6 Gründe, die auch gegen Trump sprechen, wenn man nicht links ist

Erschienen am 7. August 2016

Dass die deutschen Medien unisono vor Donald Trump warnen, war für mich kein Grund, gegen ihn zu sein. Sie warnten auch damals vor Ronald Reagan, der dann einer der besten amerikanischen US-Präsidenten wurde. Und sie himmelten Obama an, der einer der schlechtesten ist (Obama war ein großer Irrtum – nur die Deutschen haben es bis heute nicht gemerkt). Dass 95 Prozent der Deutschen Hillary Clinton wählen würden, ist für mich erst recht kein Grund – ich selbst würde sie nie wählen. Doch auch ich wurde schließlich zum scharfen Trump-Kritiker. Warum?

Ein Anhänger von Trump als Politiker war ich nie – meine Sympathien lagen eher bei Ted Cruz, der bei den Vorwahlen jedoch unterlag. Sympathisch war mir jedoch immerhin zunächst, dass Trump die Regeln der sogenannten „Political Correctness“ ignorierte. Gemeint ist damit ein System von Sprachregeln, denen man sich unterwerfen muss, um nicht eine Menge Ärger zu bekommen. Dieser Ärger ist ihm offenbar nicht nur egal, er sucht ihn geradezu. Auch das war kein Grund für mich, gegen ihn zu sein.

Ich verstand auch die Gründe für Trumps Erfolg. Er gab – vermeintlich – einer Bevölkerungsgruppe eine Stimme, um die sich die Parteien in Amerika kaum noch gekümmert hatte: Weißen, heterosexuellen Männern. Die Demokraten haben sich zunehmend darauf spezialisiert, sogenannte Minderheiten zu vertreten. Zuletzt setzten sie sich besonders stark für „Transgender“ ein. Die aus der Sicht vieler Menschen höchst nebensächliche Frage, welche Toiletten Männer benutzen dürfen, die sich für eine Frau halten, wurde in Amerika mit einer Inbrunst diskutiert, dass sich viele Amerikaner wohl fragten: „Und wer setzt sich für meine alltäglichen Belange ein?“ Insofern war und ist für mich durchaus nachvollziehbar, warum viele weiße Männer in den USA für Trump sind. Sie sind die einzige Gruppe, in der er eine deutliche Mehrheit hat.

Warum wurde ich zum scharfen Trump-Kritiker?

  1. Er hat nicht nur von vielen Dingen überhaupt keine Ahnung, sondern er weiß auch nicht, wovon er etwas versteht und wovon nicht. Seine Äußerung, er könne sich ein Bild über Russland machen, weil er dort ja die Miss Universe-Wahlen veranstaltet habe, spricht Bände.
  2. Er lügt immer wieder. Ein Beispiel dafür war seine – durch absolut nichts belegte – Äußerung, der Vater von Ted Cruz (sein republikanischer Wettbewerber bei den Vorwahlen) sei in die Ermordung von John F. Kennedy verstrickt gewesen. Wer die kritische Trump-Biographie von Michael D’Antonio liest, die ich an dieser Stelle besprochen habe (389 lesenswerte Seiten über Trump – die Essenz), wird zahlreiche Beispiele dafür finden, wo Trump gelogen hat. Übrigens ist auch den Angaben über die Höhe seines Vermögens nicht zu trauen. Sie stimmten früher schon nicht und werden heute auch nicht stimmen.
  3. Er redet eine Menge Blödsinn. Ein Beispiel: Für Trump ist der republikanische Politiker McCain „kein Held“. „Er ist ein Kriegsheld, weil er gefangen wurde. Ich mag Leute, die nicht gefangen wurden, okay?“ McCain – ein hoch dekorierter Flieger – war während des Vietnamkriegs in Gefangenschaft geraten, mehr als fünf Jahre festgehalten und gefoltert worden. Wenn Trump nicht weiter weiß, hält er nicht einfach den Mund, sondern sagt Dinge, die ganz offensichtlich nicht den geringsten Sinn ergeben.
  4. Er leidet an Größenwahn und Selbstüberschätzung. Der Erfolg ist ihm zu Kopf gestiegen. Da ihm zunächst viele seiner Äußerungen, für die er in den Medien kritisiert wurde, bei Umfragen nicht geschadet hatten, meinte er: „Ich könnte in New York auf der Fifth Avenue jemanden erschießen und die Leute würden mich trotzdem noch wählen.“ Das hat er tatsächlich öffentlich gesagt und mit Sicherheit auch geglaubt, als er es sagte.
  5. Er hat keine Überzeugungen. Er ist nicht rechts, er ist nicht links, er ist nicht marktwirtschaftlich und nicht sozialistisch – Trump ist nur Trump, nur an seiner eigenen Person interessiert. Er war schon dafür, den Spitzensteuersatz auf 60 Prozent zu erhöhen, dann ist er wieder für Steuersenkungen. Er gibt sich als Kapitalist, stimmt aber dem Sozialisten Bernie Sanders in dessen Kritik am Freihandel uneingeschränkt zu. Er hat kein politisches Koordinatensystem.
  6. Er ist unberechenbar – und will es laut eigener Aussage auch sein. Auch dies ist nur vor dem Hintergrund der Politik von Obama zu verstehen. Obama war, da sind sich viele Kritiker einig, zu berechenbar. Er erklärte zunächst einmal immer öffentlich, was er alles nicht tun würde. Das hat Machtpolitiker wie Putin ermutigt. Trumps primitives Motto lautet offenbar, wenn man genau das Gegenteil von Obama mache, liege man schon richtig – also müsse man völlig unberechenbar sein. Klar, dass niemand einem solchen Menschen die Entscheidung über den Einsatz von Atomwaffen anvertrauen will.

All diese Charaktereigenschaften von Trump waren schon von Anfang an deutlich, aber sie wurden von Monat zu Monat deutlicher. Was zunächst vielleicht für den, der sich – so wie ich – nicht intensiver mit Trump beschäftigt hatte, als peinliche „Ausrutscher“ erscheinen konnte, ist tief in seiner Persönlichkeit verankert, und daher auch nicht änderbar. Derzeit hat man den Eindruck, dass er jeden Rest von Selbstkontrolle verloren hat.

Dass jemand wie Trump nach acht Jahren Obama einen solchen Erfolg bei vielen Amerikanern hat, spricht nicht für Obama. Die politisch stets Korrekten, von denen Obama einer ist, haben jemanden wie Trump erst ermöglicht. Dass sie Trump bekämpfen, kann jedoch für mich kein Grund sein, ihn zu mögen. Die Formel „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ ist für mich keine Orientierungsmarke, um mir eine eigene Meinung zu bilden.

Wird Trump die Wahlen verlieren? Ich hoffe es, obwohl ich von Hillary Clinton nichts halte. Ich würde weder sie noch Trump wählen. Meine Stimme hätte der Texaner Ted Cruz gehabt – oder vielleicht auch der Präsidentschaftskandidat der Libertären, Gary Johnson (Alternative zu Trump & Clinton? Amerikas Liberale nennen sich Libertarians). Der Ausgang der Wahlen ist unklar. Trump hat zuletzt in den Umfragen verloren. Aber man sollte ihn nicht unterschätzen. Es stehen drei große TV-Duelle zwischen Clinton und Trump bevor. Trump hat bei den Vorwahlen 16 parteiinterne Wettbewerber niedergeredet und einen haushohen Sieg eingefahren, mit dem niemand gerechnet hätte. Die unsympathische und unglaubwürdige Hillary Clinton wird es nicht einfach haben gegen ihn. Wenn sie die Wahlen gewinnt, dann deshalb, weil viele sie für das kleinere Übel halten, was wohl auch stimmt.


24 Besprechungen, Interviews und Artikel zu Rainer Zitelmanns aktuellem Buch "Reich werden und bleiben": http://www.reichwerdenundbleiben.net/

Über den Autor

Rainer Zitelmann ist einer der führenden Immobilienexperten und -netzwerker in Deutschland.