Deutschlands Versagen in der Coronakrise und das gestörte Verhältnis zur Nation

Erschienen am 25. März 2021

In der Flüchtlingskrise wie in der Corona-Krise war ein gestörtes Verhältnis der politischen Klasse in Deutschland zur Nation eine Hauptursache für das Versagen.

Zu Beginn der Corona-Krise schien es so, als ob Deutschland besser damit zurechtkomme als Großbritannien, die USA und viele andere Länder. Das hat sich in den vergangenen Monaten genau umgekehrt: Die USA und Großbritannien gehören zu den Weltmeistern beim Impfen, während Deutschland weit hinterherhinkt. Die tiefere Ursache dafür ist, dass Deutschland ein gestörtes Verhältnis zu allem „Nationalen“ hat.

Schon das Wort „Nation“ gilt vielen Politikern, Intellektuellen und Medien in Deutschland als suspekt. Wer etwa darauf beharrt, dass – zum Beispiel bei der Impfstoffbeschaffung – die Regierung zuerst die Interessen des eigenen Landes berücksichtigen solle, gilt als „Nationalist“. Die Impfstoffbeschaffung wurde ausdrücklich deshalb von der Regierung Merkel an die EU delegiert, weil man eine geradezu panische Furcht hatte, von irgendjemandem als „Impfnationalist“ bezeichnet zu werden. Eine solche Furcht ist Briten und Amerikanern vollkommen fremd.

Das Ergebnis: Obwohl der Biontech- Impfstoff von einer deutschen Firma entwickelt wurde (und dies mit vielen Hundert Millionen deutschen Steuergeldern gefördert wurde), steht jetzt in Deutschland weniger Impfstoff zur Verfügung als in vielen anderen Ländern.

Die gleiche Ursache hatten die Probleme Deutschlands in der Flüchtlingskrise der Jahre 2015/2016. Auch hier wurde das Handeln bzw. Nichthandeln der Regierung Merkel stark von dem gestörten Verhältnis zur Nation bestimmt. Das ging so weit, dass Angela Merkel öffentlich erklärte, es sei gar nicht möglich, die Grenzen des eigenen Landes zu schützen.

Auch in der Kriminalitätsbekämpfung scheiterte lange Zeit in Deutschland vieles an der panischen Angst, man könne als „fremdenfeindlich“ (und damit als „nationalistisch“) gelten. Deshalb wurde das Problem der Kriminalität von arabischen Clans, die in vielen deutschen Städten die organisierte Kriminalität beherrschen, viele Jahre lang totgeschwiegen. Dies hat sich erst in den letzten Jahren geändert – aber Jahrzehnte wurden dadurch im Kampf gegen die organisierte Kriminalität verloren und deshalb tut sich Deutschland heute schwer damit, weil sich viele Clans längst etabliert haben.

Deutscher Größenwahn

Dieser deutsche Komplex geht auf der anderen Seite einher mit einem deutschen Größenwahn, einer geradezu grandiosen Selbstüberschätzung. Dies zeigt sich im Kampf gegen den Klimawandel. Obwohl Deutschland für nur zwei Prozent des weltweiten C02-Ausstoßes verantwortlich ist, kann man den Eindruck gewinnen, Deutschland glaube, dass das Schicksal unseres Planeten vor allem davon abhängen würde, was Deutschland tut. Viele deutsche Politiker erklären ausdrücklich, Deutschland solle ein Modell für alle anderen Länder auf der Welt sein, wir müssten sozusagen eine Vorbildfunktion für den Rest der Welt einnehmen.

Manchmal fühlt man sich an das Schlagwort „Am deutschen Wesen mag die Welt genesen“ erinnert, welches auf das Gedicht von Emanuel Geibel Deutschlands Beruf aus dem Jahre 1861 zurückgeht. Das Schlagwort „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ wurde später von der politischen Führung in Deutschland verwendet, so etwa von Kaiser Wilhelm II.

Der deutsche Anspruch, bei der Energiepolitik Vorbild für die ganze Welt zu sein, ist dabei umso lächerlicher, weil aus der Außensicht Deutschland die „dümmste Energiepolitik der Welt“ (so das Wallstreet Journal) betreibt.

Deutschland ist stolz darauf, sowohl Kernkraftwerke als auch Kohlekraftwerke stillzulegen, obwohl Kernenergie eine der klimafreundlichsten Energien ist und viele renommierte Wissenschaftler der Auffassung sind, dass ohne mehr Kernkraftwerke dem Problem des Klimawandels nicht beizukommen ist. Die Strompreise in Deutschland sind als Folge der irrationalen Energiepolitik inzwischen die höchsten der Welt – und damit ist Deutschland allenfalls ein abschreckendes Beispiel.

Auch in der Flüchtlingskrise zeigte sich Deutschlands missionarischer Anspruch, „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“. Angela Merkel glaubte ernsthaft, sie könne ganz Europa auf ihre Linie einschwören, die Grenzen weit zu öffnen. Das war natürlich nicht der Fall. Ein Land nach dem anderen schloss die Grenzen für illegale Zuwanderer und Deutschland stand schließlich in Europa mit seiner Flüchtlingspolitik alleine da.

Die naive Erwartung, andere Länder würden den gleichen Maximen folgen wie Deutschland, zeigte sich auch in der Corona-Krise. Deutschland und die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigten sich tief enttäuscht, dass die Regierungen von Großbritannien und auch der USA zuerst die Interessen des eigenen Landes im Blick haben – aus deutscher Sicht ein gefährlicher „Nationalismus“. Einer Enttäuschung geht jedoch im Leben oft die Selbsttäuschung voraus, denn die Annahme war naiv, dass die Regierungen anderer Länder ebenfalls zuletzt an den Schutz der eigenen Bevölkerung denken.

Rainer Zitelmann ist Autor des soeben neu aufgelegten Buches „Wohin treibt unsere Republik? Wie Deutschland links und grün wurde“

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