Die Big-Tech-Unternehmen sind keine klassischen Monopole

Erschienen am 4. September 2021

Immer populärer wird der Ruf nach der Zerschlagung der Tech-Giganten, deren Monopolstellung kritisiert wird. Aber handelt es sich wirklich um Monopole im klassischen Sinne?

Es gibt viele berechtigte Kritik an Big Tech-Unternehmen, so etwa an der massiven Einschränkung der Meinungsfreiheit in sozialen Medien (woran jedoch staatliche Auflagen und Gesetze einen mindestens ebenso großen Anteil haben wie die politische Einseitigkeit dieser Unternehmen). Bei Facebook habe ich selbst mehrfach negative Erfahrungen mit Reichweitenbeschränkung und anderen Sanktionen gemacht, weil ich politisch nicht korrekte Beiträge dort veröffentlicht habe.

Viele Kritikpunkte, die von Ökonomen und Anti-Trust-Behörden an Monopolen vorgetragen werden, treffen indes für .die großen Tech-Giganten nicht oder nur bedingt zu. Der Ökonom Tyler Cowen zeigt am Beispiel von Google, Facebook und Apple, dass diese Unternehmen keineswegs innovationsfeindlich sind, ganz im Gegenteil: „In der Praxis haben sich die großen Technologieunternehmen jedoch als sehr innovationsfreudig erwiesen. Darüber hinaus hat die Aussicht, von Google oder einem der anderen Tech-Giganten aufgekauft zu werden, den Anreiz für andere erhöht, innovativ zu sein, und sie hat angeschlagenen Unternehmen Zugang zu Kapital und Fachwissen verschafft, wenn sie andernfalls vielleicht aufgegeben oder gar nicht erst begonnen hätten.“

Die Big Tech-Unternehmen geben heute Unsummen für Forschung und Entwicklung aus – allein für das Jahr 2018 hat der Ökonom Nicolas Petit die Ausgaben der sechs Tech-Giganten Amazon, Google, Microsoft, Netflix, Facebook und Apple für Forschung und Entwicklung auf mindestens 22,6 Milliarden Dollar geschätzt – und dies ist eine konservative Schätzung.

Nicht nur diese Zahl steht im Widerspruch zu vielen Merkmalen, die man normalerweise Monopolen zuschreibt. Petit hat 2020 in einer großen Studie („Big Tech and Digital Economy“) gewichtige Argumente ins Feld geführt, die den Begriff des „Monopols“ relativieren und hat den Begriff „Moligopoly“ geprägt. Tech-Giganten wie Amazon, Google, Microsoft, Netflix, Facebook und Apple

sind auf immer mehr unterschiedlichen Feldern tätig, machen sich gegenseitig Konkurrenz und haben auf vielen Feldern auch durchaus ernstzunehmende Wettbewerber. Petit nennt folgende Beispiele: Google hat einen E-Mail-Dienst, einen Browser, ein mobiles Betriebssystem und ein soziales Netzwerk entwickelt. Amazon hat sich von einem spezialisierten Online-Buchhändler zu einem generalistischen Online-Einzelhändler und einem Anbieter von Cloud-Computing-Diensten entwickelt und besitzt jetzt auch eine Lebensmittelkette mit Ladengeschäften. Und Facebook ist ein Unternehmen, das in zwei Marktsegmenten strukturiert ist, nämlich globale Netzwerke und Messaging. Und die Tech-Giganten erschließen immer neue Segmente, wo sie sich gegenseitig Konkurrenz machen und in Konkurrenz zu anderen Firmen treten – Microsoft im Games-Segment, Google in selbstfahrenden Autos, Facebook in Bezahlsystemen und Amazon in Videoproduktionen. Es ist interessant, wenn man diese Unternehmen nicht aus der Sicht von Anti-Trust-Behörden sieht, sondern aus der Sicht von Aktienanalysten. In jeder Analyse wird man Hinweise auf zahlreiche bereits existierende oder potenzielle Wettbewerber dieser Unternehmen finden.

Petits Folgerung: “Das Bild von großen Technologieunternehmen als Monopolisten ist intuitiv attraktiv, aber analytisch falsch. Monopolbefunde, die auf der Beobachtung begrenzter Rivalität auf dem Herkunftsmarkt der Tech-Giganten beruhen, stellen eine verengte Sicht des Wettbewerbs dar…. Ein besseres Bild ergibt sich, wenn man die großen Technologieunternehmen als Moligopolisten betrachtet, d. h. als Unternehmen, die gleichzeitig Monopolisten und Oligopolisten sind.“

Was die meisten Kritiker, die stärkere staatliche Regulierung oder eine Zerschlagung von Monopolen fordern, übersehen, ist die Tatsache, dass Monopole in der Regel weitaus weniger beständig sind, als die Menschen glauben. Dirk Auer und Nicolas Petit haben die Berichterstattung in Medien zum Thema Monopole über einen Zeitraum von 150 Jahren analysiert. Insgesamt werteten sie 1399 Artikel aus den Jahren 1850 bis 2000 aus. Die Analyse belegte u.a., dass die Berichterstattung in den Medien über Monopole meist sehr negativ ist. 61 Prozent aller ausgewerteten Artikel hatten einen negativen Tenor, 30 Prozent waren neutral und nur in neun Prozent der Artikel wurden positive Aspekte von Monopolen genannt. Dies ist für sich nicht überraschend, da Medien meist eher über negative als über positive Entwicklungen berichten. Zu denken geben sollte jedoch, dass über die Entstehung von Monopolen viel ausführlicher und häufiger berichtet wird als über das Ende von Monopolen. Auer und Pitt geben jedoch zu bedenken: „Wenn die Presseartikel eine Zufallsstichprobe von Monopolen abdeckten, dann sollten wir ungefähr so viele Artikel über verschwindende Monopole finden wie über entstehende. Das liegt daran, dass nur sehr wenige Monopole über die gesamte Zeitspanne des Datensatzes überlebt haben.“ Die Dauerhaftigkeit von Monopolen werde in der Presseberichterstattung weit überschätzt, so die Analyse. Dies bestätigt, was schon Milton Friedman zu Monopolen beobachtete, nämlich dass ihre Bedeutung weit überschätzt werde, was unter anderem daran liege, dass monopolistische Tendenzen mehr Aufmerksamkeit nach sich ziehen als Wettbewerb. Das wirksamste Mittel gegen Monopole, dies zeigt die Geschichte, sind Kapitalismus und technische sowie unternehmerische Innovation – und nicht staatliche Regulierung und Anti-Trust-Gesetze.

Rainer Zitelmann ist Autor des Buches „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung.“

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