Hass und Vorurteile gegen Asiaten in den USA nehmen zu

Erschienen am 20. März 2021

Sozialneid ist eine Hauptursache für Vorurteile gegen Asiaten. Im Unterschied zu anderen Minderheiten werden Asiaten in den USA auch ganz offiziell diskriminiert – z.B. bei der Zulassung zu Universitäten.

Nach tödlichen Angriffen auf mehrere asiatische Massagesalons im Großraum Atlanta, bei denen acht asiatisch aussehende Menschen umgebracht wurden, haben US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris Hass und Rassismus aufs Schärfste verurteilt. Zwar ist der Hintergrund dieser Tat noch nicht klar, aber unabhängig davon, welche Rolle in diesem Fall anti-asiatischer Hass spielt, zeigen die Zahlen, dass Asiaten in den USA seit Ausbruch der Pandemie zunehmend diskriminiert werden.

Laut einer Umfrage des Pew Research Centers berichten drei von zehn Asian-Americans (31 %), dass sie seit Beginn der Pandemie rassistische Beleidigungen oder rassistische Witze erlebt haben. In einem aktuellen Report wird von 3.795 anti-asiatischen Vorfällen berichtet, die bei der Meldestelle „Stop AAPI Hate“ vom 19. März 2020 bis zum 28. Februar 2021 eingegangen sind. Zwar machen verbale Belästigungen gegen Menschen mit asiatischem Aussehen mit 68 Prozent den Großteil der gemeldeten Vorfälle aus, aber 11 Prozent betreffen auch körperliche Angriffe. Chinesen sind die größte ethnische Gruppe (42,2 %), die berichten, Hass zu erleben, gefolgt von Koreanern (14,8%), Vietnamesen (8,5%) und Filipinos (7,9%).

Unterschiede zu Vorurteilen gegen andere Minderheiten

In jeder Krise brauchen die Menschen offenbar Sündenböcke, denen sie die Schuld geben können. In den USA werden seit Beginn der Corona-Krise zunehmend Übergriffe gegen Asiaten bzw. gegen Bürger mit asiatischer Abstammung gemeldet. Doch Vorurteile gegen Asiaten gibt es nicht erst seit der Corona-Krise. Im Unterschied zu Vorurteilen gegen Schwarze und andere Minderheiten, ist ein wesentliches Motiv für Hass gegen Asiaten Sozialneid.

Die Fakten: Der Anteil der Asiaten in der US-Bevölkerung liegt unter 6 Prozent und ist damit deutlich geringer als von Hispanics (18,3%) und Schwarzen (13,4%). Unter allen ethnischen Gruppen der USA haben asiatische Amerikaner die höchste Lebenserwartung, die niedrigste Kriminalitätsrate und auch das höchste Durchschnittseinkommen: Das Haushaltseinkommen von Amerikanern mit asiatischer Herkunft liegt im Median bei 74.829 Dollar und damit 39 Prozent über dem nationalen Medianeinkommen von 53.657 Dollar.

Einwanderer aus dem asiatischen Kulturraum sind höchst erfolgreiche Highschool- und College-Absolventen, 49 Prozent besitzen einen Bachelor-Abschluss, im Vergleich zu 28 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Sie stellen ein Drittel der Teilnehmer bei nationalen Mathe- und Physikwettbewerben.

Der wichtigste Unterschied zu Vorurteilen gegen Schwarze und andere Minderheiten ist, dass Diskriminierung gegen Asiaten ganz offiziell betrieben und gerechtfertigt wird, beispielsweise an amerikanischen Hochschulen. Während schwarze Amerikaner beim Zugang zu Hochschulen durch „Affirmatice Action“-Maßnahmen sogar bevorzugt werden, werden “Asian-Americans” massiv benachteiligt.

Beim Zulassungstest für die renommierte Harvard-Universität etwa brauchen Asiaten deutlich mehr Ergebnispunkte als weiße Studenten und noch viel bessere Ergebnisse als schwarze Bewerber. Auch an anderen Universitäten müssen Asiaten deutlich bessere Ergebnisse bei den Zulassungstests erzielen als weiße oder schwarze Bewerber, werden also negativ diskriminiert. Erst im vergangenen Jahr warf das US-Justizministerium der Yale University der Diskriminierung von Asian-Americans vor. Eine zweijährige Untersuchung habe ergeben, dass diese bei gleichen Leistungen schlechtere Chancen auf einen Studienplatz hätten als schwarze Bewerber.

Was sind die sozialpsychologischen Ursachen für die Vorurteile gegen Asiaten?

Sozialneid ist die Hauptursache für Vorurteile gegen Asiaten

Nach dem von Susan Fiske u.a. entwickelten „model of (often mixed) stereotype content“ wird die emotionale Wahrnehmung von anderen sozialen Gruppen durch zwei Dimensionen bestimmt:

Die erste Dimension ist warmth (Wärme, Herzlichkeit): Fremdgruppen können als warm und freundlich oder als kalt und unfreundlich stereotypisiert werden.

Die zweite Dimension ist competence (Fähigkeit, Tüchtigkeit, Kompetenz).

Es gibt vier mögliche Kombinationen für die Wahrnehmung einer Fremdgruppe:

Warm und kompetent, warm und inkompetent, kalt und kompetent, kalt und inkompetent. Empirische Untersuchungen haben belegt, dass diese Stereotype mit verschiedenen sozialen Gruppen assoziiert werden. In mehreren Versuchen wurden die Personen gebeten, andere soziale Gruppen auf einer Skala von 1 bis 5 hinsichtlich der Dimensionen „Wärme“ und „Kompetenz“ zu beurteilen.

Als warm und kompetent wird meist die eigene Gruppe wahrgenommen – bei den Untersuchungen waren das in der Regel weiße Angehörige der Mittelschicht. Als kalt und sehr kompetent werden Juden, Asiaten und Reiche wahrgenommen:

Untersucht wurde auch, welche Emotionen sich aus der Stereotypisierung dieser Gruppen ergaben. Gruppen, die als kompetent, aber nicht so warm wahrgenommen wurden (Reiche, Juden, Asiaten etc.), wurden gemischte Gefühle von Bewunderung und Neid entgegengebracht, wie die Experimente zeigten.

Stereotype über Asiaten

Wissenschaftler haben das oben beschriebene Modell für zahlreiche Studien angewendet, die Stereotype und Vorurteile über (in Amerika lebende) Asiaten untersuchten. Asiaten werden von Amerikanern als sehr kompetent, aber wenig umgänglich und gesellig (sociability) wahrgenommen. Besonders stark verbanden die 1296 Teilnehmer einer von Lin u.a. durchgeführten Studie folgende Eigenschaften mit Asiaten:

– Sie sind ständig auf der Suche nach mehr Macht

– Sind besessen vom Wettbewerb

– Denken, dass sie klüger sind als alle anderen

– Streben danach, die Nummer eins zu werden

– Motiviert, zu viel Macht in der Gesellschaft zu erlangen

– Vergleichen die eigenen Leistungen mit denen anderer

– Um anderen voraus zu sein, sind sie übermäßig wettbewerbsorientiert

– Haben einen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Erfolg.

Zugleich wurde Asiaten bescheinigt, sie hätten wenig Zeit für Geselligkeit und seien weniger „social“ als andere Gruppen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis: “Asiaten sind daher die Zielscheibe von nachtragenden, neidischen Vorurteilen: Sie werden widerwillig wegen ihrer vermeintlichen Kompetenz respektiert, aber wegen ihrer angeblich mangelnden Geselligkeit nicht gemocht.”

Vorurteile gegen Gruppen wie Asiaten (aber auch gegen Reiche) unterscheiden sich also von Vorurteilen gegen Schwarze oder andere Minoritäten. Sie gehören zu der Gruppe, die einen Mix aus „Bewunderung, Ressentiment, Neid“ erfährt. Um die Ablehnung einer solchen Gruppe zu rechtfertigen, wird – weil ihr Fähigkeiten nicht abgesprochen werden können – auf angeblich geringer ausgeprägte „soziale“ Eigenschaften (also weniger umgänglich etc.) abgestellt.

Vorurteile über Minderheiten werden meist in gesellschaftlichen Krisen mobilisiert. Das war schon immer in der Geschichte so: Im Mittelalter wurden in Europa „Hexen“ und Juden beschuldigt, sie seien Schuld an der Pest. In der Corona-Krise werden bereits bestehende Vorurteile und Stereotype über Asiaten mobilisiert. Sozialneid, weil Asiaten sowohl wirtschaftlich als auch in akademischer Hinsicht erfolgreicher sind, ist der tiefere Grund für das Ressentiment gegen Asiaten. Es ist absurd, dass in einem Land wie den USA, dass sich dem Erfolg verschrieben hat, Menschen gerade deshalb diskriminiert werden, weil sie besonders erfolgreich sind.

Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Autor vom Buch: „Die Gesellschaft und ihre Reichen: Vorurteile über eine beneidete Minderheit“.

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