In jeder Krise suchen die Menschen früher oder später nach Schuldigen. In der Corona-Krise sehen immer mehr Bill Gates als den Verantwortlichen: Um die Weltherrschaft zu errichten, allen Menschen Mikrochips einzupflanzen oder die Entvölkerung des Planeten vorzubereiten bzw. Milliarden an einem Impfstoff zu verdienen, habe er das Corona-Virus entwickelt. Mit Anhängern dieser Theorien zu diskutieren, ist genauso erfolgversprechend wie mit Scientologen oder mit Anhängern der Weltuntergangssekte „Extinction Rebellion“ zu argumentieren.
Woher kommt der Hass gegen Bill Gates? Gates ist mit einem Vermögen von über 100 Milliarden Dollar der zweitreichste Mensch der Welt, lange Zeit war er sogar der reichste. Zugleich ist er der größte Spender der Welt und hat viele Milliarden Dollar aus seinem Privatvermögen in Programme zur Bekämpfung von Hunger und Armut gesteckt. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten der Stiftung, die er zusammen mit seiner Frau leitet, liegt im medizinischen Bereich. Schon vor fünf Jahren warnte er vor einer Corona-Pandemie. Doch die Gates-Hasser machen aus dem Warner den Urheber des Virus.
Gates hat schon länger die Fantasien von Antikapitalisten und Reichenhassern beflügelt. Der linke Dortmunder Philosoph Christian Neuhäuser schreibt in seinem Buch „Reichtum als moralisches Problem“: „Wenn ich einen sehr reichen Akteur, vielleicht Bill Gates, in seinem Stolz verletzt habe, kann er mich mit seinem Geld auf die grausamste Weise traktieren, ohne dass ich dagegen etwas tun könnte. Er kann mich mit endlos vielen Rechtsanwälten belästigen. Er kann das Unternehmen, für das ich arbeite, einfach kaufen und meinen Arbeitsplatz wegrationalisieren. Er kann mein ganzes Wohnviertel kaufen und nach Belieben verschandeln. Dasselbe kann er bei allen Menschen tun, die mir lieb sind. Immer wenn ich irgendwohin in den Urlaub fahre, kann er genau an diesem Ort eine nervtötende Veranstaltung organisieren. Er kann sich noch viel mehr Ärger für mich ausdenken.“
Der Philosophieprofessor will Gates dies nicht unterstellen, aber er will damit zeigen, dass Gates und andere Reiche allein durch ihren Reichtum eine Bedrohung für die Menschheit darstellen, weil sie ihren Reichtum ja theoretisch dafür nutzen könnten, solcherlei fiese Dinge zu unternehmen.
Die Verschwörungstheorien gegen Gates kommen aus den USA, aber in Deutschland sind sie inzwischen verbreiteter als dort. Und das hat einen Grund. Deutsche sind besonders anfällig für „Sündenbock“-Denken, wie eine Befragung des Allensbach Institutes für mein Buch „Die Gesellschaft und ihre Reichen“ ergeben hat. Den Befragten wurde folgende Aussage vorgelegt: „Superreiche, die die immer mehr Macht wollen, sind schuld an vielen Problemen auf der Welt, z.B. an Finanzkrisen oder humanitären Krisen.“ In Deutschland stimmten 50 Prozent der Befragten zu, in Frankreich 33, in den USA 25 und in Großbritannien 21 Prozent.
Superreichen traut man nur Schlechtes zu, auch (und vielleicht erst Recht), wenn sie – wie Bill Gates – Gutes tun. Es wurde auch gefragt, was man glaubt, warum Reiche für philanthropische Aktivitäten spenden: Um anderen etwas Gutes zu tun oder nur, um sich selbst Vorteile zu verschaffen (z.B. Steuern zu sparen oder ihr Image aufzubessern). 51 Prozent unterstellen Reichen, sie spendeten aus egoistischen, nur 14 Prozent nannten altruistische Motive. Am stärksten war die Abneigung bei Anhängern von Linkspartei und AfD, von denen 65 Prozent 58 Prozent reichen Spendern eigennützige Motive unterstellen.
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