Wie sich die Wahrnehmung von Donald Trump ändert

Erschienen am 8. Mai 2016

Ich lebe derzeit in New York. Und hier merkt man, dass das Bild von Trump ein anderes ist als in Deutschland und Europa. Ja, auch hier polarisiert Trump. Aber während sich wohl fast alle Deutschen – egal welcher politischen Richtung – in ihrer entschiedenen Ablehnung von Trump einig sind, ist es in den USA anders.

Prominente republikanische Politiker wie Mike Huckabee, Newt Gingrich und Dick Cheney haben sich inzwischen hinter Trump gestellt. Auf der anderen Seite haben Politiker wie Jeb Bush und Mitt Romney erklärt, dass sie ihn auf keinen Fall unterstützen werden. Trump macht es seinen (ehemaligen) Gegnern nicht leicht, wie in dem konservativen Sender Fox News gezeigt wurde: Diejenigen, die ihn jetzt nicht unterstützen, bezichtigt er des Wortbruches. In dieser Beziehung hat er in der Sache Recht: Fox News zeigte eine der Präsidentschaftsdebatten, als noch 17 republikanische Kandidaten gegeneinander antraten. Der Moderator fragte damals, wer von den Kandidaten später NICHT den Sieger unterstützen werde, wenn er selbst nicht Kandidat werden würde. Nur einer meldete sich: Das war Trump. Diejenigen, die ihn jetzt unterstützen, macht er jedoch auch lächerlich und erzählt öffentlich, dieser und jener habe ihn angerufen und ihm gesagt, er habe seine Meinung geändert und werde ihn jetzt unterstützen. Und Trump meint, er habe denen dann gesagt, wegen früherer negativer Äußerungen sei ihre Meinungsänderung absolut nicht glaubwürdig.

In den Medien ist das Meinungsbild ebenfalls gespalten. Überall ist Trump das Thema Nr.1. Aber man kann von Konservativen den Einwand lesen, auch Ronald Reagan sei vor seiner Präsidentschaft mit ähnlichen Argumenten bekämpft worden wie heute Trump. Später war er einer der besten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewesen. Im Fall Reagan stimmt das: Er wurde in den USA und vor allem in Europa entweder lächerlich gemacht (als ehemaliger Schauspieler) oder dämonisiert. Später war er ein toller Präsident, der der amerikanischen Wirtschaft sehr gut getan hat und dessen Außen- und Verteidigungspolitik maßgeblich zum Zusammenbruch des Kommunismus beitrug. Doch nur deshalb, weil das damals so war, kann man sicher nicht folgern, dies werde bei Trump genauso kommen.

In einem anderen Kommentar konnte man lesen, Trump gebe den einfachen Leuten eine Stimme, die sonst kein Gehör mehr fänden. Und wie denken die einfachen Leute? Es gibt eine große Unzufriedenheit mit dem Establishment. Das erklärt sowohl den Erfolg des Sozialisten Bernie Sanders bei den Demokraten wie auch von Trump. Ich unterhielt mich mit einem Taxifahrer – einem Marokkaner, der seit 30 Jahren in den New York lebt. Er sagt, er werde auch diesmal – wie immer – Demokraten wählen. Er ist für Hillary Clinton. Die Republikaner verträten nicht die Interessen von kleinen Leuten wie ihm, so meint er. Aber Trump findet er dennoch nicht so schlecht wie die anderen republikanischen Bewerber. Der sei immerhin kein Teil des Washingtoner Establishments. Man kenne ihn hier in New York und er sei nicht so schlimm, wie es gesagt werde. Wählen werde er ihn dennoch nicht, so der Taxifahrer aus Marokko.

In allen Umfragen liegt Hillary Clinton bekanntlich weit vor Trump. Dennoch warnen Journalisten zunehmend, man solle nicht noch einmal den Fehler machen, Trump zu unterschätzen. Am Beginn der Vorwahlen habe dem Außenseiter auch kaum einer zugetraut, Präsidentschaftskandidat zu werden. Die meisten Medien, so schreibt selbstkritisch ein Journalist, hätten ihn ganz gewaltig unterschätzt.

Deshalb ist der Ausgang der Wahlen schwer einzuschätzen. Einerseits wird Trump viele Menschen mobilisieren, die gegen ihn sind – und die sonst nicht zur Wahl gegangen wären. In dieser Beziehung erinnern mich die Wahlen in Deutschland 1980, als der als „rechts“ geltende Franz-Josef Strauß für die Union mit dem Slogan „Freiheit oder Sozialismus“ antrat. Strauß erreichte damals eine hohe Mobilisierung der Wähler, aber vor allem seiner Gegner. Auch Strauß machte vielen Wählern Angst, weil er – so wie Trump – als unberechenbar galt, besonders in der Außen- und Sicherheitspolitik. „Sicherheit für Deutschland. SPD“ so lautete damals der Wahlslogan der Sozialdemokraten gegen Strauß.

Andererseits mobilisiert Trump auch viele Menschen, die normalerweise nicht Republikaner wählen. Während die Demokraten zunehmend auf die Mobilisierung von Minderheiten gesetzt haben, setzt er auf die Mobilisierung von weißen, heterosexuellen Wählern, die den Eindruck haben, sie spielten in der Politik überhaupt keine Rolle mehr. Darunter sind auch viele Arbeiter, die traditionell eher Demokraten wählten.

Trump steht aber vor einem Dilemma, hierauf weisen viele Kommentatoren hin: Einerseits muss er jetzt „präsidialer“ wirken und darf, wenn er Wähler der Mitte gewinnen will, nicht mehr so stark polarisieren. Doch genau darauf baute seine gesamte Kampagne bisher auf. Sobald Trump aufhört, zu polarisieren und seine Gegner nicht mehr so scharf angeht, wirkt er sehr langweilig, meint ein Kommentator. Trump könne einfach nicht mit einer Zuhörerschaft umgehen, die nicht ob seiner provokanten und aggressiven Ausfälle johlt.

Der Wahlausgang bleibt also spannend, trotz des scheinbar uneinholbaren Vorsprungs von Clinton.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.