Bitcoin – große Chance oder große Blase?

Erschienen am 21. März 2021

Über das Thema Bitcoin – oder generell: „Kryptowährungen“ – wird meist mit großen Emotionen gestritten. Das macht mich bereits skeptisch. Große Emotionen sind bei Investitionen meistens schädlich.

Beim Bitcoin sind es mehr als nur Emotionen, manchmal hat man das Gefühl, dass fast mit religiöser Inbrunst argumentiert wird. Da scheint wenig Raum für Zwischentöne und nüchterne Analyse zu sein. Lassen Sie es mich dennoch versuchen.

Kritik am FIAT-Money

Befürworter des Bitcoin sind oft Kritiker des heute herrschenden Währungssystems, das sie mit „Papiergeldsystem“ oder auch „FIAT-Money“ bezeichnen. Mit „Fiat Money“ ist »stoffwertloses« Geld gemeint, bei dem ein rechtsverbindlicher Anspruch auf Eintausch gegen eine fest fixierte Menge Edelmetall fehlt. Dass die Kritik am „FIAT-Money“ heute überhaupt zu einem Thema wird, liegt an der Politik der Zentralbanken, die insbesondere seit der Finanzkrise immer abenteuerlicher wurde. Die Geldmenge ist seit etwa 2009 stark ausgeweitet worden, es wird immer mehr Geld gedruckt. Viele Staatsanleihen – z.B. in Deutschland – haben schon negative Zinsen, d.h. der Anleger bekommt nicht Geld vom Staat, sondern muss dem Staat Geld bezahlen, wenn er dessen Anleihen kauft. Kritiker befürchten, dies werde zu einer Inflation oder sogar zu einer Hyperinflation führen. Zwar ist die Inflationsrate in den letzten Monaten gestiegen, aber die große Inflation der Güterpreise ist ausgeblieben, obwohl seit 2008 davor gewarnt wird. Dafür ist jedoch eine Aufblähung der Preise für alle Asset-Klassen erfolgt, vor allem für Staatsanleihen und Immobilien, aber auch für Aktien. Kritiker dieser Politik fürchten zu Recht, dies werde kein gutes Ende nehmen. Manche kaufen daher Gold, um sich für den Fall einen Finanzcrahs abzusichern.

Hayeks Idee des privaten Geldes

Was hat das alles mit dem Bitcoin und „Kryptowährungen“ zu tun? Die Kritik am FIAT-Money ist nicht neu. Schon vor fast einem halben Jahrhundert hat der Ökonom und Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek das Papiergeldsystem kritisiert und im Jahr 1975 in seinem Vortrag „Choice of Currency“ vorgeschlagen, das staatliche Geldmonopol abzuschaffen. Er warb dafür, dass jeder die Freiheit haben sollte, Güter anzubieten, die sich als Geld etablieren könnten. Es solle nicht mehr dem Staat vorbehalten werden, Geld zu schöpfen, sondern jedermann solle Geld anbieten dürfen. Im Wettbewerb würde sich, so wie das in der Marktwirtschaft üblich ist, der Bessere durchsetzen.

Anhänger des Bitcoin und anderer „Kryptowährungen“ sehen darin eine praktische Umsetzung von Hayeks Idee des Privatgeldes. Aber ist der Bitcoin wirklich eine „Währung“? Geld, Währungen, haben verschiedene Funktionen, unter anderem dienen sie der Wertaufbewahrung und als Zahlungsmittel. Der Bitcoin eignet sich für beides nicht. Wegen der großen Wertschwankungen ist er als Wertaufbewahrungsmittel völlig ungeeignet. Und es sind sehr seltene Ausnahmen, dass der Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Das mag im Bereich der Organisierten Kriminalität eine Rolle spielen, aber nicht im normalen Zahlungsverkehr. Jüngst hat Elon Musk zwar angekündigt, für seine Tesla-Autos auch Bitcoin-Zahlungen zu akzeptieren, aber ob das wirklich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Der Begriff „Kryptowährung“ ist daher eigentlich falsch und man sollte ihn in Anführungszeichen setzen, weil es sich nicht um eine Währung handelt.

Für die meisten Menschen, die heute in „Kryptowährungen“ investieren, sind diese vor allem ein Spekulationsobjekt: Sie kaufen eine solche „Kryptowährung“ weil sie auf hohe Gewinne spekulieren, die in der Tat in der Vergangenheit möglich waren. Wer zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen ist, konnte seinen Einsatz vervielfachen. Hohe Gewinne an sich sind jedoch kein Argument dafür, dass es sich überhaupt um eine „Investition“ handelt, die man in Erwägung ziehen sollte. Auch im Spielcasino kann man hohe Gewinne erzielen, und dennoch würde niemand auf die Idee kommen, einen Einsatz im Spielcasino als „Investition“ zu bezeichnen.

Spekulationsblase?

Kritiker des Bitcoin verweisen auf Spekulationsblasen, die es seit Jahrhunderten immer wieder gibt und die am Schluss platzen. So wird an die „Tulpenzwiebelmanie“ im 17. Jahrhundert in Holland erinnert, als spezielle Tulpenzwiebeln zum Spekulationsobjekt wurden. Teilweise wurde für eine einzige Zwiebel so viel gezahlt wie für die teuersten Häuser in Amsterdam. So wie bei allen Blasen platzte diese Blase letztlich – und genau dies befürchten auch Bitcoin-Kritiker.

Dazu muss man aber sagen, dass auch solide und etablierte Anlagen zum Spekulationsobjekt werden können, so wie etwa Aktien oder Immobilien. Zu erinnern sei an die Auswüchse bei den Preisen für amerikanische Häuser, die sich zwischen Anfang der 2000er Jahre in vielen amerikanischen Städten aber auch in manchen Städten und Regionen Europas vervielfachten – bevor die Blase dann platzte. Auch der „New Economy“-Hype am Aktienmarkt Ende der 90er-Jahre ist ein Beispiel für eine solche Blase. Allein die Tatsache, dass es zu einer Blasenbildung bei einer Anlageart kommt, spricht also noch nicht grundsätzlich gegen diese Anlage.

Aber ich würde immer vorsichtig sein, wenn irgendetwas „Mode“ ist und einem viele Leute im Bekanntenkreis sagen, man solle jetzt darin investieren. Bei mir gehen dann immer alle Alarmglocken an. Ich bin dadurch reich geworden, dass ich nie etwas gemacht habe, was Mode war – sondern eher in Assets investierte, wo viele andere mit dem Kopf schüttelten. Wenn es später dann Mode war, in diese Assets zu investieren – so etwa in Immobilien in meiner Heimatstadt Berlin – habe ich verkauft. Wer in Dinge investiert, die gerade „Mode“ sind, darf erstens keinen langfristigen Anlagehorizont und sollte zweitens viel Glück haben. Ich würde mich beim Investieren jedoch nie auf mein Glück verlassen.

Was „Kryptowährungen“ anlangt, hat Gerd Kommer es gut auf den Punkt gebracht: „Viele Privatanleger haben nicht verstanden, dass Krypotwährungen entweder ein Spekulationsobjekt oder ein Zahlungsmittel sein können, aber nicht beides zugleich. Wenn Kryptowährungen zu dem würden, was sie eigentlich sein sollten, aber nicht sind, nämlich zu echten Währungen, die tatsächlich in mehr als nur mikroskopischem Umfang als Zahlungsmittel eingesetzt werden, statt wie bisher primär als Zocker- und Spekulationsobjekt, dann würde ihre erwartete inflationsbereinigte Rendite auf nahe null sinken, wie das für alle Währungen der Fall ist.“

Unterschied zum Gold

Der Bitcoin wirft, anders als Aktien oder Immobilien, mit denen man meist eine Dividende oder Mietrendite erzielt, keine Erträge ab, weshalb ein angemessener innerer Wert nicht berechnet werden kann. Bitcoin-Anhänger wenden gegen dieses Argument ein, dies habe der Bitcoin mit Gold gemeinsam, das auch keine Erträge abwirft. Der stimmt zwar, aber der Vergleich hinkt insofern, als es den Bitcoin seit 12 Jahren gibt, während sich die ersten Hinweise, dass Gold als Geld verwendet wurde, im Codex Hammurapi des Königs von Babylon, 1870 Jahre vor Christi Geburt finden. In China verwendete man bereits 1100 Jahre vor Christi Geburt Gold als Geld, und zwar in Form kleiner Würfel.

Solche Traditionen sind von Gewicht, denn eine der der wichtigsten Erkenntnisse, des bereits erwähnten Ökonomen von Hayek lautet, dass der Ursprung von funktionierenden Institutionen „nicht in Erfindung oder Planung, sondern im Überleben der Erfolgreichen“ liege, wobei „die Auswahl durch Nachahmung der erfolgreichen Institutionen und Bräuche“ erfolge. Gold hat diesen Test seit Jahrtausenden bestanden. Ob eine der „Kryptowährungen“ diese „Auswahl durch Nachahmung“ erleben wird, ist noch völlig offen.

Investitionen sollten meist langfristig angelegt sein und sie sollten nicht allein davon abhängen, dass sich morgen ein anderer findet, der bereit ist, mehr für ein Gut zu bezahlen, als ich heute bezahlt habe. Natürlich kann man damit „Glück“ haben, und ich gönne dieses Glück jedem Käufer von „Kryptowährungen“, so wie ich es jedem Glücksspieler im Casino gönne.

Vergessen Sie Ihre Weltanschauung beim Investieren

Vor einem möchte ich jedoch warnen: Sie sollten Ihre weltanschaulichen Überzeugungen bei Investitionen ablegen, wo wie Sie einen Mantel an der Garderobe abgeben. Ich selbst interessiere mich mein Leben lang für Politik und habe eine sehr ausgeprägte politische Meinung – doch bei der Geldanlage vergesse ich diese. Ich habe beispielsweise manche Sympathien für libertäre Positionen. Ich muss jedoch häufig Diskussionen mit Menschen führen, die politisch so ähnlich denken wie ich und die daraus dann direkte Folgerungen für die Geldanlage ableiten. Sie kritisieren Papiergeld (Fiat-Geld) mit vielen richtigen Argumenten, folgern dann aber, man solle sein Geld in „Kryptowährungen“ investieren. Die meisten Menschen, die so denken, haben starke politische Meinungen, haben aber sonst nie mit Investitionen viel Geld verdient. Politische Überzeugungen sind meist mit starken Emotionen verbunden – und genau diese Emotionen sind beim Investieren fehl am Platz.

Rainer Zitelmann ist Autor des Buches „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“. Zugleich ist er ein erfolgreicher Immobilieninvestor.

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