Die Finanzkrise ist erst dann vorbei, wenn QE beendet werden kann, ohne dass es zum Crash kommt

Erschienen am 2. September 2016

Jede Woche lese ich irgendwo, die Finanzkrise und die Eurokrise seien vorbei. Fast in allen Beiträgen wird davon als vergangenem Ereignis berichtet. Das ist für mich völlig unverständlich. Wir sind mittendrin.

Was würden Sie dazu sagen, wenn man einen Alkoholiker, der für einige Stunden aufgehört hat zu zittern, nachdem man ihm eine neue Schnapsflasche gereicht hat, als „gesundet“ bezeichnete? Und würden Sie einen Drogenabhängigen, der täglich Methadon verabreicht bekommt, als geheilt bezeichnen?

Das Methadon der Finanzmärkte sind die Null-Zinsen und die QE-Politik der Zentralbanken. Die Analogie zum Alkoholiker oder zum Drogenabhängigen geht weiter: Ursache für die Finanzkrise war die Politik des billigen Geldes, mit der Alan Greenspan nach dem Platzen der New Economy-Blase die Finanzmärkte „beruhigte“. Bekanntlich produzierte er damit neue Blasen, so etwa die Hauspreisblase in den USA. Auch auf deren Platzen wurde wieder mit einer Politik des billigen Geldes, also einer Niedrigzinspolitik, reagiert. Nachdem diese keine Wirkung mehr zeigte und die Zinsen schon bei Null waren, folgten weitere Maßnahmen, die mit „Quantitative Easing“ bezeichnet wurden.

Auch diese Politik zeigte immer weniger Wirkungen, weshalb die EZB inzwischen dazu übergegangen ist, neben Staatsanleihen hochverschuldeter Staaten auch im großen Stil Unternehmensanleihen aufzukaufen. Die Marktmechanismen sind damit völlig außer Kraft gesetzt.

Mit all dem wurde nur an Symptomen herumgedoktert. Keine der Ursachen der Finanzkrise ist beseitigt. Im Gegenteil. Die Situation ist schlimmer als vor Ausbruch der Krise: Die Staaten sind noch höher verschuldet und der Bankensektor – zumindest in Europa – befindet sich in einem hochgradig instabilen Zustand. Ein Blick auf die italienischen Banken oder auch auf die Deutsche Bank zeigt, wie absurd die Behauptung ist, die Finanzkrise sei vorüber.

Auch die Eurokrise ist längst nicht gelöst. Es spricht nur niemand mehr von der fatalen Politik der „Griechenlandrettung“, die jedoch unverdrossen weiter betrieben wird. Wir haben uns lediglich inzwischen daran gewöhnt, dass immer mehr Milliarden sinnlos verpulvert werden. Dass das Thema in den Medien kaum noch vorkommt, heißt jedoch nicht, dass das Problem gelöst wäre.

Also: Wir sind mitten in der Finanz- und der Eurokrise und es steht sogar zu befürchten, dass wir das Schlimmste noch vor uns haben. Auch wenn ich natürlich hoffe, dass es nicht so kommt, dann ist jedenfalls die Behauptung, diese beiden Krisen seien gelöst, abwegig.

Ein Finanzexperte, mit dem ich befreundet bin, wandte gegen meine These ein, es sei schwer, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann man denn davon sprechen könne, dass die Krise vorbei sei. Das finde ich nicht: Die Finanzkrise ist erst dann vorbei, wenn die QE-Politik beendet werden kann, ohne dass es zum sofortigen Crash an den Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkten kommt. So wie der Drogenabhängige erst dann geheilt ist, wenn er ohne Methadon ein normales Leben führen kann.


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Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.