Zweckoptimismus und Verdrängung helfen nicht weiter

Erschienen am 9. Dezember 2013

„Mit der Mietpreisbremse läutet die Politik das Ende des Mieterlandes Deutschland ein“, so konstatierte nach Bekanntwerden des Koalitionsvertrages Walter Rasch, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Ganz so wird es nicht kommen, aber das Statement von Rasch ist jedenfalls realistischer als die von wenig Sachkenntnis geprägten Meinungen vieler Marktteilnehmer, die sich einreden, die Mietpreisbremse werde ihr Geschäft nur unwesentlich beeinträchtigen.

Optimismus und positives Denken sind wichtige Voraussetzungen für unternehmerischen Erfolg, doch in einer zu hohen Dosis haben sie auch außerordentlich schädliche Nebenwirkungen. Viele Reaktionen auf die „Mietpreisbremse“ sind von Wunschdenken geprägt. Als ich im Februar 2013 erstmals davor warnte, dass eine Mietpreisbremse kommen könne, hielten das die meisten Marktteilnehmer für extrem unwahrscheinlich. Schließlich, so argumentierten sie, würde das ja zu einem erheblichen Einbruch beim Mietwohnungsbau führen, und das könne ja wohl nicht gewollt sein. Also hieß es, es werde schon nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht werde. „Und also schließt er messerscharf, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.“

Ich beobachte beim Thema Mietpreisbremse nicht zum ersten Mal, dass die Branchenteilnehmer die Wucht von staatlichen Regulierungen unterschätzen. Ende 1998/Anfang 1999, damals war ich noch Journalist bei der WELT, recherchierte ich Pläne des Finanzministeriums zur Einführung von Verlustausgleichsbeschränkungen, welche verheerende Wirkungen für die Steuersparbranche haben würden. Doch zunächst reagierten fast alle Marktteilnehmer mit Ungläubigkeit. Tenor fast aller Stellungnahmen. So etwas könne ja gar nicht kommen, denn das würde ja heißen dass… Zudem seien die Regelungen, über die ich berichtete, ganz offensichtlich verfassungswidrig – und schon deshalb könnten sie nicht kommen.

Doch was passierte? Im März 1999 wurden die Paragrafen 2b EStG und 2 Abs. 3 EStG beschlossen. Ja, sie waren beide verfassungswidrig. Doch bis das Bundesverfassungsgericht dies feststellte, verging fast ein Jahrzehnt. Und viele Marktteilnehmer, deren Geschäftsmodell in der Auflage von Steuersparprodukten bestand, waren bis dahin schon längst insolvent.

Auch als ich vor einigen Jahren warnte, dass die AIFM-Richtlinie zu erheblichen Beeinträchtigungen für die Branche führen werde, hielten die meisten dagegen, sie seien angeblich entweder nicht betroffen oder man werde sich mit einem ganz geringen Aufwand an die Richtlinie anpassen. Alle, die glaubten, sie seien nicht betroffen, wurden später eines Besseren (oder Schlechteren) belehrt. Und alle, die glaubten, man werde sich mit einem geringen Aufwand darauf einstellen können, mussten erkennen, dass das nicht so ist.

Ob bei Steueränderungen, Regulierungsvorschriften oder Mietpreisbremse, der Ablauf der Reaktionen ist stets gleich gewesen:

  1. Man verschließt die Augen davor, hofft naiverweise auf die Rationalität der Politik und bestreitet, dass entsprechende Regelungen wirklich Gesetz werden könnten. („Das kann ja gar nicht sein, denn das würde ja bedeuten, dass….“ oder „Das ist ja verfassungswidrig.“ usw.)
  2. Nachdem diese Verdrängungsmechanismen nicht mehr funktionieren, behauptet man pauschal – und ohne sich differenziert damit auseinandergesetzt zu haben – die Sache werde schon nicht so schlimm kommen, man selbst sei ja gar nicht betroffen oder die Auswirkungen seien marginal. („Wir sind nicht betroffen, weil …“ oder „Es wird schon nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“)
  3. In einer dritten Stufe ist man einfach frustriert, schimpft auf die Politik und ist fassungslos („Schweinerei!“).
  4. In einer vierten Stufe beginnt man, die unangenehmen Realitäten anzuerkennen, setzt sich damit auseinander und stellt sich auf die neuen Gegebenheiten ein.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.