende des Jahrtausends zu bisher nie dagewesenen Investitionen deutscher Anleger in Aktienfonds führte. In den Jahren 1999 und 2000 verzeichneten Aktienfonds 31,5 bzw. 65,7 Mrd. Euro Netto-Mittelzufluss. Daneben hatten andere Investmentfonds-Gattungen keine Chance – sie galten als „langweilig“ und unattraktiv. Im Jahr 2000 zogen nicht nur Anleger offener Immobilienfonds 2,8 Mrd. Euro ab, sondern auch die Rentenfonds verzeichneten in diesem Jahr die höchsten Mittelabflüsse, die es bis dahin jemals bei dieser Fondsgattung gegeben hatte (8,7 Mrd. Euro).

Viele Skeptiker stellten in dieser Situation die Frage, ob offene Immobilienfonds nicht ein Auslaufmodell seien. Es wurde argumentiert, die Zukunft der indirekten Immobilienanlage liege eher bei Immobilien-Aktien, die in anderen Ländern bekanntlich das bevorzugte Mittel der indirekten Immobilienanlage sind. Die Marktkapitalisierung der im DIMAX notierten Immobilien-AGs stieg in der Tat im Jahr 1998 um 40 % auf 8,95 Mrd. Euro und konnte im Jahr 1999 abermals um 71 % auf 15,29 Mrd. zulegen. Allerdings bewahrheitete sich die Prognose der Skeptiker nicht, die damals den offenen Immobilienfonds aus „Auslaufmodell“ bezeichneten und die Zukunft bei den börsennotierten Immobilien AGs sahen. Denn die börsennotierten Immobilien-AGs verloren in den Folgejahren zunächst sukzessive an Marktkapitalisierung und waren im Jahr 2004 mit 6,99 Mrd. Euro wieder fast genau auf dem Stand des Jahres 1997 (6,39 Mrd. Euro). Gleichzeitig erlebten offene Immobilienfonds den größten Boom ihrer Geschichte. Die Mittelzuflüsse betrugen im Jahr 2001 7,31 Mrd. Euro, im Jahr 2002 14,9 Mrd. Euro und im Jahr 2003 sogar 13,7 Mrd. Euro!

Die hohen Mittelzuflüsse waren eine Reaktion der durch den Aktiencrash verunsicherten Anleger, die vor allem auf Sicherheit setzten. Da offene Immobilienfonds in den genannten Jahren im Vergleich zu Rentenfonds eine attraktivere Performance aufwiesen, flossen ihnen erhebliche Mittel zu.

Auslöser der ersten großen Krise der offenen Immobilienfonds waren u.a. ein Bestechungsskandal bei der Gesellschaft Deka im Jahre 2005, eine deutlich rückläufige Performance bei vielen Fonds und Warnungen der Ratingagentur Scope mit Blick auf Fonds der Gesellschaft KanAm. Diese Entwicklungen führten dazu, dass bei mehreren offenen Immobilienfonds um die Jahreswende 2005/2006 erhebliche Mittel abflossen. Erstmals in ihrer Geschichte mussten drei offene Immobilienfonds von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen, vorübergehend die Rücknahme der Anteilsscheine auszusetzen. Es handelte sich um einen Fonds der DB Real Estate (heute RREEF) sowie um zwei Fonds des unabhängigen Anbieters KanAm. Alle drei Fonds konnten jedoch schon nach wenigen Monaten wieder öffnen und die Anleger, die den Fonds treu geblieben waren, konnten sogar teilweise erhebliche Gewinne verbuchen.

Warum konnten die offenen Immobilienfonds die Krise seinerzeit so rasch meistern? Die Fonds hatten das Glück, dass die Krise zeitlich mit einem Hype an den internationalen Immobilienmärkten zusammentraf. Eine nie zuvor dagewesene Nachfrage nach deutschen Immobilien trieb die Preise in die Höhe und ermöglichte es den Fonds, Immobilien teilweise sogar zu Preisen deutlich oberhalb der Buchwerte zu verkaufen. Auf den ersten Blick schienen damit jene Kritiker widerlegt, die immer wieder Zweifel an der Richtigkeit der von den unabhängigen Sachverständigen vorgenommenen Immobilienbewertungen artikuliert hatten. Die Mittelabflüsse bei offenen Immobilienfonds erreichten in den beiden Krisenjahren bis dahin nie gekannte Höhen: 2005 flossen 3,42 Mrd. Euro ab, 2006 flossen sogar 7,4 Mrd. Euro ab.

Auch in dieser Situation erklärten wieder viele Kritiker, der offene Immobilienfonds sei ein Auslaufmodell. Wiederum hieß es, der offene Immobilienfonds habe einen systematischen Fehler, weil langfristige Assets kurzfristig finanziert würden. Viele Beobachter setzten wiederum darauf, dass mittelfristig börsennotierte Immobilien-Aktien, insbesondere die mit dem Gesetz vom 23.März 2007 in Deutschland erstmals eingeführten REITs, offene Immobilienfonds als bevorzugte Form der indirekten Immobilienanlage in Deutschland ablösen würden. In der Tat setzte bereits im Herbst 2004 ein bisher nie dagewesener Boom bei den Immobilien-Aktien in Deutschland ein. Zwischen dem 25.9.2004 und dem 23.2.2007 legte der deutsche Immobilien-Aktien-Index DIMAX um 128% zu. Die Marktkapitalisierung der deutschen Immobilien-Aktien konnte sich von 2004 bis 2007 von knapp sieben auf fast 15 Mrd. Euro mehr als verdoppeln.

Die Prognose, offene Immobilienfonds seien ein Auslaufmodell und würden nunmehr auch in Deutschland durch REITs abgelöst, erwies sich jedoch als unrichtig. Bis heute gibt es in Deutschland nur zwei REITs mit einer sehr geringen Marktkapitalisierung. Zwischen dem Februar 2007 und dem März 2009 verlor der DIMAX 74%. Gleichzeitig erholten sich die offenen Immobilienfonds, die im Jahre 2007 einen Netto-Mittelzufluss von 6,68 Mrd. Euro zu verzeichnen hatten. Die Krise der offenen Immobilienfonds schien damit vorüber. Die Performance der Fonds war deutlich gestiegen und ließ diese Anlageform als sehr attraktiv erscheinen. Während Immobilien-Aktien eine viel höhere Volatilität als erwartet zeigten, glänzten offene Immobilienfonds mit einer stabilen Performance.

Die Mittelzuflüsse zu den offenen Immobilienfonds hielten denn auch bis zum Sommer 2008 an. Erst die Pleite von Lehmann Brothers führte schlagartig zu einer Vertrauenskrise auch in dieses Produkt. Die von Angela Merkel ausgesprochene Garantie für Bankeinlagen, von der offene Immobilienfonds als Sondervermögen nicht betroffen waren, führte im Herbst 2008 zu einem nie gekannten Run der Anleger auf Tagesgeldkonten und zu Festgeld. Insbesondere institutionelle Anleger zogen erhebliche Mittel aus den Fonds ab. Allein im Monat Oktober erreichten die Mittelabflüsse aus den offenen Immobilienfonds eine bislang niemals erreichte Größenordnung von über fünf Mrd. Euro.

In dieser Situation zogen viele offene Immobilienfonds die Reißleine und setzten abermals die Rücknahme der Anteilsscheine aus. Insgesamt 13 offene Immobilienfonds machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Allerdings konnte etwa die Hälfte der Fonds bereits nach wenigen Monaten wieder öffnen. In den vergangenen Monaten schien sich die Situation wieder zu stabilisieren. Die offenen Immobilienfonds verzeichneten wieder deutliche positive Mittelzuflüsse.

Die Meisterung der derzeitigen Krise ist für die offenen Immobilienfonds wesentlich schwieriger als es bei der ersten Krise im Jahr 2005/2006 war. Befanden sich die Immobilienmärkte damals in einem weltweiten Boom, so ist der Transaktionsmarkt in diesem Jahr fast zum Erliegen gekommen – insbesondere wegen erschwerter Finanzierungsbedingungen. Der rasche Verkauf von Immobilien zu hohen Preisen, der 2005/2006 die zügige Wiedereröffnung geschlossener Fonds ermöglichte und den Anlegern eine gute Performance bescherte, kann in der jetzigen Situation nicht wiederholt werden.

Viel wird davon abhängen, wie die Wertentwicklung der offenen Immobilienfonds in den nächsten Monaten verläuft. Insgesamt ist mit einer eher rückläufigen Wertentwicklung und einer Ausdifferenzierung zwischen den verschiedenen Produkten zu rechnen.

Der offene Immobilienfonds steht erneut vor einer Bewährungsprobe – der größten in seiner Geschichte. Gelöst werden muss das Fristentransformationsproblem. Hierzu enthält bereits die Novelle des Investmentgesetzes Lösungen, welche jedoch von bestehenden Fonds nur mit längeren Übergangsfristen umgesetzt werden können. Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn der Gesetzgeber bzw. die BaFin die Fristen für eine Änderung der Vertragsbedingungen mit Blick auf die tägliche Rückgabe deutlich verkürzen würde. Und es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber bald die Vorschläge des BVI aufgreift, bei denen es im Kern ebenso um die Entschärfung des Problems der Fristentransformation geht.

Der offene Immobilienfonds hat sich – wenn auch mit erheblicher Verzögerung und nur unter dem Druck der Krise – schon einmal reformiert. Aus einem ehemals nicht besonders transparenten (und deshalb seinerzeit zu Recht kritisierten) Produkt ist inzwischen ein Produkt geworden, dessen Transparenz sogar den börsennotierten Gesellschaften in der Regel deutlich überlegen ist.

Die aktuelle Krise ist leider noch nicht ausgestanden und sie wird neue Verwerfungen mit sich bringen. Sie sollten Anlass sein, das zentrale Thema der Fristentransformation angemessen zu lösen. Und schließlich – ich bleibe dabei! – muss die „Story“ des offenen Immobilienfonds neu geschrieben werden.

Ich glaube, dass alle drei in Deutschland dominierenden Formen der indirekten Immobilienanlage ihre Berechtigung und damit auch eine Zukunft haben – der offene Fonds, der geschlossene Fonds und die Immobilien AG. Alle befinden sich derzeit in einer Krise und müssen sich neu positionieren, um damit zukunftsfähig zu werden.

Der offene Immobilienfonds wird sich mitten zwischen der Immobilien-Aktie und dem geschlossenen Fonds positionieren: Etwas weniger fungibel, aber dafür deutlich weniger volatil als die Immobilien-Aktie und stärker diversifiziert, fungibler, dafür jedoch manchmal mit einer etwas geringeren Rendite als der geschlossene Fonds.

Tendenziell gleichen sich die Produkte ein wenig an: Der geschlossene Fonds wird durch den Zweitmarkt etwas fungibler, der offene Fonds wird etwas an Fungibilität verlieren. Die Volatilität, die man beim geschlossenen Fonds bislang wegen fehlender jährlicher Bewertung meist nicht sieht, wird sichtbarer, wenn die AIFM umgesetzt wird und geschlossene Fonds jährlich ihre Immobilien bewerten lassen müssen.

Die Volatilität des offenen Fonds hat im Vergleich zu früher deutlich zugenommen, was nicht nur der globaleren Anlagestrategie, sondern wohl auch einer realistischeren Bewertung geschuldet ist. Aber sie wird auch künftig deutlich geringer bleiben als bei Immobilien-Aktien, denn ein zweistelliger Kursrückgang bei einem offenen Fonds ist zwar denkbar (in Österreich hat es dies auch jüngst gegeben), aber Verluste von 50 % oder gar 95 %, wie wir sie bei einigen Immo-Aktien erlebt haben, wird es auch in Zukunft mit Sicherheit nicht geben. Insofern bleiben offene Immobilienfonds ein gutes Instrument zur Stabilisierung eines Gesamtdepots.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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