Die Stunde der Sachwerte

Erschienen am 2. Mai 2011

Die Notenbanken drucken ohne Hemmungen Geld, die Staatsverschuldung steigt überall – und deshalb sagt der Wechselkurs der Leitwährungen US-Dollar, Euro und Yen gar nichts mehr aus. Was zählt, ist der Wechselkurs zur einzig verbliebenen stabilen Währung, die eben nicht beliebig vermehrbar ist – zum Gold. Letzten Freitag erreichte Gold sowohl in US-Dollar wie auch in Euro einen neuen historischen Höchststand. Man kann es auch andersherum formulieren: Der Wert des Euro und des Dollar sind in den letzten Jahren massiv gefallen, nimmt man den Goldpreis als Maßstab. Wer vor vielen Jahren auf meine Empfehlung gesetzt hat und in Gold investierte, hat sein Vermögen inzwischen vervielfacht.
Die Explosion des Goldpreises drückt die berechtigte Verunsicherung der Anleger über die Politik und die Notenbanken aus. Ich glaube, die massiv steigende Nachfrage nach Gold und Immobilien ist nur der Anfang einer Flucht in die Sachwerte.
Immer mehr Menschen wird bewusst: Wer sein Geld auf das Sparbuch einzahlt oder als Tagesgeld liegen lässt, geht ein sehr hohes Risiko ein, weil sein Geld nicht die geringste Chance hat, sich zu vermehren. Selbst bei einer nur moderaten Inflation wird das entsprechende Vermögen auf diese Weise durch die schleichende Geldentwertung sowie durch die auf die Zinsen fälligen Steuern sukzessive vernichtet. Eine „moderate Inflation“ erwarten die Anleger jedoch nicht. Die Inflationsrate steigt jetzt bereits wieder deutlich an und wird in den nächsten Monaten noch stärker anziehen. Die „gefühlte“ Inflation, die das Denken und Handeln der Anleger stärker bestimmt als die offiziellen Inflationsraten, wird durch massive Erhöhungen von Benzin- und Lebensmittelpreisen in die Höhe getrieben. Auch dies führt dazu, dass Anleger verstärkt darüber nachdenken, wie sie ihr Geld inflationsgeschützt anlegen können.
Viele deutsche Anleger haben erhebliche Geldsummen in Kapital-Lebensversicherungen investiert, in deren Anlagespektrum Sachwert-Anlagen wiederum stark untergewichtet sind. Kapitallebensversicherungen investieren oft nur jeweils drei bis fünf Prozent der Gelder in Aktien und Immobilien, meist stecken 80 bis 90 Prozent der Versichertengelder in Anleihen. Insbesondere in Zeiten hoher Geldentwertung ist eine so einseitig auf Anleihen fokussierte Anlagestrategie jedoch höchst riskant.
Und mit eben solchen Zeiten hoher Geldentwertung rechnen viele Anleger in den kommenden Jahren. Die Politik der Notenbanken, die nach der Finanzkrise eine fortgesetzte Niedrigzinspolitik betrieben und die Welt mit „billigem Geld“ überflutet haben, nährt solche Befürchtungen. Zugleich machen sich viele Anleger zu Recht Sorgen über die immense Staatsverschuldung. Nicht nur die südeuropäischen Länder, sondern auch Japan, Großbritannien und die meisten anderen westeuropäischen Länder – wie auch Deutschland – haben einen immensen Schuldenberg aufgebaut. Die staatlichen Stützungsmaßnahmen für Banken im Zuge der Finanzkrise haben die ohnehin massive Staatsverschuldung noch einmal in eine völlig neue Dimension katapultiert.
Bislang ist nicht zu erkennen, dass die Gesellschaften irgendwelche Lehren aus der Finanzkrise gezogen haben. Nach der vorherrschenden Meinung war die Finanzkrise ein Ergebnis von zu geringer Regulierung. Entsprechend dieser Diagnose antwortet die Politik mit immer neuen Regulierungen des Finanzmarktes, die ebenso unsinnig wie wirkungslos sind. Nur noch wenige Experten finden sich in der schier unübersehbaren Flut ständig neuer regulatorischer Vorschriften und Vorhaben zurecht, von denen keine einzige geeignet ist, eine neue Finanzkrise zu verhindern oder auch nur zu lindern.
Ich glaube, dass die Diagnose ebenso falsch ist wie die Therapie. Und auch viele Anleger trauen dem Frieden nicht und fragen sich, was denn sein wird, wenn eine neue Finanzkrise ausbricht. Nochmalige staatliche Rettungsaktionen in dem Umfang, wie wir ihn gesehen haben, sind undenkbar. Deshalb fürchten nicht nur „Untergangspropheten“, dass die Politik den Ausweg in einer bewusst herbeigeführten inflationären Entwicklung suchen könnte, welche die Staatsschulden reduzieren würde.
Die Furcht vor einer solchen Politik hat das Interesse der Anleger verstärkt auf Sachwertanlagen gelenkt. In der Tat bieten viele Sachwerte Aussicht auf einen guten Inflationsschutz. Aber auf der anderen Seite ist der Zusammenhang nicht immer so einfach, wie er auf den ersten Blick erscheint. So sind pauschale Aussagen wie „Immobilien bieten als Sachwerte einen guten Inflationsschutz“ oder „Aktien bieten einen guten Inflationsschutz“ unzulässig. Untersuchungen belegen, dass beispielsweise bei Immobilien zwischen verschiedenen Nutzungsarten – Büroimmobilien, Einzelhandelsimmobilien, Wohnungen u. a. – differenziert werden muss. Zudem gibt es Marktphasen, in denen die Inflationsschutzeigenschaft eindeutig nachzuweisen ist und andere, in denen dies nicht gilt. So gab es Jahre, in denen gleichzeitig die Inflation massiv anstieg und die Aktienkurse stark nachgaben, was inflationsbereinigt zu besonders hohen Verlusten für Aktionäre führte. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass Aktien eine gute langfristige Absicherung gegen Inflation darstellen und nur schwachen oder gar keinen kurzfristigen Schutz gegen steigende Preise bieten. Aber diese Untersuchungen beziehen sich natürlich – wie könnte es anders sein – auf in der Vergangenheit zu beobachtende statistische Zusammenhänge und bieten keinen sicheren Hinweis darauf, dass es sich in der Zukunft ähnlich verhalten wird. Dennoch liegt auf der Hand, dass klug ausgewählte Sachwert-Investitionen jedenfalls in der Regel einen besseren Schutz bei einer starken Geldentwertung bieten werden als konventionelle Staatsanleihen, mit denen Anleger dann auf der Verliererseite stehen werden.
Wenn die Anbieter von Immobilien und Beteiligungsmodellen nicht ihre eigenen Interessen, sondern jene der Anleger im Auge haben und entsprechend fair konzipierte Produkte an den Markt bringen, dann könnten die kommenden Monate und Jahre einen bislang ungeahnten Aufschwung für unsere Branche bringen.

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.

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